Umfrage zeigt

Das wünschen sich Patienten im Zusammenhang mit IGeL

Viele Patienten hadern immer noch mit Selbstzahlerangeboten in der Praxis. Wie eine Studie zeigt, hat das nicht nur mit Skepsis gegenüber IGeL zu tun.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl und Matthias WallenfelsMatthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die Aufklärung über einzelne IGeL ist Arztsache.

Die Aufklärung über einzelne IGeL ist Arztsache.

© endostock/fotolia.com

NEU-ISENBURG. Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) leiden nicht per se unter einem Schmuddel-Image.

Vielmehr sind Patienten bereit, sie in Anspruch zu nehmen, wenn sie vorher ärztlicherseits eine umfassende Aufklärung über das jeweilige Angebot erfahren haben. Außerdem wünschen sie sich unabhängige Informationen zu Selbstzahlerleistungen und ausreichende Bedenkzeit.

So lautet zumindest das Fazit einer jüngst publizierten Erhebung zum IGeL-Handling in der Vertragsarztpraxis ("Wie sollen Kassenärzte mit individuellen Gesundheitsleistungen umgehen? Defizite und Vorschläge aus Patientensicht", DMW 24/2012, S. 1291-1296).

Die Forscher vom Institut für Sozialmedizin an der Universität Lübeck schlugen für ihre Studie einen zweigeteilten Weg ein: Zunächst starteten sie 2007 eine repräsentative Bevölkerungsumfrage in Lübeck und Freiburg im Breisgau, an der sich 778 Personen beteiligten, die in den Monaten zuvor IGeL-Angebote erhalten hatten.

Dieser Umfrage schloss sich im Frühjahr 2008 eine Diskussionsrunde in sieben Fokusgruppen an, an der insgesamt 50 Personen teilnahmen.

IGeL gehören nicht an den Praxistresen

Dabei zeigte sich, dass das größte Problem der Praxen beim IGeLn tatsächlich darin liegt, die Patienten sachgerecht zu informieren. Vor allem in den Fokusgruppen machte die Mehrheit der Teilnehmer deutlich, dass sie das aktive Anbieten von IGeL durch den Arzt generell befürworten.

Was allerdings laut Studie nicht geht: Dass die Medizinische Fachangestellte (MFA) den Patienten das IGeL-Angebot unterbreitet. So habe ein Gruppenteilnehmer ganz konkret gesagt: "Also ganz bestimmt nicht von der Arzthelferin am Tresen, weil dann habe ich das Gefühl, das ist ein Eintrittsgeld."

Nur, die Studienteilnehmer beklagten sich vielfach darüber, zu wenig oder gar nicht über den Nutzen der IGeL aufgeklärt worden zu sein. Und nicht nur das: Viele der Teilnehmer fühlten sich ebenfalls über die Risiken der Selbstzahlerleistungen unzureichend aufgeklärt, berichten die Studienautoren.

Dabei können sich die Studienteilnehmer durchaus vorstellen, dass sich Arzt und MFA das Aufklärungsgespräch aufteilen.

Die Rolle der MFA sollte sich dann aber auf enge Teilbereiche beschränken. Gerade wenn es um die Inhalte der Leistung geht, wünschen sich Patienten eher den Arzt als Ansprechpartner.

Schwierigkeiten bereitet Patienten, wie die Studie zeigt, auch die Abgrenzung von GKV- und Selbstzahlerleistungen. Die Studienteilnehmer wünschen sich daher so etwas wie einen Katalog der GKV-Leistungen, damit für sie sichtbar wird, "was einem zusteht".

Werbung sollte nicht auf Ängste der Patienten zielen

Generell stehen die Befragten schriftlichen IGeL-Materialien positiv gegenüber. Aber: Anpreisende Werbung und angst- oder bedarfsinduzierende Formulierungen wurden abgelehnt. Und die Befragten wünschen sich Infomaterialien, die von einer neutralen Stelle erstellt werden.

Wobei insbesondere der Bundesärztekammer eine solche neutrale Funktion zugestanden wird. Bei den Krankenkassen wurde die Neutralität hingegen zum Teil angezweifelt.

Ob der zu Beginn dieses Jahres gestartete IGeL-Monitor der Kassen, der die Selbstzahlerleistungen in einem extrem kritischen Licht betrachtet, auch für mehr Vertrauen bei den Patienten in die Kassen sorgt, ist noch offen. Entwickelt wurde die Internetplattform vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS). Finanziert wird der IGeL-Monitor vom GKV-Spitzenverband.

Nicht ganz eindeutig positionierten sich die Befragten in Sachen Bedenkzeit für IGeL. Einerseits gab knapp ein Viertel der Befragten in der postalischen Umfrage an, keine angemessene Bedenkzeit erhalten zu haben.

Und auch die Teilnehmer der Fokusgruppen bekräftigten noch einmal den Wunsch, sich ohne zeitlichen Druck für oder gegen eine IGeL entscheiden zu können. Die Gruppenteilnehmer waren aber nur begrenzt dazu bereit, dann auch zusätzliche Arztbesuche zu akzeptieren.

Trotzdem sollten Ärzte zu allererst dem Wunsch der Patienten gerecht werden, beim IGeLn den Zeitdruck herauszunehmen. Die Studienautoren empfehlen, möglichst schriftliche Infomaterialien auszuhändigen und einen gesonderten Termin für die Durchführung der IGeL zu vereinbaren.

Generell sollten IGeL und GKV-Leistungen nicht kombiniert erbracht werden, so die Studienautoren. Denn sie sollten für Patienten klar voneinander abgrenzbar sein.

Jeder Fünfte erhält keine ordentliche IGeL-Rechnung

Unsicher fühlen sich die Patienten auch bei der Frage der Kosten. Schriftliche Verträge wurden laut der postalischen Umfrage nur in 39 Prozent der Fälle geschlossen. Jeder fünfte habe zudem angegeben, auch hinterher keine Rechnung erhalten zu haben.

Hier gilt es für Praxisteams, unbedingt vor der Behandlung Transparenz in Sachen Kosten zu schaffen - etwa indem in Flyern verschiedene Angebote durchkalkuliert werden.

Und: Zu jeder IGeL gehört ein schriftlicher Vertrag samt Rechnung gemäß GOÄ. Darauf weisen auch die Studienautoren noch einmal explizit hin.

Das stärkt nicht nur das Vertrauen der Patienten in die Praxis. Denn wie die Studienautoren berichten, spiegele sich in vielen Äußerungen aus den Fokusgruppen "das patientenseitige Misstrauen gegenüber der ärztlichen Abrechnung medizinischer Leistungen" wider.

Ärzte haben ohne vorher abgeschlossenen Behandlungsvertrag und ohne ordentliche Rechnung auch keinerlei rechtlichen Anspruch auf eine Zahlung durch den Patienten. Wobei die Studie auch offenlegt, dass sich die Patienten ebenso für den GKV-Bereich mehr Kostentransparenz wünschen.

Aber: Das Konzept der bereits etablierten Patientenquittungen war laut der Studie nahezu unbekannt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: IGeL - eine Dauerbaustelle

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