Bertelsmann Stiftung

Patienten wollen mehr Infos über Ärzte

Im Vergleich zu anderen Ländern erfahren Patienten in Deutschland bei der Suche nach einem Arzt relativ wenig über dessen Kompetenz und Hygiene in seiner Praxis. Das ließe sich ändern, sagt die Bertelsmann Stiftung.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
27 Prozent der Patienten fürchten nach einer aktuellen Umfrage aufgrund fehlender Informationen nicht den richtigen Arzt zu finden.

27 Prozent der Patienten fürchten nach einer aktuellen Umfrage aufgrund fehlender Informationen nicht den richtigen Arzt zu finden.

© LeoWolfert / Getty Images / iStock

NEU-ISENBURG. Viele Patienten haben das Bedürfnis, vor dem ersten Besuch bei einem Arzt mehr Informationen zu bekommen. Dabei nehmen sie durchaus Qualitätsunterschiede zwischen den Praxen wahr.

Das zeigt eine Befragung von TNS Emnid unter 1007 Bürgern im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und der Weissen Liste, die ein Arztbewertungsportal betreibt.

Demnach nehmen 38 Prozent der Befragten sehr starke oder eher starke Qualitätsunterschiede beim Besuch von Arztpraxen wahr. 53 Prozent wünschen sich vor dem Arztbesuch mehr Informationen, und immerhin 27 Prozent fürchten, aufgrund fehlender Informationen nicht den richtigen Arzt zu finden.

Vor einem Arztbesuch werden als wichtige Informationsquellen immer noch Verwandte, Bekannte und Freunde (75 Prozent) sowie der Arzt, "bei dem ich bereits in Behandlung bin" (73 Prozent), als erstes genannt.

Mit 66 Prozent folgt dann aber bereits das Internet als Informationsquelle, hat die Umfrage weiter ergeben. Übers Netz suchen Patienten gezielt nach einem Arzt in der Nähe (55 Prozent), auf der Homepage der Praxis (40 Prozent) oder gezielt in Arztsuchportalen (29 Prozent).

Neutralität ist Patienten wichtig

Von den Arztsuchportalen wünschen sich die Patienten laut Umfrage, dass sie neutral und werbefrei sind (86 Prozent stimmen dieser Aussage sehr oder eher zu).

Sie sollten zudem Patientenerfahrungen regelmäßig erheben (70 Prozent), Daten zur Qualität von Arztpraxen enthalten (65 Prozent), und sie sollten Ärzte verpflichten, Infos zu veröffentlichen (63 Prozent).

Dabei richtet sich das Informationsbedürfnis vor allem auf die Fachkenntnisse und Erfahrungen des Arztes mit der Behandlung der eigenen Erkrankung. 94 Prozent der Umfrageteilnehmer ist genau das "sehr wichtig" oder "eher wichtig".

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Immer noch 90 Prozent sind Informationen über Maßnahmen zur Hygiene in der Praxis wichtig. 80 Prozent priorisieren auch Informationen über die Behandlungsergebnisse des Arztes bei bestimmten Erkrankungen, 74 Prozent wollen zudem Informationen über die Ausstattung der Praxis mit Geräten.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen dabei auch im Bewusstsein der Patienten teils weit auseinander. So fühlen sich nur 52 Prozent der Befragten über Hygienemaßnahmen gut informiert und 58 Prozent über Behandlungsergebnisse.

Etwas besser sieht es bei Informationen über Fachkenntnisse und Erfahrung des Arztes bei der eigenen Erkrankung aus: 74 Prozent fühlen sich in diesem Punkt gut informiert.

"Die bisherige Arztwahl in Deutschland basiert im weitesten Sinne auf dem Prinzip Trial and Error. Dabei liegen viele dieser Informationen zu Expertise, Erfahrung und Ausstattung bereits vor", kommentiert Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, laut Pressemitteilung.

Andere Länder zeigten bereits, wie diese Daten zum Nutzen der Patienten öffentlich präsentiert werden könnten, so Mohn. "Deutschland bleibt hier deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück."

Daten liegen in KVen vor

"Patienten haben eine sehr genaue Vorstellung davon, welche Informationen ihnen fehlen, um mehr Sicherheit bei der Arztwahl zu erhalten. Aber in Deutschland werden ihnen diese bisher vorenthalten", sagt auch Roland Rischer, Geschäftsführer der Weissen Liste.

Daten über die Ausstattung, das Leistungsspektrum und die Erfahrungen der Ärzte würden bereits von den KVen erhoben. Die deutsche Gesundheitspolitik sehe jedoch bisher nicht vor, diese öffentlich zu machen.

Andere Industrieländer, allen voran England und die USA, gingen wesentlich offener mit ihren Daten um. Das habe eine vergleichende Länderanalyse ergeben. Patienten können sich dort ohne Zugangsbeschränkungen darüber informieren, welche Leistungen ein Arzt wie oft und in welcher Qualität anbietet.

Dazu werden Abrechnungsdaten von einer staatlichen Institution ausgewertet. Außerdem werden Patienten regelmäßig seriös zu ihren Erfahrungen mit dem Arzt oder der Praxis befragt.

Gesamtkonzept fehlt

Der Datenschutz sei kein stichhaltiges Argument gegen mehr Offenheit zur Qualität und Erfahrung in Arztpraxen. Das habe ein Rechtsgutachten im Auftrag der Stiftung ergeben. Die Privatsphäre der Patienten wäre keineswegs gefährdet, wenn Daten anonymisiert genutzt würden.

Mit Blick auf die Ärzte müsse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit jedoch gleichrangig mit deren Schutzbedürfnissen gewürdigt werden. Kommen zusätzliche Belange wie der Gesundheitsschutz und das Patientenwohl hinzu, könne die Offenlegung der Daten sogar geboten sein, heißt es.

"Die Studienergebnisse zeigen, dass Deutschland im internationalen Vergleich zurückbleibt. Unsere Gesundheitspolitiker sind nun gefordert. Sie sollten den gesetzlichen Rahmen so verändern, dass Patienten in Deutschland alle benötigten Informationen haben, um den richtigen Arzt zu finden", sagt Roland Rischer.

Nach dem Vorbild anderer Länder sollte eine neutrale Datenannahmestelle errichtet werden, die KVen sollten dazu verpflicht werden, ihre Daten bereitzustellen. "Darüber hinaus sollten Patientenerfahrungen, die Arztpraxen selbst erheben, veröffentlicht werden", fordert Rischer.

Dann hätten Arztsuchportale eine gute Basis, um dem ausgeprägten Wunsch der Patienten nach mehr Informationen über Qualität und Ausstattung von Ärzten nachzukommen.

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