Weiterbildung

Vorzeige-Modell für junge Ärzte

In der Weiterbildung knirscht es, die jungen Ärzte wünschen sich mehr Struktur, Qualität und Mitspracherecht. Doch während bundesweit noch nach Reformen gerufen wird, zeigt ein Modell aus Seligenstadt bereits, wie die Weiterbildung wieder zum Aushängeschild der Kliniken wird.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Weiterbildungsassistent Dr. Christian Keller (rechts) und Oberarzt Andreas Grein im Gastroskopie-Übungsraum. Mithilfe von Dummies sollen sich die jungen Mediziner ein kleines Stück Routine erarbeiten.

Weiterbildungsassistent Dr. Christian Keller (rechts) und Oberarzt Andreas Grein im Gastroskopie-Übungsraum. Mithilfe von Dummies sollen sich die jungen Mediziner ein kleines Stück Routine erarbeiten.

© R. Höhl

SELIGENSTADT. Was von vielen jungen Medizinern als Schwachpunkt in der Weiterbildung angesehen wird, hat Dr. Nikos Stergiou als Chance genutzt: "Die Ärztekammer gibt mir nur vor, welche Kompetenzen ich in der Facharztweiterbildung vermitteln muss. Wie ich es umsetze, stellt sie mir frei", sagt der Chefarzt für Innere Medizin an der Asklepios Klinik Seligenstadt.

Diesen Freiraum hat Stergiou genutzt, um in Seligenstadt ein dynamisches und gleichzeitig paritätisches Weiterbildungskonzept auf die Beine zu stellen - das so in Deutschland bislang einmalig ist.

Dabei hat den Internisten die Weiterbildung junger Kollegen schon immer gereizt. "Ich wollte sie aber auch aktiv gestalten." - und vor allem anders aufbauen, als er sie selbst durchlebt hat. Als er 2004 die Stelle des Chefarztes in Seligenstadt übernahm, hatte er auch endlich die Möglichkeit dazu. Eines seiner Hauptziele war dabei, die jungen Mediziner nicht nur zu guten Ärzten zu machen, sondern auch ihre Kompetenzen im Umgang mit den Patienten und ärztlichen Kollegen auszubauen.

Und dies so zu schaffen, dass gleichzeitig die Versorgung in der Klinik aufrecht erhalten werden kann. "Es müssen auch von den Weiterbildungsassistenten Dienste geleistet werden", sagt er sehr deutlich. Damit es funktioniert, ist aber noch etwas wichtig: "Sie können so etwas nicht alleine machen." Stergiou hat sich daher mit Oberarzt Andreas Grein einen Kollegen ins Boot geholt, der ebenfalls Spaß an der Wissensvermittlung hat.

Zwei-Jahres-Curriculum aufgelegt

Seit 2006 hat die Abteilung für Innere Medizin eine vollständige Weiterbildungsermächtigung. Bereits ein Jahr später fing Stergious Abteilung an, Theorie- und Praxiskurse - etwa in Gastroskopie oder Elektrokardiographie - zu geben. 2009 fiel dann der Startschuss für SKILL® - das Strukturierte Konzept eines internistischen Lehr- und Lernprogramms, das den jungen Ärzten neben der Lehre am Krankenbett theoretische und praktische Lernmodule zur Intensivierung des Wissens bietet.

Das Konzept setzt auf ein Zwei-Jahres-Curriculum mit bislang 16 Modulen. "Dadurch können die jungen Kollegen jederzeit einsteigen", erklärt Grein. "Und sie haben innerhalb der fünfjährigen Weiterbildung mindestens zwei Mal die Chance, an den Kursen und Modulen teilzunehmen."

Damit soll sichergestellt werden, dass sie alle Kompetenzbereiche, die die Ärztekammer verlangt, auch sicher in der Weiterbildung durchlaufen können. Der Schwerpunkt liegt zwar auf dem Erlernen von Untersuchungstechniken wie Sonographie, Endoskopie und Radiologie - die zum Teil an Dummies trainiert werden -, das Konzept beinhaltet aber ebenso ein Kommunikationstraining.

Trotz all dieser Möglichkeiten gesteht Stergiou aber, dass man manchen Weiterbildungsassistenten hin und wieder doch "zum Jagen tragen muss."

Scoringbogen hilft beim Gespräch

Um die Facharztweiterbildung weiter zu verbessern, hat Stergiou SKILL® daher nicht nur nach der DIN EN ISO 9001:2008 zertifizieren lassen, sondern sein Konzept auch nach dem Mastertrainermodell, das die Berufsverbände der Chirurgen und Internisten (BDC und BDI) gemeinsam ins Leben gerufen haben, überprüft.

Im Mastertrainermodell lernen die Klinikabteilungen mithilfe der vorhandenen Ressourcen und wissenschaftlicher Methoden, mehr Struktur in die Weiterbildung zu bekommen. "Der Mastertrainer hat uns noch einmal gezeigt, wie wir uns selbst überprüfen können und wie wir noch besser ein paritätisches System leben können", sagt Grein.

"Das Mastertrainermodell sagt: `Du willst Weiterbildung machen? Dann schau, was Du dafür bereits an Werkzeugen in der Klinik hast´", ergänzt Stergiou. Das Modell visualisiere genau, wie viele Ressourcen vorhanden sind.

Die Weiterbilder in Seligenstadt haben noch etwas aus dem Mastertrainermodell übernommen: Sie nutzen nun einen speziellen Scoringbogen für die Lernstandsrückmeldung. Anhand dieses Bogens bewerten Weiterbilder und Weiterbildungsassistent, wo der junge Mediziner wissensmäßig steht.

Das beinhaltet auch ganz praktische Fragen, etwa: Kennt der Assistenzarzt den Stationsablauf? Oder ist die Bedienung des Sonographiegerätes wirklich klar?

Positive Resonanz

Bei den jungen Ärzten kommt der Scoringbogen gut an, wie Dr. Christian Keller berichtet. Da Keller selbst schon im dritten Weiterbildungsjahr ist und somit seine Facharztweiterbildung angefangen hat, als es die Bewertung mit dem Scoringverfahren noch nicht gab, kann er hier zwar nicht aus eigener Erfahrung sprechen. "Aber ich hätte es mir damals gewünscht, da es noch mehr Struktur reinbringt und man genau sieht, was man noch nicht gemacht hat und worum man sich kümmern sollte."

Was es aber schon vor dem Scoringbogen gab, war das jährliche Feedbackgespräch. Auch hier geben die jungen Ärzte zunächst eine Selbsteinschätzung ab und bekommen dann ein Feedback vom Chef.

Der Vorteil ist laut Keller ähnlich wie beim Scoringverfahren, dass man die Weiterbildung flexibel dem Wissensstand anpassen kann: "Wenn man etwa schon vor dem angestrebten Termin fit in einer bestimmten Untersuchungstechnik, z.B. der Gastroskopie, ist, kann der Schwerpunkt im Folgejahr auf einen anderen Kompetenzbereich gelegt werden."

Dass die Weiterbildung an der Klinik tatsächlich paritätisch läuft, zeigt sich darin, dass die Assistenzärzte gemeinsam mit dem Chef erarbeitet haben, welche Kompetenzen die jungen Ärzte am Ende welchen Jahres erlernt haben sollen. Keller: "Dennoch ist alles individuell verhandelbar."Assistenzärzte produzieren eigene Podcasts.

Dass sich die Assistenzärzte durchaus gerne in die Ausbildung einbringen, beweist das neue E-Learning-Modul, das innerhalb von SKILL geboten wird. "Bei der Zertifizierung nach DIN ISO hat uns der Auditor darauf hingewiesen, dass er doch etwas die Möglichkeiten des E-Learning in unserem Konzept vermisst. E-Learning sei immerhin groß im Kommen", berichtet Grein.

Diesen Vorschlag hat die Klinik gerne aufgenommen. Eine Gruppe aus einem Facharzt und zwei Assistenzärzten, zu denen auch Keller gehört, produziert nun Podcasts, in denen pathologische Fälle erläutert werden. Die Idee dafür kommt allerdings von der Uni Aachen. Zwei Podcasts hat das Team bereits entwickelt. "Für die Erstellung eines Podcasts braucht es ungefähr eineinhalb Arbeitstage", sagt Keller.

Fallbesprechung mit Hausärzten

Ebenfalls fester Bestandteil der Weiterbildung sind die vier Mal pro Jahr stattfindenden Fallbesprechungen gemeinsam mit Hausärzten der Region. Grein: "Hier stellen die Assistenzärzte Fälle vor. Das soll sie auch ein wenig auf die Facharztprüfung vorbereiten, bei der sie sich ebenfalls den Fragen fremder Kollegen stellen müssen."

Ähnliches gilt für die interne Donnerstags-Fortbildung, während der aktuelle Studien, interessante Fälle aus dem Klinikalltag oder Infos von Kongressen vorgestellt werden - auch hier können und sollen sich die jungen Ärzte mit eigenen Vorträgen und Präsentationen einbringen.

Ein Konzept mit Wirkung: "Die Assistenzärzte bewerben sich speziell wegen unseres Weiterbildungskonzepts bei uns", sagt Stergiou. Über mangelnde Nachwuchsärzte könne sich die Klinik daher "erfreulicherweise" derzeit nicht beschweren.

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