Vogelsberg

Auf dem Trecker gegen den Landarztmangel

Im hessischen Vogelsbergkreis fehlt der ärztliche Nachwuchs. Die Politik hat das erkannt - und steuert gegen. Mit der Hilfe von Hausärzten wie Michael Buff: Er nimmt Studenten nach dem Praxisalltag mit auf die Weide.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Viel Grün, kleine Ortschaften: Eine typische Aussicht im mittelhessischen Vogelsbergkreis.

Viel Grün, kleine Ortschaften: Eine typische Aussicht im mittelhessischen Vogelsbergkreis.

© rp-images / dpa

LAUTERBACH. Leidenschaft für den Arztberuf entzünden, das geht nur durch persönliches Engagement. Da ist sich Michael Buff sicher. Der Allgemeinmediziner aus dem mittelhessischen Vogelsbergkreis zeigt Medizinstudenten deswegen nicht nur, wie abwechslungsreich der Alltag in seiner Landarztpraxis ist, sondern auch, wie Schafe am Abend von der Weide geholt werden.

Zeigt Medizinstudenten das Leben als Landarzt: Allgemeinmediziner Michael Buff.

Zeigt Medizinstudenten das Leben als Landarzt: Allgemeinmediziner Michael Buff.

© Landesärztekammer Hessen

Buff ist einer der Köpfe hinter der Nachwuchsförderung des Vogelsbergkreises. Die Region zählt rund 100.000 Einwohner, laut Regionalem Gesundheitsreport von Gesundheitsministerium und KV Hessen zählte der Kreis 2014 72 Hausärzte an 48 Standorten. Die Aussichten sind düster: "Wenn die Hausärzte im Vogelsbergkreis ihre Praxis mit 65 Jahren abgeben, liegt der Wiederbesetzungsbedarf im Jahr 2020 bei 49 Prozent", heißt es. Und damit über dem hessischen Schnitt von 40 Prozent.

17 Praxen sind im Verbund

Dass die medizinische Versorgung eines der drängendsten Probleme ist, hat der Kreis erkannt. "Bereits 2010 haben Bürgermeister, Landräte, aber auch die Kliniken und die Uni Marburg eine Gesundheitskonferenz veranstaltet", berichtete Buff nun auf dem Hessischen Ärztetag. Ein Arbeitskreis zur ärztlichen Versorgung wurde ins Leben gerufen, 2013 der Weiterbildungsverbund gegründet. Gleichzeitig hat der Landkreis eine halbe Fachstelle "Gesundheitliche Versorgung" geschaffen, die den Weiterbildungsverbund koordiniert.

Drei Krankenhäuser und 17 hausärztlich tätige Praxen sind in diesem vereint. Dass die Stellen – elf Ärzte in Weiterbildung sind im Einsatz – auf dem Land nicht "einfach so" besetzt werden, wisse man. "Wir geben Hilfe bei der Bereitstellung von Wohnraum, Kita-Plätzen oder Tagesmüttern", betont Buff. Der Kreis will so aktiv Anreize setzen, um die Nachwuchsmediziner in den Vogelsberg zu holen. Wer etwa das zweiwöchige Blockpraktikum im neunten Fachsemester auf dem Land verbringt, bekommt vom Kreis die Kosten erstattet. "Das kann durchaus ein Anreiz sein, nicht nur aus Kostengründen im 35 Kilometer entfernten Marburg zu bleiben", sagt Buff.

"Ziel des Blockpraktikums ist es, den Studierenden die Arbeit in einer Landarztpraxis nahe zu bringen – und nebenbei auch noch auf die Vorzüge des Landlebens hinzuweisen", erklärt Susanne Sommer vom Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin. Als Vogelsbergerin hat sie sich gezielt dafür eingesetzt, für die Möglichkeit des Blockpraktikums auch Praxen in ihrer Heimat zu werben.

Engagierte Ärzte nötig

Dass das Praxismanagement entsprechend angepasst werden muss, weiß Buff genau. Seine Patienten, erklärt der Landarzt, stehen den Studierenden "sehr aufgeschlossen" gegenüber. "Natürlich muss sich aber der Praxisalltag darauf auch einstellen", erklärt er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Im Alltag etwa Zeit zu nehmen und ausführlich Feedback zu geben, sei nicht an jedem Tag einfach.

Trotzdem: "Eine regelmäßige Rückmeldung ist den jungen Ärzten sehr wichtig", weiß Nina Walter, Leiterin der Stabsstelle Qualitätssicherung der Landesärztekammer Hessen. Diese erhebt regelmäßig Daten zur Qualität der Weiterbildung (wir berichteten). "Leider geben viele an, dass das oft fehlt." Auch ein strukturierter Weiterbildungsplan sei nur in etwa einem Fünftel der Fälle ausgehändigt worden. "Das sollte Banalität sein, ist aber oft nicht umgesetzt."

Hier sieht Buff sich und seine Kollegen in der Pflicht. "Wenn wir es schaffen, dass die Studenten bei uns eine gute Zeit haben, gut ausgebildet werden, die Allgemeinmedizin ein Stückchen weit begreifen und den Vogelsberg schätzen lernen – dann haben wir einiges für die Zukunft der ärztlichen Versorgung getan."

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