Weiterbildung

Der Ruf nach einem Assistentensprecher

Junge Mediziner monieren schon lange, dass es in der Facharztweiterbildung an Struktur und Qualitätskontrollen fehlt. Ein institutionalisierter Assistentensprecher in den Kliniken könnte Teil der Problemlösung sein. Doch dafür braucht es die Mitarbeit der Ärztekammern. Eine, die sich aufgeschlossen zeigt, ist die Kammer Schleswig-Holstein.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Assistentensprecher wollen die neutrale Stimme auch in Richtung Ärztekammer sein.

Assistentensprecher wollen die neutrale Stimme auch in Richtung Ärztekammer sein.

© lenetsnikolai/Fotolia.com

BAD-SEGEBERG. "Wir prügeln eigentlich die Falschen", sagt Dr. Carsten Leffmann. "Wir nehmen die jungen Ärzte an die Kandare, wenn da mal drei Wochen in der Weiterbildung fehlen", ergänzt der Ärztliche Geschäftsführer der Landesärztekammer (LÄK) Schleswig-Holstein. "Die Qualität der Weiterbildung ist aber viel mehr von den Strukturen und der Organisation in den Weiterbildungsstätten und dem Engagement der Weiterbildungsbefugten abhängig."

Um die Sinnhaftigkeit institutionalisierter Assistentensprecher zu beraten, hat sich Leffmann zum Roundtable-Gespräch mit zwei Vertretern des Bündnisses Junger Ärzte (BJÄ) getroffen, in dem immerhin junge Mediziner aus 18 Verbänden und Fachgesellschaften organisiert sind. Denn für ihn spiegeln sich die Probleme in der Versorgungslandschaft naturgemäß auch in der Kammerstruktur wider: Bei der Meinungsbildung, der Bearbeitung ja Beherrschung anstehender Probleme sei der "ärztliche Nachwuchs" schlicht unterrepräsentiert.

Schwachstellen in der Evaluation

In Schleswig-Holstein will die Kammer zumindest einen regelmäßigen Austausch hinbekommen. Dass es Qualitätsdefizite in der Weiterbildung gibt, spricht Leffmann offen an. Alle wüssten, dass Evaluationen der Weiterbildung regelhaft Schwachstellen aufgedeckt hätten. "Nun ist die strukturierte Weiterbildung in dieser Form aber auch erst eine Entwicklung der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts", räumt er ein. Man sei gerade zu Anfang froh gewesen, dass erfahrene Ärzte diese Zusatzaufgabe übernommen hätten. Aufgrund der enormen Diversifizierung ärztlicher Tätigkeiten und hohen Ansprüchen in der Versorgung sieht die Kammer das mittlerweile aber differenzierter: "Wir sind mit der bestehenden Weiterbildungssystematik an vielen Stellen nicht sehr zufrieden."

Spätestens seit die jungen Internisten 2015 die Ergebnisse ihrer Umfrage unter 1696 Weiterbildungsassistenten publik gemacht haben, sollte bei allen Ärztekammern angekommen sein, dass es in der Facharztweiterbildung oft nicht rund läuft. Damals gaben 83 Prozent der befragten Assistenzärzte an, nicht zu wissen, wann und in welche Fächer sie rotieren. Gespräche zwischen Weiterbildungsbefugtem und Assistenzarzt waren eher Mangelware.

Um mehr über die Qualität zu erfahren, sei eine Evaluation nach Abschluss der Weiterbildung notwendig, stellt Dr. Anna-Katharina Doepfer klar. Doepfer ist stellvertretende Sprecherin des Jungen Forums O&U – also der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) – und ständige Vertreterin im Bündnis Junge Ärzte. "Nur dann besteht bei den jungen Kollegen keine Angst, eine ehrliche Rückmeldung über die Weiterbildung zu geben", sagt sie.

Private Träger sind Schlusslicht

Neben der Evaluation könnte laut Doepfer und Dr. Kevin Schulte, dem Sprecher des BJÄ und des Jungen Forums im Berufsverband deutscher Internisten (BDI), aber auch ein fest etablierter Assistentensprecher für mehr Qualität sorgen. "Dieser sollte in der Weiterbildungsordnung verankert sein und Bindeglied zwischen den Weiterzubildenden und den Kammern werden", fordert Schulte. "Und es sollte jemand sein, der selbst in der Weiterbildung ist."

Denn eine zweite Umfrage der jungen Ärzte, dieses Mal der Orthopäden und Unfallchirurgen, hat ergeben, dass zwar 70 Prozent der befragten Assistenzärzte (n=316) das Vorhandensein eines Assistentensprechers in der Klinik oder Praxis bejahen, es aber erhebliche Unterschiede je nach Träger gibt (D. Merschin, A.-K. Doepfer, L. Wenzel & M. Mutschler, Der Unfallchirurg, 2016). Am häufigsten ist der Sprecher an den Unikliniken (92 Prozent) etabliert, dem folgen kommunale (73 Prozent) sowie kirchliche Häuser (55,4 Prozent). Das Schlusslicht bilden ausgerechnet die privaten Träger (46,5 Prozent), bei denen der wirtschaftliche Druck auf die Belegschaft häufig am größten ist und gerne auch an die Assistenzärzte weitergegeben wird. Gespräche des Assistentensprechers mit der Leitungsebene finden dabei lediglich bei knapp über 29 Prozent in festgelegten zeitlichen Intervallen statt, bei 42 Prozent sogar nur einmal jährlich.

"Der Assistentensprecher könnte die Informationen aus der Klinik oder Abteilung neutral an die Kammer weitergeben", erklärt Schulte. So stehe bei Qualitätsdefiziten oder auch nur bei Anregungen für Verbesserungen nicht der einzelne Assistenzarzt im Fokus. "So steigt der Druck auf die Chefärzte, sich an die Vorgaben der Kammern zu halten", ergänzt Schulte. Allein das könnte schon zu mehr Qualität führen. Eine Vernetzung der Assistentensprecher bei den Ärztekammern halten Doepfer und Schulte zudem für einen guten Weg, junge Ärzte für eine Mitarbeit in den Kammern zu gewinnen.

Leffmann ist der Idee des Sprechers nicht abgeneigt, festschreiben in der Weiterbildungsordnung will er ihn aber nicht. Die Verantwortung für den Weiterbildungsprozess müsse bilateral beim Weiterzubildenden und Weiterbildungsbefugten bleiben. Er sieht die Reform der Musterweiterbildungsordnung schon auf einem guten Weg – weiß aber auch, wie langwierig die Entscheidungswege sind. Immerhin sei mit der Reform die Etablierung eines elektronischen Logbuchs vorgesehen. In diesem solle nicht nur der Assistent selbst über seinen Weiterbildungsstand Buch führen, auch Weiterbilder könnten die einzelnen Etappen der Weiterbildung und die Rotationen zu anderen Befugten eintragen. Ebenfalls Teil des Logbuchs soll die obligate Dokumentation der Jahresgespräche mit den Assistenzärzten werden, die seit einigen Jahren vorgeschrieben seien aber – im Gegensatz zu den "Personalentwicklungsgesprächen" in fast allen anderen Branchen – noch viel zu wenig genutzt würden. "In Schleswig-Holstein fordern wir das vermehrt ein", sagt Leffmann. Zusätzlich lege die Kammer im Norden gerade mit den Allgemeinmedizinern ein Train-the-Trainer-Konzept auf, das später breit angeboten werden soll. Denn auch bei der Vermittlung von didaktischen Fähigkeiten und echten Hilfestellungen für die Weiterbildungsbefugten sieht die Kammer Nachholbedarf. Bei den Orthopäden und Unfallchirurgen sowie den Internisten gibt es ein solches Mastertrainer-Programm für eine strukturierte Weiterbildung sogar schon (wir berichteten).

Keiner zählt die Umsteiger

Aus dem Logbuch könnte dann – als positives Nebenprodukt – ein Weiterbildungsregister entstehen, über das erfasst wird, wer gerade wo in der Weiterbildung steckt. Leffmann: "Wir würden als Kammer z.B. gerne auch die Aus- und Umsteiger wahrnehmen. Wie viele sind es? Und wo landen sie?" Hier ließen sich wertvolle Informationen über die Attraktivität einzelner Fächer und der Weiterbildungssystematik gewinnen. Bisher gebe es in der Kammer dazu keine Daten. Auch wisse die Kammer derzeit nicht, wie viele Fachärzte sozusagen in der "Pipeline" für die Versorgung sind und welche der rund 1400 Weiterbildungsbefugten in Schleswig-Holstein aktiv als solche tätig sind. "Mit dem Logbuch schaffen wir die dringend notwendige Transparenz, um der Stimme der Ärzteschaft in der Versorgungsplanung und -organisation mehr Gewicht zu verschaffen", ist sich Leffmann sicher.

Für Schulte und Doepfer ist das durchaus ein wichtiger Schritt. Dennoch sei der zusätzliche Austausch durch den Assistentensprecher wichtig. "Vielleicht sollte man erst einmal zwei Pilotkrankenhäuser nehmen, ein großes und ein kleines und testen, wen sie entsenden und wie es läuft", schlägt Schulte vor. Eine Konferenz der Kammer mit Assistentensprechern einmal im Jahr hält Leffmann durchaus für einen gangbaren Weg. Mit der reformierten MWBO ist laut dem ärztlichen Geschäftsführer der LÄK Schleswig-Holstein frühestens 2018 auf dem Ärztetag in Erfurt zu rechnen.

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