Praxisnachfolge

Junge Hausärztin setzt auf das Modell Einzelpraxis

Ist eine Einzelpraxis für junge Nachwuchsärzte noch attraktiv? Ja. Aber: Nicht nur die wirtschaftliche Basis muss stimmig sein, wie ein Beispiel aus Schleswig-Holstein zeigt.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Die hausärztliche Einzelpraxis als Auslaufmodell? Nicht für Dr. Marie-Catherine Frederiksen, die bei Matthias Seusing aus Kiel einsteigt.

Die hausärztliche Einzelpraxis als Auslaufmodell? Nicht für Dr. Marie-Catherine Frederiksen, die bei Matthias Seusing aus Kiel einsteigt.

© Dirk Schnack

KIEL. Teamarbeit und nur kein wirtschaftliches Risiko! – Das sind die Prämissen für viele junge Ärztinnen, wenn sie nach der Weiterbildung ihre weitere Karriere planen. Die Übernahme einer allgemeinmedizinischen Einzelpraxis steht da meist weit hinten in der Liste der Möglichkeiten.

Dr. Marie-Catherine Frederiksen hat genau das getan: Sie ist Nachfolgerin von Matthias Seusing, der bis vor wenigen Wochen Jahrzehnte als Hausarzt im Kieler Stadtteil Elmschenhagen niedergelassen war. Und im Gegensatz zu anderen Praxisübernahmen, bei denen junge Frauen erfahrenen Praxisinhabern nachfolgen, stellt sie auch nicht das komplette Konzept auf den Kopf.

Praxisteam und Sprechzeiten haben sich nicht verändert. Viel wichtiger aber für die Patienten: Frederiksen und Seusing haben die gleiche Einstellung zu ihrer Arbeit. Dazu gehört, dass sie ihre Patienten und deren Lebensbedingungen persönlich kennen.

Dass sie sich Zeit für sie nehmen, damit diese sich nicht wie eine Nummer oder ein "Fall" behandelt fühlen. Und dass sie die Freude an ihrem Beruf auch ausstrahlen, statt beschwerende Rahmenbedingungen in den Vordergrund zu stellen.

Einstellung überzeugte

Die Einstellung Seusings war es denn auch, die Frederiksen überzeugt hat – schon in ihrer Weiterbildungszeit. "Ich habe sofort gemerkt, dass die Patienten sich hier angenommen fühlen", erinnert sie sich an ihre Zeit als Assistentin in Seusings Praxis.

Dazu war es durch Zufall gekommen: Frederiksen war mit ihrem Mann in die Nachbarschaft der Praxis gezogen und kam eines Tages als Patientin zu Seusing. Der Hausarzt fragte wie bei jedem Patienten, was sie beruflich macht. Frederiksen war damals in ihrer Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin und hatte bis dato nur Erfahrungen in Kliniken gesammelt.

Seusing bot ihr an, den ambulanten Abschnitt in seiner Praxis zu absolvieren. Insgesamt ein Jahr war sie in der Praxis, danach folgten weitere Abschnitte in anderen Orten. Nach ihrer Prüfung im Juli 2015 rief Seusing an, um zu gratulieren. Sie erzählte von ihrer aktuellen Tätigkeit in einer deutlich größeren Praxis und Seusing fragte, ob sie sich einen Einstieg bei ihm vorstellen könne – sie konnte.

"Dann haben wir einen Termin gemacht und nach 90 Minuten war alles klar", berichtet Seusing. Die schnelle Einigung war möglich, weil beide die gleichen Vorstellungen hatten. Sie vereinbarten ein Jobsharing und eine einjährige Übergangsphase, in der sie gemeinsam in der Praxis arbeiteten.

Außerdem besuchten sie eine Praxisbörse, in der beiden Seiten wichtige Informationen für die Übergabe vermittelt wurden und vereinbarten einen Termin beim Rechtsanwalt – eine reibungslose Praxisübergabe, obwohl der heute 66-Jährige Seusing vorher nie aktiv gesucht hatte.

"Ich habe mir nie Sorgen um die Nachfolge gemacht", sagt er. Wenn er von Patienten angesprochen wurde, wie lange er denn praktizieren wolle, hatte er stets geantwortet: "Darüber mache ich mir Gedanken, wenn ich 65 bin." Kurz nach seinem 65. Geburtstag begann dann die einjährige Übergangsphase mit Frederiksen.

"Nicht alles schlecht reden!"

Wichtig für beide Seiten ist nach seiner Ansicht Transparenz über die betriebswirtschaftliche Seite der Praxis und eine positive Einstellung. "Man sollte nicht alles schlecht reden und nur die negativen Seiten nach außen kehren."

Frederiksen, die einen dänischen Vater und französische Mutter hat, aber in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, weiß um das wirtschaftliche Risiko, das viele Kollegen ihrer Altersgruppe abschreckt.

Aber die 34-Jährige sagt auch: "Man muss auch mal risikofreudig sein. Ich habe mich beraten lassen, und die Praxis trägt sich." Damit fiel ihre Entscheidung und die Übernahme war vollzogen. Deutlich langsamer auf sich zukommen lassen wird sie die Mitarbeit in den zahlreichen Zusammenschlüssen, in denen Seusing tätig ist.

Im Kollegenkreis des Stadtteils ist sie bereits eingebunden. Seusing ist auch als Kammerabgeordneter, in der Ärztegenossenschaft, in Berufsverbänden, im Praxisnetz und weiteren Funktionen tätig – ob und was davon später einmal für Frederiksen infrage kommt, will sie in Ruhe für sich entscheiden.

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