Auszeichnung

Heike Kielstein ist Professorin des Jahres

Sie ist die erste Frau aus Sachsen-Anhalt, die zur Professorin des Jahres gekürt wurde: Heike Kielstein lehrt und forscht an der MartinLuther-Universität in Halle.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Professor Heike Kielstein erklärt Studentinnen beim Sezieren das Freilegen von Gelenken und Muskeln

Professor Heike Kielstein erklärt Studentinnen beim Sezieren das Freilegen von Gelenken und Muskeln

© Waltraud Grubitzsch/dpa

HALLE. Wenn etwas im Leben von Professor Heike Kielstein fehlt, dann ist es die Zeit zum Schlafen. Vor Mitternacht kommt sie selten zur Ruhe, gegen halb sechs klingelt bereits der Wecker. Trotzdem sind ihr die Tage viel zur kurz: Die Lehre, die Forschung, die Studenten, die vier Kinder im Alter von 12 bis 15 Jahren, der Mann – alles ist ihr wichtig und bekommt seine Zeit. "Eine Frage der Organisation", sagt die Direktorin des Instituts für Anatomie und Zellbiologie, die Studierende zur Wahl als jahresbeste Professorin vorgeschlagen hatten. Heike Kielstein setzte sich gegen rund 2000 Mitbewerberinnen durch. Und das, obwohl gerade die Anatomie zu den meist gefürchteten Fächern im Medizinstudium gehört.

Trockene Theorie, lebendig vermittelt

Heike Kielstein fand das Fach schon immer interessant. Dennoch wollte sie zunächst Chirurgin werden, orientierte sich aber während ihrer Zeit als Assistenzärztin um. "Anatomie passt zu dem, was ich mag: die unmittelbare Nähe von Forschung und Lehre, die Möglichkeit sowohl mikroskopisch als auch makroskopisch zu arbeiten", sagt die Professorin, die nicht nur absoluten Spaß an ihrer Arbeit hat, sondern auch das didaktische Geschick, Theorie lebendig zu vermitteln.

Klinische Aspekte aus der Vorlesung macht sie im möglichst zeitnah folgenden Präparierkurs – auch vorm Sezieren haben nicht wenige der angehenden Ärzte Respekt – an praktischen Beispielen klarer, greifbarer. Die Studenten bezeichnen ihre Professorin als authentisch, enthusiastisch, sie lehre anschaulich, bringe Inhalte nicht trocken rüber. Ihre Vorlesungen sind am besten besucht, die Hörsäle immer voll.

Heike Kielstein wird stets konkret, bezieht ein, lehrt verstehen. Bei der Betrachtung von Organen Verstorbener fragt sie manchmal, ob der Mensch Schmerzen hatte. Die anfängliche Skepsis, überhaupt eine Antwort finden zu können, wandelt sich schnell: Der Krebs ist sichtbar, die Nerven auch. Zusammenhänge werden deutlich. Erkenntnisse reifen. "Das finden Studierende faszinierend und höchst spannend. So macht selbst Anatomie Spaß."

Als Heike Kielstein 2011 dem Ruf der Uni Halle folgte, um ihre Professorenstelle anzutreten, entschloss sich die Familie von Hannover nach Magdeburg zu ziehen: "Mein Mann ist Chefarzt in Braunschweig, ich arbeite in Halle – wir brauchen beide etwa eine Stunde zur Arbeit. Das gab den Ausschlag."

Die Fahrten morgens und abends auf der Autobahn nutzt die 47-Jährige, um Gedanken zu sortieren, Vorhaben zu überdenken, Neues zu planen. "Zu Hause ist dann wirklich erst mal Feierabend. Meinem Mann und die Kinder bestimmen die Abende und Wochenenden. Das war von Anfang an so. Die Familie ist mir das Wichtigste." Die Kielsteins leben eine andere Art von Work-Life-Balance. Nach der Geburt ihrer zwei Söhne war die Fachärztin für Anatomie jeweils nur wenige Wochen zu Hause. Ohne Kinderfrau und Großeltern ein Ding der Unmöglichkeit – und trotzdem auch so ein Spagat.

Doch das Leben der Familie verläuft sehr harmonisch, sagt Heike Kielstein: Querelen gebe es kaum, auch nicht mit und zwischen den vier Jungs, zwei eigene und zwei Stiefsöhne. Ziehen die sich am späteren Abend ihre Zimmer zurück, setzt sich die Anatomieprofessorin oft an ihren Schreibtisch.

Forschung hält sie wach

Die Forschung lässt sie auch zu Hause nicht los. Seit 15 Jahren beschäftigt sich Heike Kielstein mit Killerzellen, die unter anderem Krebszellen erkennen und zerstören können. Das Thema ihrer Forschungsgruppe: Adipositas und Krebs, Funktionen der natürlichen Killerzellen in Abhängigkeit vom Körpergewicht. Neue Erkenntnisse belegen das erhöhte Risiko adipöser Menschen an bestimmten bösartigen Tumoren (15 insgesamt, darunter auch Darm-, Nieren- und Prostatakrebs) sowie Virusinfektionen zu erkranken.

"Wir wissen heute, dass sich Übergewicht negativ auf die Arbeit von Killerzellen auswirkt. Wir wissen aber auch, dass deren Immunfunktion durch Gewichtsabnahme wieder gestärkt werden kann." Das belegte eine jüngste Studie mit insgesamt 40 übergewichtigen Probanden sehr eindrucksvoll. Die Hälfte von ihnen lebte wie bisher, die andere trieb regelmäßig unter Anleitung eines Trainers leichten Sport und bekam die Empfehlung, sich gesund zu ernähren.

Die Ergebnisse nach drei Monaten: Die Teilnehmer der Bewegungsgruppe hatten Gewicht verloren, die Funktion ihrer natürlichen Killerzellen war gestärkt. "Ähnliche Erkenntnisse haben wir bereits aus Rattenversuchen gewonnen. Dennoch hätte das Ergebnis ganz anders aussehen können."

Die Studie sei ein wichtiger Schritt in Richtung anwendungsorientierter Forschung. "Davon sind wir momentan allerdings noch weit entfernt", räumt die Professorin ein. "Forschung braucht einen langen Atem. Es wäre toll, wenn ich die Phase-1-Studie aktiv erleben könnte." Heike Kielstein wird sich deshalb wohl auch künftig nicht ausreichend Schlaf gönnen.

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