Junge Ärzte

"Die 1,0-Abiturienten sind nicht bereit, ein Risiko einzugehen"

Der ärztliche Nachwuchs soll für die Allgemeinmedizin begeistert werden – und für den Gang aufs Land. Rheinland-Pfalz will mit einem erweiterten Masterplan Hindernisse ausräumen und Anreize schaffen.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen will Rheinland-Pfalz junge Ärztinnen und Ärzte Lust auf den Job als Hausarzt machen.

Mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen will Rheinland-Pfalz junge Ärztinnen und Ärzte Lust auf den Job als Hausarzt machen.

© photoCD / stock.adobe.com

MAINZ. Die aktuell noch überwiegend an der Abiturnote festgemachte Zulassung zum Medizinstudium hat nach Ansicht der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz gravierende Folgen auf die Niederlassungsbereitschaft junger Ärzte.

"Die sind von Haus aus sozialisiert mit der Abiturnote 1,0", sagt der KV-Vorsitzende Dr. Peter Heinz, "die sind nicht bereit, ein Risiko einzugehen". Doch genau dieser Risikobereitschaft des Nachwuchses bedürfe es, um die ärztliche Versorgung auch für die Zukunft zu sichern. Vor allem im hausärztlichen Bereich und darüber hinaus im ländlichen Raum.

Dem wollen sowohl der Bund wie auch die Länder mit einer Änderung der Zulassungsbedingungen auf die Sprünge helfen. Im "Masterplan Medizinstudium 2020" hat die Bundesregierung vor einem Jahr beschlossen, die Zulassung zum Studium der Humanmedizin "zeitgemäß weiter zu entwickeln", in dem verstärkt soziale und kommunikative Kompetenzen sowie eine besondere Motivation für das Medizinstudium stärker gewichtet werden sollen.

Nicht zuletzt hat auch das Bundesverfassungsgericht im Dezember dem Gesetzgeber aufgegeben, bis Ende 2019 das Zulassungsverfahren für das Medizinstudium neu zu regeln.

Auch in Rheinland-Pfalz setzt das Sozialministerium auf diesen Masterplan, hat aber darüber hinaus bereits vor zehn Jahren einen eigenes, ebenfalls Masterplan betiteltes Papier in Kooperation mit der KV, der Landesärztekammer, der Universitätsmedizin Mainz und dem Hausärzteverband Rheinland-Pfalz mit dem Ziel der "Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung" aufgesetzt, das jetzt um weitere Maßnahmen aufgepeppt wurde.

Ein ganzes Bündel an Maßnahmen

Landesgesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) glaubt zwar durchaus, die Abiturnote sei ein "guter Prädikator", sage jedoch nichts über die tatsächliche Eignung der Bewerber für den Arztberuf und die spätere Motivation für die Tätigkeit in der ärztlichen Grundversorgung aus.

Die Motivation Hausarzt zu werden soll in Rheinland-Pfalz durch ein ganzes Bündel an Maßnahmen gefördert werden. So hat die KV ein "Förderprogramm Famulatur" aufgelegt, in dessen Zuge die Studenten frühzeitig Anreize für eine hausärztliche Tätigkeit bekommen sollen. Famulanten erhalten dabei bis zu zwei Monate lang eine finanzielle Unterstützung, wenn sie in einer Hausarztpraxis tätig sind.

Am Uniklinikum Mainz wurde zur Stärkung der Fachrichtung Allgemeinmedizin eigens dafür eine Professur und und ein Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie (ZEP) eingerichtet.

Nach Meinung von Ärztevertretern eine ganz wichtige Maßnahme: Die Allgemeinmedizin sei früher das Stiefkind in der universitären Ausbildung gewesen, sagt KV-Vorstand Heinz. Wer sich früher dafür entscheiden wollte, habe dies nicht seinem Chefarzt sagen dürfen, sonst wäre er raus gewesen, erinnert sich Heinz – weil die Facharzt-Chefs nur Fachärzte hätten ausbilden wollen.

"Wie die Spinne im Netz"

Nicht zuletzt durch sein Zentrum sieht Professor Michael Jansky, Leiter des ZEPs, das Stiefkinddasein nun als "von gestern" an: Mittlerweile säße die Allgemeinmedizin wie eine Spinne im Netz der medizinischen Ausbildung, die Fakultät sei inzwischen die drittgrößte in der Mainzer Medizin.

Im Projekt "Mainzer Allgemeinmedizin – Begleitetes Studieren" werden Studenten vom fünften bis zum zehnten Semester ganz praktisch an den Hausarztberuf herangeführt. Ein Schwerpunkt ist hierbei die Einbindung in die Patientenbetreuung: Einmal im Semester gibt es einen "Praxistag", wobei die Studenten die Hausarzttätigkeit an Ort und Stelle erleben sollen.

Der zweite Vorsitzende des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz Dr. Hans-Dieter Grüninger kündigt gezielte praktische Angebote seiner Mitglieder für Studenten an.

Als Beispiel nennt er Ultraschallkurse: An der Uni stünden zehn bis zwölf Studenten um Gerät herum, in einer Hausarztpraxis könne einer allein direkt am Patient ein Gerät bedienen.

Zudem soll Fachärzten aus anderen Gebieten der Quereinstieg in die Allgemeinmedizin erleichtert werden, ergänzt Dr. Jürgen Hoffart, Hauptgeschäftsführer der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz.

Wer schon seinen Facharzt habe, könne sich drei Jahre für die Allgemeinarzt-Ausbildung anrechnen lassen und müsse dann nur noch zwei Jahre draufsetzen. Bisher seien bereits 44 Mediziner auf diesen Weg zum Hausarzt geworden.

"Angst vor Niederlassung nehmen"

Wenn also einiges dafür getan wird, die Lust auf Hausarzt zu fördern, wie bringt man den Nachwuchs dann auch noch in eine Landpraxis?

"Man muss den jungen Kollegen die Angst vor der Niederlassung nehmen", sagt Jansky. Der Trend geht nämlich in eine andere Richtung: Derzeit gebe es 22 Prozent angestellte Ärzte in Rheinland-Pfalz, bis 2022 sehen Schätzungen diesen Anteil schon bei 50 Prozent, berichtet Grüninger.

Dafür stellt die KV ein breites Beratungsangebot zur Verfügung, das in vielen Belangen der Praxisgründung, -übernahme oder -kooperation weiterhilft. Gleichzeitig sollen aber auch die Kommunen mit Ärztemangel aktiv werden können.

So räumt der rheinland-pfälzische Masterplan seit Januar dieses Jahres 97 Verbandsgemeinden oder verbandsfreien Gemeinden die Möglichkeit ein, Fördermittel des Landes zur Verbesserung der hausärztlichen Versorgung in Anspruch zu nehmen.

Zehn Prozent mehr Studienplätze?

Da sich die "einstige Ärzteschwemme inzwischen ins Gegenteil gekehrt hat" (KV-Vorstand Heinz), sind sich Politik wie Ärztevertreter einig, dass außerdem mehr Studienplätze für Medizin geschaffen werden müssen.

Dies steht so ausdrücklich im Entwurf des Koalitionsvertrags der angestrebten Neuauflage der Großen Koalition in Bund, zudem soll dies auch im "Masterplan Medizinstudium 2020" geprüft werden. LAEK-Geschäftsführer Hoffart hat eine konkrete Zahl parat: "Wir brauchen mindestens zehn Prozent mehr Medizinstudienplätze."

Dem steht Bätzing--Lichtenthäler grundsätzlich wohlwollend gegenüber, "möchte aber auch die Sicherheit haben, dass bei einem Plus an Studienplätzen tatsächlich mehr Mediziner im ländlichen Raum landen". Zumindest für den Bereich Hausarzt kann Hoffart der Ministerin Hoffnung machen: 80 Prozent derjenigen, die Allgemeinarzt würden, landeten auch in Praxen.

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