Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Krankgeschrieben – Sachsens Studenten sollen Einblick geben

Immer öfter verlangen sächsische Hochschulen über Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hinaus Einblick in die Gründe für eine Krankschreibung. Ein Skandal, findet die Linksfraktion – und macht das Thema öffentlich.

Sven EichstädtVon Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Arbeitsunfähig: die Gründe müssen dem Arbeitgeber – eigentlich – nicht gemeldet werden.

Arbeitsunfähig: die Gründe müssen dem Arbeitgeber – eigentlich – nicht gemeldet werden.

© stokkete / Fotolia

DRESDEN. Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag äußerst massive Bedenken dazu, dass an sächsischen Hochschulen in vielen Fällen normale Krankschreibungen von Ärzten nicht mehr ausreichen. Die Studenten müssten vielmehr zusätzlich ärztlich beschreiben lassen, welche gesundheitlichen Einschränkungen ihre Leistungsfähigkeit mindern oder gemindert haben, und Krankheitssymptome nennen, wenn sie an Prüfungen aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen wollen.

Die Linken sprechen deshalb von "111.000-fachem Grundrechtsbruch". So viele Studenten gibt es in Sachsen. "Wer als Arbeitnehmer krank wird, muss dem Arbeitgeber lediglich eine Bescheinigung vorlegen, in der die Arbeitsunfähigkeit ärztlich belegt wird", sagt René Jalaß, hochschulpolitischer Sprecher der sächsischen Linken. Medizinische Informationen erhalte nur die Krankenkasse. "Bei Studierenden reicht dies immer häufiger nicht aus, wie ich aus der Studierendenvertretung vernehme", ergänzt Jalaß.

Wer sich weigert, fällt durch

Krankschreibungen würden beim Prüfungsrücktritt zunehmend nicht mehr anerkannt, immer mehr Prüfungsausschüsse verlangten nähere Erläuterungen des Krankheitsbildes. "Potenziell 111.000 Studierende in Sachsen könnten so gezwungen sein, ihrer Hochschule vertrauliche Gesundheitsdaten zu offenbaren", bemängelt der Linken-Politiker. "Wer sich weigert, fliegt durch!"

Prüfungsbehörden verlangten konkreten Einblick in die Gesundheit der Studierenden, also in Informationen, die der ärztlichen Schweigepflicht unterlägen. "Das mag bei einer Erkältung vielleicht harmlos erscheinen", schätzt Jalaß ein. "Bei schlimmeren Krankheitsbildern wie Depressionen oder Burn-out kann und darf es den Studierenden aber erst recht nicht zugemutet werden, dass Mitglieder der Prüfungsausschüsse davon erfahren." Zu ihnen zählten "andere Studierende und Dozenten, die eines Tages Abschlussarbeiten begutachten oder gar Doktorarbeiten begleiten" könnten. "Diese Praxis kollidiert nach meiner Auffassung erheblich mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das der Staatsregierung offenbar ziemlich egal ist", kritisiert Jalaß.

Das bezieht sich darauf, dass Kultusminister Christian Piwarz (CDU) in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Jalaß geantwortet hat, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werde dadurch nicht verletzt. Piwarz schreibt weiter, Ärzte seien "fachfremde Personen bei der Entscheidung über die Annullierung eines Prüfungsversuchs" und übten dabei nur eine "Hilfsfunktion" aus. Maßgebend sei allein die Entscheidung der Prüfungsbehörde.

Laut Piwarz reicht die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes nicht aus, damit ein kranker Student von einer Prüfung zurücktreten kann. "Der Inhalt des Attests muss die Beschreibung der gesundheitlichen Beeinträchtigung sein und ferner die Angabe der sich daraus ergebenden Behinderung in der Prüfung speziell durch die Störung bestimmter körperlicher und geistiger Funktionen", stellt der CDU-Minister klar. Ärzte dürfen sich laut Piwarz gegenüber Prüfungsbehörden auch nicht auf ihre Schweigepflicht berufen, wenn die Behörden bei den Medizinern Informationen über kranke Studenten haben wollen, denen sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für eine Prüfung ausgestellt haben.

Linke droht mit Staatsanwalt

Das sieht Oppositionspolitiker Jalaß komplett anders: "Die Entscheidung darüber, ob gesundheitliche Probleme dem Ablegen einer Prüfung im Wege standen oder stehen, kann nur ein Arzt oder eine Ärztin treffen, wobei die Schweigepflicht ohne Wenn und Aber gelten muss", sagt Jalaß.

Er habe eine neue Anfrage an die sächsische Regierung gerichtet, "um zu erfahren, in welchen Fällen eine derartige Offenbarung von der Schweigepflicht unterliegenden Daten der sächsischen Studierenden stattgefunden" habe. "Wenn sich bestätigt, dass in großem Umfang so verfahren wird oder wenn die Staatsregierung die Antwort verweigern sollte", wolle er die Staatsanwaltschaft einschalten.

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