Krankschreibung vor Prüfung

"Ärzte werden zum Geheimnisverrat angestiftet"

Die ungewöhnliche Rechtspraxis an sächsischen Hochschulen beschäftigt nun auch den Landtag: Studierende, die bei Prüfungen fehlen, kommen allein mit einem Attest nicht aus. Der Grund: Ärzte seien "fachfremde Personen" bei der Beurteilung.

Sven EichstädtVon Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Krank vor der Klausur? Studierende sind aufgefordert, konkrete Gesundheitsbeschwerden anzugeben.

Krank vor der Klausur? Studierende sind aufgefordert, konkrete Gesundheitsbeschwerden anzugeben.

© lightpoet / Fotolia

DRESDEN. Der Streit um Anforderungen an Krankschreibungen von Studenten in Sachsen hat an Schärfe zugenommen. Der Linken-Abgeordnete René Jalaß hat Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Dies hatte er schon Ende Februar angekündigt.

"Aus meiner Sicht werden Studierende genötigt, ihre geschützten Gesundheitsdaten zu offenbaren, um das Nichtbestehen einer Prüfung abzuwenden", sagt der Sprecher der Linksfraktion für Hochschul- und Wissenschaftspolitik im sächsischen Landtag. "Ärzte werden zum Geheimnisverrat angestiftet, entgegen ihrer ärztlichen Schweigepflicht."

Die Entscheidung darüber, ob "gesundheitliche Probleme dem Ablegen einer Prüfung im Wege standen oder stehen", könne "nur ein Arzt oder eine Ärztin treffen", wobei die "Schweigepflicht ohne Wenn und Aber" gelten müsse.

"Ich sehe mich deshalb gezwungen, eine strafrechtliche Überprüfung der bisherigen Praxis einzufordern, und habe Strafanzeige wegen dieser Verdachtsmomente und aller weiteren in Betracht kommenden Straftaten gestellt", ergänzt Jalaß.

AU-Bescheinigung reicht nicht

Hintergrund ist die Praxis an mehreren sächsischen Hochschulen, dass es für Studenten nicht ausreicht, wenn sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes vorlegen, wenn sie wegen Krankheit an einer Prüfung nicht teilnehmen können.

Studenten müssen vielmehr zusätzlich ärztlich beschreiben lassen, welche gesundheitlichen Einschränkungen ihre Leistungsfähigkeit mindern oder gemindert haben, und Krankheitssymptome nennen, wenn sie von Prüfungen aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten wollen.

Ärzte als "fachfremde Personen"

In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hatte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) im Februar geschrieben, Ärzte seien "fachfremde Personen bei der Entscheidung über die Annullierung eines Prüfungsversuchs" und übten dabei nur eine "Hilfsfunktion" aus.

Maßgebend sei allein die Entscheidung der Prüfungsbehörde. Ärzte dürfen sich laut Piwarz gegenüber Prüfungsbehörden auch nicht auf ihre Schweigepflicht berufen, wenn die Behörden bei den Medizinern Informationen über kranke Studenten haben wollen, denen sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für eine Prüfung ausgestellt haben.

Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) verweist nun in einer Antwort auf eine weitere parlamentarische Anfrage nach den gesetzlichen Grundlagen dieser Praxis auf Regelungen in Paragraf 34 des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes. Allerdings sind in den Textpassagen, die Stange anführt, nur Aussagen dazu enthalten, dass Hochschulen Prüfungsordnungen erlassen und etwa Folgen des Rücktritts von Prüfungen bestimmen können.

Aus der Antwort Stanges geht außerdem hervor, dass zumindest an den Universitäten in Leipzig und Dresden sowie an den Musikhochschulen in den beiden Städten und an der Hochschule Mittweida so verfahren wird. Andere sächsische Hochschulen gaben gegenüber Stange an, der Arbeitsaufwand sei zu hoch, um herauszufinden, wie viele Fälle von Prüfungsrücktritten wegen Krankheit es bei ihnen gegeben habe.

"Ausdruck eines Generalverdachts"

"Auch wenn längst nicht alle Fakultäten so verfahren, gibt es offenbar zahlreiche Fälle, in denen die Prüfungsbehörde konkrete Informationen verlangt, die aus meiner Sicht der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen sollten", sagt Jalaß.

Die Möglichkeit, so vorzugehen, sei einerseits "Ausdruck eines Generalverdachts", dass Studierende "durch Gefälligkeitsatteste Prüfungen schieben" wollten – dabei müssten sie die später nachholen und den Lernstoff folglich oft erneut bearbeiten.

Andererseits könnten so "vertrauliche Patienten-Daten bei späteren Gutachtern oder gar Arbeitgebern landen". Jalaß sieht deshalb das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

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