"Anreize setzen"

Westfalen-Lippe fördert erstmals Praxen in der Stadt

Bielefeld – will da wirklich keiner hin? In zwei eher ländlich geprägten Stadtteilen fehlt es an Hausärzten. Die KV lockt Praxisgründer jetzt mit großzügiger Unterstützung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

KÖLN. Um einen drohenden Engpass in der hausärztlichen Versorgung in den Bielefelder Stadtteilen Senne und Sennestadt abzuwenden, hat sich die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen: Sie fördert erstmals die Niederlassung von Hausärzten innerhalb einer Großstadt.

Die Stadt Bielefeld war immer schon ein für Hausärzte geöffneter Bereich, sagt Ansgar von der Osten, Leiter des Geschäftsbereichs Sicherstellungspolitik und -beratung der KVWL. Der Versorgungsgrad habe bei 90 Prozent gelegen, durch die gute Versorgung mit Fachärzten und Krankenhäusern habe es aber keine Schwierigkeiten gegeben.

Senne und Sennestadt liegen im Süden Bielefelds in einer eher ländlich geprägten Region. Dort hätten Praxisschließungen jetzt zu Problemen geführt, berichtet von der Osten. "Die Arztzahl geht zurück, während die Einwohnerzahl tendenziell zunimmt." Da die Stadtteile durch den Teutoburger Wald vom Rest der Stadt getrennt sind, seien Hausärzte im Zentrum für viele Patienten keine Alternative.

KV setzt finanzielle Anreize

Für die KVWL sei es keine Option gewesen, das Zentrum für die Niederlassung zu sperren und die Peripherie zu öffnen, sagt er. Um Hausärzte in die Fläche zu bekommen, setzt die KV stattdessen auf finanzielle Anreize. Wer in Senne oder Sennestadt eine Praxis übernimmt oder einen Kollegen anstellt, kann eine Förderung beantragen.

Wir müssen Anreize setzen, damit Praxen übernommen werden.

Ansgar von der Osten Leiter Sicherstellungspolitik und -beratung der KVWL

Infrage kommt ein Praxisdarlehen bis zu einer Höhe von 50.000 Euro, das nur zu einem geringen Teil zurückgezahlt werden muss. Möglich sind auch Kostenzuschüsse beim Aufbau kooperativer Praxisstrukturen oder Umsatzgarantien bei Neugründung einer Praxis.

Die Mittel stammen aus dem Strukturfonds, über die Vergabe wird jeweils im Einzelfall entschieden. "Es lassen sich auch mehrere Fördermaßnahmen kombinieren", so von der Osten.

Die KVWL werde genau beobachten, welche Wirkung das Förderangebot in Senne und Sennestadt zeigt. "Es kann sein, dass wir es irgendwann auch auf andere Städte übertragen werden."

Förderung nicht nur für Allgemeinmediziner

Die Fördermaßnahmen in Westfalen-Lippe stehen aber nicht nur Hausärzten offen. Die KVWL hat jetzt erstmals auch die fachärztliche Versorgung in einer Region in ihr Förderverzeichnis aufgenommen. Im südlichen Märkischen Kreis wird die Niederlassung von Nervenärzten unterstützt.

Nach der Schließung einer Nervenarzt-Praxis in Plettenberg habe die KVWL reagieren müssen, da der gesamte Bereich immer noch gesperrt ist, sagt von der Osten. "Wir müssen Anreize setzen, damit Praxen übernommen werden."

Bislang habe sich das Mittel der Förderung bewährt. Dabei sei es entscheidend, dass flexibel auf die Verhältnisse vor Ort reagiert wird. "Dogmatismus wäre hier fehl am Platz."

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System