Interview

„Wir müssen diese Tätigkeiten erleben“

Spezialisierung ist nötig, darf aber nicht zum Fetisch werden: Verbindliche Rotationen, aber vor allem eine breite Basisweiterbildung sind Hauptgaranten für eine patientenorientierte interdisziplinäre Versorgung, sagt Cornelius Weiß vom Bündnis Junger Internisten.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Wer gehört werden will, muss auch etwas sagen. Cornelius Weiß fordert junge Mediziner auf, sich stärker berufspolitisch zu engagieren. Michaela Illian

Wer gehört werden will, muss auch etwas sagen. Cornelius Weiß fordert junge Mediziner auf, sich stärker berufspolitisch zu engagieren. Michaela Illian

© Michaela Illian

Ärzte Zeitung: Herr Weiß, das Bündnis Junge Internisten (BJI), in dem immerhin elf Berufs- und Fachverbände organisiert sind, macht sich für eine breite Basisweiterbildung der internistischen Fächer stark. Warum ist diese so wichtig?

Cornelius Weiß: Die moderne Medizin braucht eine Spezialisierung, keine Frage. Wir haben aber gerade in den internistischen Fächern mittlerweile schon eine Subspezialisierung der Subspezialisierungen. So gibt es in der Kardiologie den invasiven Kardiologen, den Rhythmologen, den Herzklappenspezialisten und so weiter.

Damit die interdisziplinäre Versorgung funktioniert, müssen wir alle auf gleicher Ebene miteinander sprechen können. Genau hierfür ist die breite Basisweiterbildung wichtig. Letztlich profitiert auch der Patient davon, wenn wir alle wissen, wo unsere Kompetenz aufhört und die des nächsten Spezialisten anfängt.

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Veröffentlicht: 28.11.2018 © Springer Medizin

Damit wir uns nicht missverstehen: Wir haben sehr gut ausgebildete Mediziner und der Austausch untereinander funktioniert sehr gut. Wir junge Internisten wollen aber, dass es auch so bleibt. Wenn einzelne Akteure dafür sind, dass man sich noch früher spezialisiert, sehe ich einfach die Gefahr, dass wir die gute breite Innere Medizin, die wir momentan in Deutschland haben, verlieren.

Ist das so in den Verbänden und Fachgesellschaften, dass man versucht, mehr Gräben zwischen den Spezialisten aufzureißen?

Weiß: Rein monetär betrachtet, lässt sich der Arzt, der sich frühzeitig spezialisiert, in der Klinik natürlich schneller gewinnbringend und für die Dinge einsetzen, die der Refinanzierung der Klinik dienlich sind. Aktuell gibt es keine großen Bestrebungen, zumindest nicht von den Gesellschaften oder Verbänden, hier die Weiterbildung anzupassen.

Aber es gab immer mal wieder Bestrebungen, dieser „Versuchung“, relativ schnell, relativ junge Spezialisten auf Kosten einer breiten Basisweiterbildung in die Versorgung zu bringen, nachzugeben.

Spüren Sie denn auch als Arzt in Weiterbildung den ökonomischen Druck, über den viele vor allem ältere Kollegen klagen?

Weiß: Ja. Die Frage, die leider jeden Patienten begleitet, ist: Wie lange ist er schon in der Klinik? Wir leben in einem Grundkonflikt, bei dem wir uns ständig selbst fragen müssen: Ist das eigentlich noch die Medizin, die wir machen wollen? Mit der wir angetreten sind, als wir uns dazu entschieden haben, Medizin zu studieren?

Zum aktuellen Zeitpunkt ist es noch nicht so, dass die Patienten darunter leiden. Das tun sie aber deshalb nicht, weil zumindest die Ärzte, die ich kenne, ihrem Berufsethos folgen und noch die Extrameile gehen, um das zu kompensieren, was einem der wirtschaftliche Aspekt an Zeit wegnimmt.

Dennoch: Wenn Sie jetzt eine breitere Basisweiterbildung fordern, widerspricht das nicht auch ein wenig dem Wunsch junger Ärzte nach kürzeren Weiterbildungszeiten?

Weiß: Das ist in der Tat ein Dilemma. Aber Grundvoraussetzung, um ein guter Internist – in egal welchem Fach – zu werden, ist nun einmal, dass man eine gute Grundausbildung hat.

Bemerkenswert ist, dass die jungen Internisten hier an einem Strang ziehen. Haben Sie das Gefühl, dass Sie eine gemeinsame Lobby brauchen, um die Interessen junger Ärzte stärker durchzusetzen?

Weiß: Ja. Wobei man sagen muss, vieles ist im Wandel. Es ist nicht so, dass man überall auf Widerstand stößt. Ganz im Gegenteil: Wenn man sich engagiert, dann rennt man bereits an vielen Stellen offene Türen ein. Aber wenn man will, dass man gehört wird, muss man eben auch etwas sagen. Der Arbeitsalltag junger Mediziner ist so dicht, dass wenig Zeit bleibt für Berufspolitik. Das macht es umso wichtiger, dass man sich zusammenschließt.

Also bräuchte man noch mehr junge Ärzte, die sich engagieren?

Weiß: Auf jeden Fall.

Ein weiterer Punkt auf Ihrer Forderungsliste ist die verbindliche Rotation in den internistischen Funktionsbereichen. Was wünschen Sie sich hier von Kliniken und Kammern?

Weiß: Kernproblem dieser Rotationen ist, dass sie uns helfen sollen, sowohl inhaltlich wie auch handwerklich gute Ärzte zu werden. Man kann nicht ein Buch aufschlagen und einfach mal schauen, wie eine Sonografie funktioniert. Wir müssen diese Tätigkeiten erleben, spüren und dann tausend Mal gemacht haben, um wirklich gut zu sein.

ch glaube nicht, dass die Kliniken den Schwerpunkt hier so legen, wie er sein müsste. In den Häusern steht oft etwas anderes im Fokus, nämlich, „die Station muss laufen“. Der erste, der darunter leidet, ist der Assistent in der Funktion. Wir fordern, dass man hier in den Häusern eine andere Gewichtung vornimmt: Die Assistenten müssen in den Funktionsabteilungen bleiben können. Darauf muss es ein Anrecht geben, das man auch durchsetzen kann. Dafür sind die Kammern da.

Wie genau könnten die Kammern hier eingreifen?

Weiß: Man könnte zum Beispiel sehr kurz greifende Rückmeldemechanismen einführen. Ich stelle mir das so vor: Wenn ich für eine Woche im Funktionsbereich Sonografie eingeteilt werde und am zweiten Tag werde ich wieder rausgezogen, dann ist mein Weiterbilder verpflichtet, mir einen Ersatz zu beschaffen.

Innerhalb einer Woche muss er mir zumindest sagen, wann der Ersatztermin stattfindet. Wird das in den Kliniken nicht realisiert, sollte das unkompliziert und zeitnah – es dürfen keine vier, fünf Monate vergehen, wie das aktuell der Fall ist – an die Kammer gemeldet werden.

Und die muss sich kümmern. Dieser Mechanismus muss selbstverständlich werden, damit die handwerkliche Weiterbildung genauso wichtig wird wie die laufende Station.

Cornelius Weiß

  • Berufspolitisches Engagement: Weiß ist Vertreter des Bündnisses Junger Internisten und stellv. Sprecher des Jungen Forums im Berufsverband Deutscher Internisten (BDI). Seit 2018 ist er außerdem Delegierter der Landesärztekammer Hessen.
  • Aktuelle Position: Der 32-Jährige ist Weiterbildungsassistent im 4. Jahr am Städtischen Klinikum Darmstadt.
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