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Von Mitochondrien und Vulkanen

Nach dem Medizinstudium direkt ins Arztleben? Das wollte unsere Bloggerin Andia Mirbagheri nicht. Sie verbrachte einige Wochen mit dem Austauschprogramm der Bundesvertretung deutscher Medizinstudierender (bvmd) in einem Zelllabor in Ecuador.

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Andia Mirbagheri, Medizinstudentin und Bloggerin der Ärzte Zeitung im biomolekularen Labor der Universidad San Francisco de Quito in Ecuador

Andia Mirbagheri, Medizinstudentin und Bloggerin der Ärzte Zeitung im biomolekularen Labor der Universidad San Francisco de Quito in Ecuador

© Mirbagheri

Gerne wird Medizinstudierenden fehlendes Forschungsinteresse und eine statistische Blindheit vorgeworfen. Ganz zu Recht, da wir trotz der Implementierung von wissenschaftlichen Modulen Forschung von Haus aus nebenbei betreiben und der Jungforscher im Endeffekt realisieren muss, dass leider die Gesellschaft mehr Wert auf den Impact Factor des Journals als auf die Qualität der Wissenschaft legt.

Die Mehrheit forschungsaffiner Mediziner verschlägt es in die USA; gibt es dort doch die innovativste Technik und die besten Mittel weltweit. Was einem niemand offenlegt, sind die immens hohen Kosten, die mit solch einem Unternehmen verbunden sind. Bevor ich also neben meinem BAföG einen Studienkredit dafür aufnehmen würde, entschloss ich mich, mich erst einmal nach Alternativen umzusehen.

Durch das Austauschprogramm der Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd) stieß ich auf das biomolekulare Labor von Professor Caicedo an der Universidad San Francisco de Quito in Ecuador. Der Forscher beschäftigt sich seit einem knappen Jahrzehnt nur noch mit Mitochondrien, den Energiepaketen unseres Körpers.

Dabei verbrachte er einen Großteil seiner Forschungszeit an der Université de Montpellier, einer sehr renommierten Einrichtung für Biologie in ganz Europa. Er hatte auch eine seiner Publikationen zum Thema Mitochondrientransfer hinterlegt, die mich sofort faszinierte.

Fern vom Hightech-Labor

Im biomolekularen Labor der Universidad San Francisco de Quito beschäftigten wir uns hauptsächlich mit Makrophagen, Mitochondrien und Leishmanien. Tatsächlich entwickelten wir unser Projekt aus der Notlage heraus, dass die eigentliche Laborbestellung noch auf dem Weg über den Ozean war und nicht durch den Zoll konnte.

Es war erstaunlich zu erfahren, dass viele Forschungsunternehmen nicht nur durch die begrenzten finanziellen Mittel scheitern, sondern dass vieles auch schlichtweg verboten ist.

Ich würde mich über das Gesicht jedes Forschers meiner Heimatfakultät amüsieren, wenn ich ihm erklären würde, dass es meinem Projektleiter in Ecuador verboten wurde, mit Antikörpern zu arbeiten, obwohl er dies jahrelang in Europa gemacht hatte und die notwendige Expertise besaß. Weder ELISAs noch Western Blots sind somit möglich, beides alltägliche Tätigkeiten hiesiger Doktoranden und Wissenschaftler.

Daheim in Berlin hatte ich bereits Erfahrungen in einem Grundlagenlabor mit der Handhabung eines konfokalen Laserscanmikroskops gesammelt. In Quito besaßen wir nicht einmal solch eine – teure – Einrichtung. Selbst unser Fluoreszenzmikroskop war nur eine Leihgabe, weswegen wir eine Deadline zur Fertigstellung der Experimente im Nacken sitzen hatten.

Die Disziplin unseres Labors war beeindruckend und ansteckend! Ich habe täglich ein Labortagebuch geführt und hielt alle unsere Experimente fest, um Themen zu recherchieren, nach alternativen Methoden zu suchen und nebenbei mein Spanisch zu verbessern.

Gipfelglück auf dem Cotopaxi

Andia Mirbagheri

Von Mitochondrien und Vulkanen

© Andia Mirbagheri

Wir waren wirklich oft sehr lange im Labor und so sah ich die ersten Wochen auch tatsächlich nichts von Ecuador selbst. An einem Wochenende wurde ich von ecuadorianischen Studierenden eingeladen, mit ihnen den zweithöchsten aktiven Vulkan der Erde, Cotopaxi zu besteigen.

Ich war überrascht von mir selbst und auch ein wenig stolz, dass mir die dünne Luft auf den 5000 Metern so gar nichts ausmachte. Ganz zum Gipfel konnten wir leider nicht, das ist nur mit professioneller Kletterausrüstung mit Eispickeln & Co möglich. Dennoch war es natürlich ein unschlagbares Erlebnis!

Trotz aller positiven Erlebnisse und Gastfreundschaft der Ecuadorianer holt einen schnell die wirtschaftliche Lage des Landes in die Realität zurück. Ecuador ist das viertärmste Land Südamerikas. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt bei 100,9 Mrd. US-Dollar verglichen mit Deutschlands 3.852,3 Mrd. US-Dollar verschwindend wenig.

Die Armut bestätigt sich durch Quitos Straßenbild, selbst Kinder werden in die tägliche Arbeit ihrer Eltern miteingebunden. Bedingt durch die aktuelle politische Lage begegnet man vor allem vielen Menschen aus Venezuela auf der Straße, die versuchen, Blumen oder Süßigkeiten zu verkaufen.

Medizinstudium ist ein Luxusgut

In Ecuador Medizin zu studieren ist ein kompletter Luxus, den sich nur die absolute Elite des Landes leisten kann. Der Campus der Universidad San Francisco de Quito war auch mit einer der pompösesten, die ich jemals gesehen habe. Durch die hohen Studiengebühren konnte sich der Campus neben seiner schönen Bibliothek mit Kronleuchter und Café sogar einen eigenen See und Meditationsraum leisten.

Ich kann nur jedem raten, sich für einen Forschungsaustausch zu bewerben. Die bvmd ist da prima organisiert und ermöglicht es durch die Übernahme der Kosten, dass wirklich jeder das machen kann – auch ohne finanziellen Ressourcen.

Fachlich konnte ich von meiner Zeit in Quito sehr profitieren. So hielten wir regelmäßige Labmeetings, in denen wir uns über aktuelle Forschungsergebnisse austauschten, Journal-Artikel vorstellten und bereits Entwürfe unserer angestrebten Publikation präsentierten.

Mein Team war sehr nett und ehrgeizig; ein Wunder, was passiert, wenn man Menschen unterschiedlicher Kulturen und wissenschaftlichen Hintergrundes zusammenwürfelt.

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