HINTERGRUND

Eine gute Klinik definieren Patienten auch übers gute Essen

Von Tim Braun Veröffentlicht:

Rund ein Drittel aller Patienten sind mit dem Essen im Krankenhaus nicht zufrieden. Daran ist nicht nur die finanzielle Ausstattung der Häuser schuld. Manchen Verwaltungschefs fehlt das Verständnis für Service und Qualität im nicht-medizinischen Bereich.

Die Höhepunkte im Krankenhausalltag eines Patienten sind die Mahlzeiten sowie der Besuch von Freunden und Verwandten. Deren zweite Frage lautet meistens: "Und wie ist das Essen?" Die Antwort darauf gaben vor kurzem in einer repräsentativen Allensbach-Umfrage 1900 Patienten: Ein Drittel der Befragten war überhaupt nicht zufrieden.

Sauberkeit und Essen kann jeder beurteilen

Das Ergebnis ist heikel, denn die Patienten bewerten mit dem Essen nicht nur die Küche, sondern gleich auch das ganze Krankenhaus. Mit dem Geschmack des Essens und seiner Anrichtung auf dem Teller entscheidet sich, ob die Patienten die Klinik gut oder schlecht finden. "Die Qualität der medizinischen Versorgung können nur wenige beurteilen", sagt Reinhard Schulz, Unternehmensberater und Partner bei der Unternehmensberatung SMR. Die Qualität von Sauberkeit und Essen hingegen alle.

Viele Kranke sind mit der Verpflegung gar nicht zufrieden.

Vor allem dem Kostendruck wird die Schuld an der oftmals wenig erfreulichen Situation auf den Tabletts vieler Häuser gegeben. "Die Länder zahlen nur noch das Notwendige", sagt Armin Engel, Geschäftsführer des Helios-Klinikums Emil von Behring in Berlin. Eine eigene Klinik- Küche werde gar nicht mehr gefördert. In den letzten fünf bis zehn Jahren haben deswegen viele Häuser ihre Küchen geschlossen und die Essensversorgung Catering-Unternehmen übertragen. Diese Branche wuchs vor allem in den 90er Jahren sehr stark und erwirtschaftete 2007 einen Nettoumsatz von rund 700 Millionen Euro.

Der Trend zum Outsourcing hat sich umgekehrt

Teilweise habe die Auslagerung aber zu absurden Situationen in Bezug auf die Essensqualität geführt, sagt Schulz. Weswegen in letzter Zeit wieder der Trend zum "Insourcing" zu beobachten sei: Krankenhäuser gründen selbst so genannte Service- oder Dienstleistungsgesellschaften. Entweder in Eigenregie oder gemeinsam mit Catering-Unternehmen werden von einer Küche aus mehrere Häuser beliefert.

Einige dieser Service-Gesellschaften gehen noch einen Schritt weiter und bieten ihre Dienste auf dem freien Markt an. Die Sana-Catering-Service GmbH beispielsweise unterhält in Schleswig-Holstein eine "Cook and Chill"-Küche, die neun Kliniken mit Essen versorgt. "Nur fünf davon gehören zur Muttergesellschaft Sana Kliniken AG", so Thorsten Reichle, Geschäftsführer des Tochterunternehmens.

Nicht-medizinischer Bereich wird oft vernachlässigt

Servicegesellschaften werden von einigen Experten als das Zukunftsmodell schlechthin betrachtet. Aktuell gibt es an rund fünfzehn Prozent der Krankenhäuser derartige Modelle, so Marcus Seidl, Geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens S&F Consulting. Ebenfalls zehn Prozent ließen sich vollständig extern beliefern. Ein ähnlich großer Anteil von Kliniken unterhalte Küchen, die über einen Management-Vertrag mit externen Unternehmen verbunden sind. Den größten Anteil allerdings - rund 65 Prozent - bilden immer noch die Küchen in Eigenregie der Krankenhäuser.

Der Kostendruck ist aber nicht der einzige Faktor, der über die Qualität der Verpflegung im Krankenhaus entscheidet - sonst gäbe es selbst im Akutklinik-Bereich, vom kleinen kommunalen Krankenhaus bis zum Uni-Klinikum, nicht diese gravierenden Unterschiede, sagt Schulz. Vielmehr hänge es davon ab, wie stark sich Management und Verwaltung als Dienstleister über den rein medizinischen Rahmen hinaus verstehen. Die Bedeutung von Service und Qualität sei jedenfalls immer noch vielen Geschäftsführern nicht bewusst. Deswegen sei auch häufig wenig Bereitschaft vorhanden, neue Wege zu beschreiten. Beispielsweise mit Patienten-Restaurants, wie es sie in Großbritannien gibt. Natürlich werde dort die "Vollpension" von den Patienten privat bezahlt.

Aber auch in Deutschland ist man von einer Gleichbehandlung in puncto Essen schon weit entfernt. Die Menü-Vorschläge für Privatpatienten bekommen gesetzlich versicherte Kranke nicht einmal zu sehen. Das Bestellformular à la carte des Catering-Unternehmens Sander Gourmet beispielsweise liest sich so: "Boeuf à la mode, dazu Gerstenknödelscheiben und Frühlingsmöhrchen".

Neben Hotels und Gaststätten beliefert das Unternehmen auch Krankenhäuser, und dort zum größten Teil Privatpatienten. Seit einigen Monaten beliefert das Unternehmen aus seiner Zentralküche in Baden-Württemberg auch zwei Stationen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf mit Essen. Nach Unternehmensangaben soll der Vertrag ausgeweitet werden. Vielleicht profitieren davon in etwas abgespeckter Form auch Kassenpatienten.

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Neues Allergiezentrum am UKSH in Kiel

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Hämatologe gibt Tipps

Krebspatienten impfen: Das gilt es zu beachten

Lesetipps
Eine pulmonale Beteiligung bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) kann sich mit Stridor, Husten, Dyspnoe und Auswurf manifestieren. Sie zeigt in der Lungenfunktionsprüfung meist ein obstruktives Muster.

© Sebastian Kaulitzki / stock.adobe.com

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Wenn der entzündete Darm auf die Lunge geht

Klinisch ist die Herausforderung bei der IgA-Nephropathie ihr variabler Verlauf. In den meisten Fällen macht sie keine großen Probleme. Bei einem Teil der Patienten verläuft sie chronisch aktiv, und einige wenige erleiden katastrophale Verläufe, die anderen, schweren Glomerulonephritiden nicht nachstehen.

© reineg / stock.adobe.com

Glomerulonephitiden

IgA-Nephropathie: Das Ziel ist die Null