Private denken über Stadtgrenzen hinaus

PFORZHEIM (ava). Die Verluste des städtischen Klinikums Pforzheim stiegen vor einigen Jahren in einem erschreckenden Maße an. Das Stadtparlament beschloss deshalb 2004, das Krankenhaus an den privaten Klinikbetreiber Rhön-Kliniken zu verkaufen. Seitdem schreibt das Haus schwarze Zahlen.

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Klinikum Pforzheim: 50 Millionen Euro will der Rhön-Konzern in den kommenden Jahren in den Umbau investieren. Die Stadt hätte eine solche Summe nie aufbringen können.

Klinikum Pforzheim: 50 Millionen Euro will der Rhön-Konzern in den kommenden Jahren in den Umbau investieren. Die Stadt hätte eine solche Summe nie aufbringen können.

© Foto: Rhön-Kliniken

Im Jahr 2002 schob die Stadt Pforzheim ein Defizit von 20 Millionen Euro vor sich her. Einer der größten Minusträger war das städtische Krankenhaus mit seinen 520 Betten. Etwa drei Millionen Euro musste die Stadt in den Jahren 2002 und 2003 zuschießen, im Jahr 2004 betrug das Defizit der Klinik sogar 5,5 Millionen Euro.

"Wir müssen Aufträge nicht öffentlich ausschreiben. So können wir schneller agieren." Gerald Meder Stellv. Vorstandsvorsitzender Rhön-Klinikum AG

Trotz der Millionenzuschüsse klagte der Klinikdirektor, in diesen Strukturen könne er nicht arbeiten, die Klinik sei ein "Adler mit gebundenen Flügeln". Versuche, Kooperationen mit anderen Krankenhäusern einzugehen, schlugen fehl. Deshalb beschloss das Stadtparlament mit großer Mehrheit den Verkauf von 94,9 Prozent der Klinikanteile an den privaten Rhön-Konzern. 5,1 Prozent der Klinik blieben bei der Stadt, die sich in einigen Punkten eine Sperrminorität einräumen ließ.

"Wir haben uns nicht aus der Verantwortung gestohlen", verteidigt die Pforzheimer Stadtkämmerin Susanne Weishaar die Entscheidung. Die Klinik schreibe heute schwarze Zahlen. In dem Kaufvertrag hatte sich die Rhön-Klinik, die deutschlandweit 47 Kliniken betreibt, verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren 23 Millionen Euro zu investieren. Nach ausführlicher Analyse will der Konzern nun sogar 50 Millionen Euro investieren. "Diese Summe hätte die Stadt Pforzheim nie aufbringen können", gesteht Kämmerin Weishaar, die sich anerkennend über die Rhön-Kliniken äußert. Anders als die Kommune Pforzheim denken die neuen Besitzer weit über die Stadtgrenzen hinaus, so Weishaar.

Die Entwicklung in Pforzheim ist typisch für das Vorgehen des Klinikkonzerns. Direkt nach der Übernahme wurde eine Projektgruppe aus Geschäftsführern, Chefärzten, Vertretern des Personals und Spezialisten des Konzerns eingesetzt. So schnell wie möglich analysierte die Gruppe die Schwachstellen des Krankenhauses. Anschließend, so erklärt Gerald Meder, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Rhön-Konzerns, hat die "Mutter" Rhön-Konzern, die "Tochter" Pforzheimer Klinikum mit einem großen Startkapital ausgestattet. Damit werden die Gebäude, die Medizintechnik und die EDV möglichst schnell erneuert. Sobald die Tochter Gewinne erwirtschaftet, gibt sie das Kapital an die Mutter zurück.

"Wir Privaten können schneller agieren", so Meder, "wir müssen Aufträge nicht öffentlich ausschreiben und haben dadurch etwa zehn Prozent geringere Kosten." Ein weiteres Einsparpotenzial sieht Konzern-Vize Meder beim Personal. Etwa zehn Prozent werden es seinen Schätzungen zufolge vermutlich auch in Pforzheim werden, allerdings "weniger in medizinischen als in patientenfernen Bereichen."

KLINIKUM PFORZHEIM IN KÜRZE

Betten: 500

Patienten stationär: 22 000

ambulant: 40 000

Verweildauer: 6,55 Tage pro Patient

Mitarbeiter gesamt: 1030

Ärzte: 151

Pflegepersonal: 410

Umsatzentwicklung:

2005: 69 Mio. Euro

2006: 77 Mio. Euro

2007: 74 Mio. Euro

www.klinikum-pforzheim.de

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