Fachärzteklinik als Magnet für Belegärzte

Vor zwei Jahren wagten Niedergelassene in Hamburg einen mutigen Schritt: Sie gründeten eine Fachärzteklinik ganz in der Nähe des Uniklinikums Eppendorf. Jetzt zeigt sich, das Modell funktioniert erstaunlich gut.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

HAMBURG: Die Martinistraße in Hamburg, das Gelände des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE). Im Jahr 2008 wurde es um ein neues Angebot reicher. Als Gesellschafter von zwei Belegkrankenhäusern entschlossen sich Hamburger Niedergelassene zu einem mutigen Schritt: Sie gaben ihre etablierten Standorte auf und bauten gemeinsam die "Facharztklinik Hamburg" auf, und das in direkter Nachbarschaft zum UKE.

Nach dem ersten abgeschlossenen Kalenderjahr am neuen Standort zogen Dr. Torsten Hemker (ärztlicher Geschäftsführer) und Christian Ernst (kaufmännischer Geschäftsführer) ein positives Fazit über ihr Modell, das in dieser Art wohl einmalig in Deutschland ist. Denn vor allem zwei Dinge unterscheiden ihre Facharztklinik von den anderen Belegkliniken in der Republik.

Die Nähe zum UKE ist ein wichtiger Erfolgsfaktor

Einerseits sind ihre Gesellschafter ausschließlich niedergelassene Ärzte. Die Klinik richtet alle Bemühungen darauf aus, ihre Abläufe an die Bedürfnisse von Praxisinhabern anzupassen. Das bedeutet etwa, dass vereinbarte Op-Termine immer eingehalten werden, damit die Niedergelassenen nach dem Eingriff ihre Sprechzeiten in den Praxen nicht verschieben müssen. In der Facharztklinik fällt diese Termintreue nicht schwer, denn hier sind ausschließlich Belegärzte tätig. Außerdem können die Abläufe nicht durch unvorhergesehene Notfälle durcheinandergebracht werden.

Der zweite Baustein für den Erfolg der Facharztklinik ist das angrenzende UKE. Als Anbieter von Hochleistungsmedizin gibt es nicht nur den Operateuren und Patienten Sicherheit für Notfälle, es dient auch als Kooperationspartner. Letztlich profitieren beide Seiten davon. Bestimmte Untersuchungen, die von der Facharztklinik nicht angeboten werden können, übernimmt der Nachbar, der sich über eine bessere Auslastung freut. Weiterbildungsassistenten im UKE bekommen in der Facharztklinik leichtere Eingriffe zu sehen, die zwar in der Universitätsklinik nicht auftauchen, die sie für ihre Weiterbildung aber benötigen. Auch eine Zusammenarbeit in der Ausbildung von Studenten wird schon diskutiert.

Wie sich die Nähe der beiden Kliniken positiv für die Patienten auswirkt, zeigt ein Beispiel aus der Vergangenheit: Einer Patienten sollte in der Facharztklinik ein gynäkologischer Tumor entfernt werden. Während des Eingriffs wurde außerdem ein Darmtumor festgestellt. An anderen Standorten hätte die Patientin ein zweites Mal operiert werden müssen. Die Facharztklinik rief einen Spezialisten aus dem UKE hinzu, der den Eingriff sofort vornahm. Die Frau musste anschließend nur noch für die Nachsorge ins Nachbarhaus verlegt werden.

Der Erfolg zeigt sich auch an Zahlen. Laut Christian Ernst zählte die Facharztklinik im Jahr 2009 insgesamt 7800 Eingriffe, rund sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor. Außerdem stieg der Schweregrad der Eingriffe um zehn Prozent. Der Gesamtumsatz betrug zwölf Millionen Euro, für das laufende Jahr wird ein Zuwachs von einer Million erwartet. Die Zahl von derzeit 120 Vollzeitkräften soll aufgestockt werden.

Zum Wachstum fehlt bislang schlicht der Platz

Diese Zahlen könnten nach Überzeugung der beiden Geschäftsführer allerdings noch besser ausfallen, wenn sie mehr Fläche für ihre Klinik zur Verfügung hätten. Die 90 Betten sind im Frühjahr und Herbst oft ausgelastet. Im Sommer dagegen sind noch Kapazitäten frei.

Weil die Nachfrage saisonal stark schwankt, würden die 56 Gesellschafter gerne auf die Kapazitäten eines Hotels zurückgreifen, das demnächst in der Nachbarschaft gebaut wird. Verbindliche Absprachen mit dem Hotelbetreiber gibt es bislang aber nicht. Denn dessen Standort verspricht auch ohne die Patienten eine hohe Auslastung, und die Zimmer müssen ohne die Klinikgäste nicht für deren besondere Ansprüche ausgerüstet werden.

Auch für die zunächst geplanten Praxen in der Facharztklinik ist wegen des hohen Andrangs derzeit kein Raum vorhanden. Zum Leidwesen der Geschäftsführer, denn zumindest eine Praxis als Anlaufstelle würde den Patienten den Weg in die Klinik schneller ebnen.

Operieren darf in der Facharztklinik übrigens nicht jeder Arzt. Die Gesellschafter haben Fachgruppenbeiräte berufen, die den Leumund der operierenden Ärzte prüfen. Insgesamt nutzen rund 70 Operateure die Facharztklinik, rund 40 davon regelmäßig. Die größte Fachgruppe stellen die Orthopäden und Unfallchirurgen. Ausweiten möchte die Fachklinik in Zukunft das urologische und HNO-Angebot.

www.facharztklinik-hamburg.de

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