Private Klinikkonzerne stehen in den Startlöchern

Private Klinikketten sind heiß darauf, kommunale Häuser zu übernehmen. Doch die Kommunen zögern und pumpen weiter Geld in ihre Kliniken. Der Grund: Die Steuereinnahmen sind noch üppig.

Von Antonia von Alten Veröffentlicht:
Dr. Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden: Die privaten Rhön-Klliniken wollen 49 Prozent des Krankenhauses kaufen.

Dr. Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden: Die privaten Rhön-Klliniken wollen 49 Prozent des Krankenhauses kaufen.

© HSK

NEU-ISENBURG. Drei Übernahmemeldungen in einer Woche: Die Rhön-Kliniken wollen bei den Dr. Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden mit 49 Prozent einsteigen, Sana kauft das Hanse-Klinikum Wismar und hat den Zuschlag für die Kliniken des Landkreises Cham bekommen. Ist das der Beginn einer großen Welle von Privatisierungen auf dem deutschen Klinikmarkt?

Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs des Rheinisch Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) und ein Kenner des deutschen Gesundheitsmarktes, ist skeptisch: Von einem Dominoeffekt, bei dem die ersten fallenden Steine die anderen mitreißen, könne man nicht sprechen.

Die privaten Klinikketten stehen auf jeden Fall in den Startlöchern: Seit Jahren legen sie Geld für Übernahmen zurück, 2009 hatte Rhön eine Kapitalerhöhung um 460 Millionen Euro, 2011 Sana eine um 160 Millionen Euro beschlossen, um zusätzliches Geld für den Ausbau ihrer Klinikketten zu haben. Dennoch gibt es nur einzelne Kaufaktionen.

Der Grund liegt für Augurzky in der überraschend guten Finanzsituation der öffentlichen Hand. Bund, Länder und Gemeinden konnten nämlich im vergangenen Jahr mit einem deutlichen Steuerplus rechnen: Die Steuereinnahmen fallen in den Jahren 2011 bis 2015 voraussichtlich um fast 40 Milliarden Euro höher aus als im Mai 2011 angenommen.

Das ergab die letzte Prognose des Schätzerkreises, die im November 2011 in Berlin bekannt gegeben wurde. Die Folge: Die Kommunen können weiter Geld in "ihre" Kliniken pumpen.

Jedes fünfte kommunale Haus steht vor der Insolvenz

Klinikverkäufe 2011 und 2012

März 2011: Helios übernimmt die Rottweil Kliniken, ein Standort wird geschlossen, zwei werden saniert.

Oktober 2011: Helios übernimmt die Klinikkette Damp mit elf Standorten und mehr als 4000 Betten.

Oktober 2011: Helios übernimmt 51 Prozent des katholischen Klinikums Duisburg, das über 1000 Betten an vier Standorten verfügt.

Noch in Verhandlung:

Sana kauft 75 Prozent der Chamer Kreiskliniken.

Ameos übernimmt die Salzlandkliniken in Sachsen Anhalt.

Rhön geht eine Minderheitsbeteiligung (49 Prozent) an den Dr. Horst-Schmidt Kliniken in Wiesbaden ein.

Das unangenehme Thema Sanierung wird dabei häufig auf die lange Bank geschoben. Für Bürgermeister und Landräte sind Entlassungen, Schließungen von Fachabteilungen oder Zusammenlegungen keine Aktionen, die ihnen bei den Wählern Sympathien einbringen. Augurzky rechnet daher in der aktuell komfortablen Einnahmesituation der Kommunen nicht mit einer Verkaufswelle von Krankenhäusern an private Betreiber.

Er bleibt trotzdem bei seiner Meinung: Nur Spezialisieren, Schließen und Zusammenlegen von Abteilungen und ganzen Kliniken führen dauerhaft aus der desolaten Finanzsituation heraus. Denn die Fakten des letzten Krankenhaus Rating Reports des RWI haben sich nicht geändert: zwölf Prozent der deutschen Krankenhäuser befinden sich im "roten Bereich" mit hoher Insolvenzgefahr, bei den kommunalen Häusern sogar jedes fünfte Haus.

Was den maroden Kliniken fehlt, ist das Geld, das die privaten Betreiber für Investitionen haben: Sie sanieren Gebäude und statten die Häuser mit moderner Medizintechnik aus. Die Sana-Kliniken, mit 1,5 Milliarden Euro Umsatz, wollen beispielsweise in den nächsten vier Jahren sechs Millionen Euro in die drei Kliniken des Landkreises Cham investieren. Die Häuser mit 457 Betten erzielten zuletzt einen Jahresumsatz von zusammen 53,8 Millionen Euro, machten aber insgesamt rund vier Millionen Verlust.

Noch höher sind die Zusagen, die Rhön beispielsweise bei den Verhandlungen um die Dr. Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden gemacht hat: Der Klinikkonzern will den Schuldenberg von knapp 100 Millionen abtragen und einen Neubau in Höhe von rund 200 Millionen Euro zu finanzieren.

Im Bieterrennen um das Wiesbadener Akutkrankenhaus der Maximalversorgung mit 990 Betten und 2753 Mitarbeitern waren am Schluss noch Rhön, Sana und Helios dabei.

Helios hatte 2011 bei den Käufen die Nase vorn

Helios hatte 2011 bei Akquisitionen die Nase vorn: Rottweil, Duisburg und Damp gingen an den Klinikbetreiber, der zum Bad Homburger Gesundheitskonzern Fresenius gehört. In Rottweil versprach Helios, mindestens 25,5 Millionen Euro in die Sanierung der Kreiskrankenhäuser und in neue Medizintechnik zu investieren.

Interessant bei der Übernahme der Kliniken mit ihren 264 Betten (Umsatz 2009: 30,5 Millionen Euro): Schon im Kaufvertrag ist die Schließung eines Standortes festgeschrieben, die zwei anderen sollen ausgebaut werden.

Investitionszusagen machte Helios auch bei der Übernahme von 51 Prozent des katholischen Klinikums Duisburg (vier Standorte, 2200 Mitarbeiter, Jahresumsatz 2010 ca. 134 Millionen Euro): Dort sollen die Abteilungen der Akutklinik künftig zusammengeführt werden. Dafür sollen über fünf Jahre hinweg rund 176 Millionen Euro in zwei Klinikneubauten fließen.

Aus der Reihe fällt nur der Kauf der Damp-Kliniken durch Helios im Oktober 2011. Die schon bisher privat betriebenen Kliniken (sieben Akut- und vier Rehabilitationskliniken mit mehr als 4000 Betten) hatten im Geschäftsjahr 2010 einen Umsatz von 487 Millionen Euro und schrieben im Gegensatz zu den anderen Neuzugängen bei Helios einen Gewinn von 21 Millionen Euro.

Ärzte sehen Übernahmen mit Sorge

Die Emotionen schlagen beim Verkauf kommunaler Kliniken an private Klinikbetreiber meist hohe Wellen. Die Klinikmitarbeiter - Ärzte wie Pflegepersonal - befürchten, dass sich ihre Situation verschlechtert. Tatsache ist, dass Geschäftsführung und ärztliche Leitung in kommunalen Kliniken als gleichwertige Partner nebeneinander stehen.

Die leitenden Ärzte fürchten, dass sich diese Situation mit der Übernahme durch einen bundesweit agierenden Klinikkonzern ändern könnte. Zentrale Vorgaben der Geschäftsführung werden den Einfluss der ärztlichen Leitung schmälern und unangenehme Zielvorgaben machen, so die Sorge.

Schnell entstehen Bürgerbewegungen, die wie in Niederbayern, manchmal überwältigende Kräfte mobilisieren können: Ende 2009 haben sich im Landkreis Rottal-Inn 90 Prozent der Abstimmenden gegen eine Privatisierung und den Verkauf dreier Kreiskliniken an die Rhön-Kliniken ausgesprochen. Auch in Wiesbaden hat ein Aktionsbündnis ein Bürgerbegehren gegen die Teilprivatisierung angekündigt.

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