Vorsicht Praxisgebühr: Honorargefahr für Kliniken

Auch Kliniken kann die KV das Honorar kürzen - für ambulante Behandlungen, wenn das Krankenhaus die Praxisgebühr nicht eingezogen hat. Doch diese Praxis hat Grenzen, wie jetzt das Bundessozialgericht entschieden hat.

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Zehn Euro - auch wirklich einziehen.

Zehn Euro - auch wirklich einziehen.

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KASSEL (mwo). Die KVen dürfen auch bei Krankenhäusern die Honorarzahlungen kürzen, wenn diese für ambulante Behandlungen in großem Umfang keine Praxisgebühr einziehen.

Für Notfallambulanzen müssen sie dabei allerdings berücksichtigen, dass deren Ausfallquote naturgemäß höher ist als in einer normalen Arztpraxis, urteilte der Vertragarztsenat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel in seiner jüngsten Sitzung.

Das Zurückbehaltungsrecht der KVen ist in den Bundesmantelverträgen verankert. Es greift, wenn der Leistungserbringer über zehn Prozent der Praxisgebühren nicht beibringt. Mit Nichtzahlerquoten meist weit unter einem Prozent sind niedergelassene Ärzte daher faktisch nicht betroffen.

Im Streitfall hatte die Notfallambulanz eines Vivantes-Krankenhauses in Berlin innerhalb von vier Quartalen Praxisgebühren in Höhe von knapp 200.000 Euro nicht beigebracht. Die KV kürzte 2005 die Honorare der Ambulanz entsprechend.

Dagegen klagte Vivantes. Die Klinik machte geltend, die Zurückbehaltungsklausel sei ohne Beteiligung der Kliniken zwischen Ärzten und Krankenkassen vereinbart worden. Es handele sich daher um eine unzulässige "Vereinbarung zulasten Dritter".

Das BSG bestätigte jedoch, dass die Zurückbehaltungsklausel grundsätzlich rechtmäßig ist und auch bei ambulanten Klinikleistungen greift. Betroffen seien auch Notfallambulanzen, die von KVen organisiert und von niedergelassenen Ärzten besetzt werden.

Geld sichern ist nicht das oberste Ziel

Inhaltlich argumentierte Vivantes, alle Patienten würden auf die Praxisgebühr hingewiesen. Die Ärzte kämen aber nicht umhin, gegebenenfalls auch ohne Zahlung der zehn Euro zu behandeln. Damit hatte die Klinik überwiegend Erfolg.

Die KV müsse in einer sogenannten Ermessensentscheidung abwägen, ob und in welcher Höhe eine Zurückbehaltung angemessen ist, betonten die Kasseler Richter.

Denn Ziel des Zurückbehaltungsrechts sei nicht die Sicherung des Geldes für die KV im Fall einer Insolvenz der Klinik. Ziel sei vielmehr eine verbesserte Motivation, sich um den Einzug der Praxisgebühr zu bemühen.

Bei den Notfallambulanzen sei allerdings klar, dass "ganz offenbar signifikante Unterschiede" im Vergleich zu niedergelassenen Ärzten bestehen. Die KV müsse daher berücksichtigen, in welchem Umfang ein Zahlungsausfall faktisch unvermeidbar ist.

Dies könne sie nach den Nichtzahlerquoten vergleichbarer anderer Notfallambulanzen schätzen. Im Streitfall muss die KV Berlin Vivantes daher entsprechend neu bescheiden.

Dass die Zurückbehaltung danach wohl deutlich niedriger ausfallen wird, machten die Kasseler Richter in ihrem mit dem Urteil verkündeten Kostenbeschluss deutlich.

Az.: B 6 KA 12/11 R

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