Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg

Auferstanden aus Finanzruinen

Zwischenzeitlich schien nur noch die Privatisierung als letzter Ausweg. Doch 2008 änderte der neue Betriebsleiter der hoch defizitären Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg den Kurs radikal und führte die Kliniken in die schwarzen Zahlen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

GROß-UMSTADT. Chefärzte, die sich in einem Kletterwald in schwindelnde Höhen wagen, eine Klinik, in der man sich eher wie in einem Hotel als in einem Krankenhaus fühlt, und die Teilzeitarbeitsplätze auch für Männer anbietet?

In den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg ist dies nach eigenen Angaben seit geraumer Zeit Alltag.

Zu verdanken sei dies Betriebsleiter Christian Keller (39), der den lokalen Gesundheitsversorger, zu dem die Kreiskliniken Groß-Umstadt und Jugenheim und das Zentrum für Seelische Gesundheit der Kreisklinik Groß-Umstadt gehören, nach vielen defizitären Jahren runderneuert hat. Der Betrieb schreibt wieder schwarze Zahlen.

Mit 450 Betten sind die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg ein mittelgroßes Haus. Gerade diese kommunalen Häuser machen, so die Einschätzung der Kreiskliniken, meist durch Negativ-Schlagzeilen auf sich aufmerksam.

Auch bei den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg sah es zwischenzeitlich düster aus. Als der Volkswirt Keller 2008 seine neue Stelle antrat, standen die Kreiskliniken tief in den Miesen.

"Das Unternehmen war deutlich ins Minus geraten. Die zunehmend schwierigen Bedingungen auf dem Klinikmarkt sowie ein drastischer Fallzahlrückgang in Verbindung mit wachsender Unwirtschaftlichkeit hatten 2007 zu einem Defizit von vier Millionen Euro geführt", resümiert Keller.

Der Landkreis musste sogar eine Privatisierung in Erwägung ziehen. Keller leitete daraufhin, mit Rückendeckung durch den Landrat einen längst überfälligen Kurswechsel ein.

Ideen lassen

Inzwischen stehen die Zeichen nach eigenen Angaben auf Wachstum, und die Kreisklinik Groß-Umstadt hat im stationären Bereich ein außergewöhnlich hohes Fallzahlwachstum vorzuweisen. So sei die Anzahl der Betten von 320 in 2007 auf mittlerweile 440 gestiegen.

2013 sollen es dann sogar rund 470 Betten sein. Der Gesamterlös der Kreiskliniken stieg von 2008 bis 2011 um etwa 40 Prozent. Im Zuge dessen wurden etwa 180 neue Vollzeit-Stellen geschaffen.

Keller hat es nach Klinikangaben geschafft, mit frischen Ideen ein echtes Wir-Gefühl in der Belegschaft aufzubauen und die Klinik zu einer serviceorientierten Einrichtung zu machen.

Keller lässt als Chef Raum für Ideen, er sagt: "Kreativität, Visionen und eine Fehlerkultur müssen in einem erfolgreichen Team zugelassen werden. Wir möchten auch unkonventionelle Modelle erproben, Vernetzung vorantreiben und immer gezielter an unserer Wirtschaftlichkeit arbeiten."

Ein Beleg für diesen neuen Kurs, von dem insbesondere die Patienten profitieren, sei das neue, zentrale Belegungsmanagement. Seit Ende 2011 gibt es in den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg dank zentraler Organisation der Bettenbelegung kaum Wartezeiten oder Zustellbetten.

Top-Note für das Essen

Zudem lägen meist Menschen beisammen, die sich im Gesundungsprozess gegenseitig unterstützen. Selbst das Krankenhausessen, sonst ein häufiger Anlass zu Kritik, wird ob seiner Qualität und Vielfalt gelobt: "Top-Note fürs Essen im Krankenhaus", titelte vor wenigen Monaten die Lokalzeitung "Darmstädter Echo".

Für derlei Belange hat der Klinik-Chef extra eine eigene Hotelmanagerin eingestellt - "Patienten wie Gäste behandeln", lautet deren Credo.

Die Mitarbeiter profitieren nach Klinikaussage von flexiblen Arbeitszeitregelungen, die ihren familiären Bedürfnissen angepasst sind, von einer neu strukturierten Aus- und Weiterbildung sowie Coachings und Trainings.

Ungewöhnlich auch: Mit den Chefärzten ging es zur Verinnerlichung der Führungskultur und zur Steigerung des Wir-Gefühls in den Kletterwald, zum Canyoning oder zum Training mit Pferden.

Diese Prozesse steigerten spürbar die Mitarbeiterzufriedenheit: Die Kreiskliniken gelten mittlerweile unter Ärzten ebenso wie beim Pflegepersonal als Top-Arbeitgeber in der Region.

Weitere Investitionen

Eine hervorragende Versorgung der Patienten - darauf legt Keller Wert - ist aber nur dann gewährleistet, wenn neueste Technologien und Methoden zum Einsatz kommen und stetig neue Leistungsangebote entwickelt werden.

Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg investierten daher nach eigenen Angaben in den vergangenen vier Jahren in verschiedene medizinische Leistungsangebote. Dazu zählen die Neugründung der Kardiologie, der Neurochirurgie, der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie/Gesichtschirurgie, der Pränataldiagnostik und einer Weaning-Einheit (Spezialabteilung zur langsamen Entwöhnung von künstlicher Beatmung).

Im ebenfalls neu gegründeten Zentrum für Seelische Gesundheit (Psychiatrie) werden beispielsweise Burn-out-Erkrankte behandelt.

Auch wenn sich bereits die ersten Erfolge eingestellt hätten, stünden nun weitere große Schritte an. So wollen die Kreiskliniken die Geriatrie für rund 5,2 Millionen Euro erweitern. Auch der Neubau eines Ärztehauses ist geplant.

Gleichsam werden in der Klinik in Jugenheim rund zehn Millionen Euro aus Eigenmitteln in die medizinische Weiterentwicklung investiert. Das größte Zukunfts-Projekt sei jedoch ein Klinik-Neubau in Groß-Umstadt, der mittelfristig realisiert werden solle.

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