Honorarärzte in Kliniken

Leitfaden gegen die Mogelpackung im weißen Kittel

Ein neuer Leitfaden zum Anstellungsprozedere für Honorarärzte soll Kliniken künftig besser vor schwarzen Schafen schützen.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Nicht immer steht drauf, was am Ende drin ist: Das gilt auch bei der Anstellung von Honorarärzten.

Nicht immer steht drauf, was am Ende drin ist: Das gilt auch bei der Anstellung von Honorarärzten.

© sulupress / Fotolia.de

STUTTGART. Um Kliniken und Patienten vor schwarzen Schafen in weißen Kitteln zu schützen, hat die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) ihren Mitgliedern nun Empfehlungen für ein standardisiertes Vorgehen bei der Anstellung von Honorarärzten auf Zeit an die Hand gegeben.

Der Maßnahmenkatalog enthält eine Checkliste für den Verfahrensablauf. Wesentliche Bestandteile der Bewerbungsunterlagen sind ein Standard-Personalbogen mit genauen Angaben zur beruflichen und privaten Vita des Bewerbers und ein Informationsblatt über die Unterlagen, die zwingend vorzulegen sind. Das sind:

- die Approbationsurkunde / Facharztanerkennung im Original

- und eine schriftliche Mustererklärung des Arztes, dass keine berufsrelevanten Verurteilungen, Strafverfahren oder -ermittlungen im In- und Ausland gegen ihn vorliegen.

- Überdies wird von Ärzten in Leitungsfunktionen ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis verlangt.

Klinikhopping vorbeugen

Anlass, das Papier aufzulegen, war der vor einem Jahr publik gewordene Medizinskandal um den niederländischen Neurologen Ernst J., der in Deutschland jahrelang unbehelligt als Honorararzt arbeiten konnte, obwohl in seinem Heimatland bereits Strafverfahren gegen ihn liefen.

Die baden-württembergische Gesundheitsministerin Katrin Altpeter (SPD), auf deren Initiative die Empfehlungen erarbeitet worden sind, zeigte sich "in hohem Maße erfreut" über die BWKG-Vorschläge.

Damit könnten die Risiken deutlich verringert werden, dass Ärzte beschäftigt würden, die keine Approbation besitzen oder gegen die strafrechtliche Vorwürfe im Raum stehen.

Die Bewerber sollen auch angehalten werden, eine Anmeldebescheinigung der zuständigen Bezirksärztekammer vorzulegen. Damit würde der Informationsaustausch der Kammern mit den Approbationsbehörden unterstützt, hofft Altpeter.

Einem Klinikhopping von Bundesland zu Bundesland durch betrügerische oder gar kriminelle Ärzte will man so vorbeugen.

Dies nämlich hat es dem niederländischen Skandalarzt ermöglicht, jahrelang an mehreren deutschen Kliniken zu arbeiten, darunter eineinhalb Jahre am SLK-Klinikum in Heilbronn.

Er steht derzeit wegen des Vorwurfs mehrfacher absichtlicher Falschdiagnosen wie Alzheimer oder MS in den Niederlanden vor Gericht. Das Urteil wird im Februar erwartet.

Kliniken müssten sich auf Erklärungen der Bewerber verlassen

"Schwere Behandlungsfehler" wurden dem Neurologen auch in einem Rechtsstreit am Mainzer Landgericht Ende 2013 attestiert.

Geklagt hatte die Familie einer ehemaligen Patientin, die nach einer Rückenmarkpunktion durch den Arzt am Klinikum Worms - dort war er ebenfalls sechs Monate beschäftigt - eine Querschnittlähmung erlitten hatte.

Die spektakulären Fälle offenbarten Defizite der Kliniken beim Einstellungsverfahren für Honorarärzte. Altpeter hatte unmittelbar reagiert und einen Runden Tisch eingerichtet, um über Verbesserungen zu beraten.

Teilnehmer waren die BWKG, die Landesärztekammer, das Landesgesundheitsamt und das Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie, das für Approbationen zuständig ist. Der BWKG-Leitfaden soll nun mehr Transparenz schaffen und ein einheitliches Einstellungs-Procedere ermöglichen.

Eine 100-prozentige Sicherheit gegen kriminelle Ärzte lasse sich jedoch auch damit nicht gewährleisten, heißt es. Denn die Kliniken müssten sich auf die Erklärungen der Bewerber verlassen. Urkundenfälschungen seien für sie oft nicht erkennbar.

Zentrales Ärzteregister gefordert

Als "großes Manko" wird gesehen, "dass es bislang kein bundesweites zentrales Ärzteregister gibt, bei dem die Gültigkeit der Approbation abgefragt werden kann."

Ministerin Altpeter will sich in Berlin weiterhin für ein solches Register stark machen. Zudem gibt die BWKG zu bedenken, dass der Austausch zwischen den Approbationsbehörden der Länder und den Ärztekammern in Deutschland, aber auch mit ausländischen Behörden, derzeit nicht lückenlos funktioniere.

2013 waren an Kliniken in Baden-Württemberg 456 Honorarärzte beschäftigt, 130 mehr als im Vorjahr. 17.000 Kollegen waren fest angestellt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Nur ein erster Schritt

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