Nach Hygieneskandal

"Wir müssen kompromisslos auf Qualität setzen"

Professor Frederik Wenz hat keinen leichten Job: Er ist neuer Ärztlicher Direktor am Uniklinikum Mannheim. Wie er das Vertrauen zurückgewinnen will, das durch den Hygieneskandal verloren gegangen ist, schildert er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:

Professor Frederik Wenz (48)

Aktuelle berufliche Position: Ärztlicher Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Mannheim sowie Ärztlicher Direktor in der Geschäftsführung.

Werdegang: Medizinstudium an der Universität Heidelberg, Deutsches und amerikanisches Staatsexamen sowie Promotion 1992, Habilitation an der Radiologischen Universitätsklinik Heidelberg 1998; seit 2004 Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitäts-Klinikum Mannheim; seit Juli 2014 dort auch Ärztlicher Direktor in der Geschäftsführung und seit Dezember 2014 Geschäftsführer des Klinikums.

Ärzte Zeitung: Herr Professor Wenz, darf man Sie zu Ihrer neuen Aufgabe als Geschäftsführer der Universitätsmedizin Mannheim beglückwünschen, oder muss man Sie bedauern?

Professor Frederik Wenz: Auch wenn noch mehr Arbeit damit verbunden ist - ich freue mich auf die neue Aufgabe. Ich möchte als einer der beiden Geschäftsführer insbesondere die ärztlich-wissenschaftliche Seite in der Leitung des Hauses angemessen vertreten.

Meine langjährige Erfahrung innerhalb dieses Hauses ergänzt sich dabei sehr gut mit der von extern kommenden Expertise in der kaufmännischen Leitung.

Das externe und interne Vertrauen in das Mannheimer Klinikum und seine Führungsspitze hat durch den Hygieneskandal schwer gelitten. Wie wollen Sie es wieder herstellen?

Wenz: Es gibt eine Redewendung, die lautet: Reputation kommt zu Fuß und verschwindet zu Pferde. Das spiegelt unsere Situation ganz gut wider. Um verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen, müssen wir kompromisslos auf Qualität setzen.

Dies tun wir auch bei unserem Neuanfang in der Sterilgutaufbereitung. Dadurch dauert der Weg zurück zum Normalzustand zwar länger, aber wir möchten ganz auf der sicheren Seite sein.

Zur Klarstellung: Es gab zweifellos regulatorische Probleme, aber "medizinisch" hat sich das nicht niedergeschlagen. Die Zahl der Klagen wegen vermuteter Krankenhausinfektionen sind mit vier bis sechs pro Jahr konstant geblieben.

Es gab ja nicht nur Hygiene-, sondern auch Kommunikationsprobleme. Klagen von Mitarbeitern über Mängel in der hygienischen Aufbereitung der Instrumente wurden in der Führungsspitze wohl lange nicht gehört?

Wenz: So einfach liegen die Dinge nicht. Dokumentierte Klagen bezogen sich etwa überwiegend auf die vielfach als zu langsam empfundene Durchlaufzeit der Instrumente bis zur nächsten Op.

Aber nichtsdestotrotz: In einem so großen Haus wie unserem ist die interne Kommunikation sicherlich noch verbesserungsfähig, beispielsweise im direkten Dialog mit dem jeweiligen Vorgesetzten.

Das gehen wir jetzt an: Wir haben die internen Kommunikationsstrukturen verändert. Wir informieren die Mitarbeiter regelmäßig und häufig, beispielsweise in Betriebs- und Mitarbeiterversammlungen oder in Anschreiben per E-Mail.

War es der extreme Spardruck durch eine einseitig auf Ökonomie ausgerichtete Geschäftspolitik, der die fatalenEntwicklungen im Hygienebereich begünstigt hat?

Wenz: Auch hier liegen die Dinge so einfach nicht. Die frühere Geschäftsführung hat die miserable finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser immer wieder angesprochen. Gleichzeitig müssen die Häuser aber handlungsfähig bleiben.

Der Vorwurf einer zu einseitigen Ausrichtung auf Ökonomie vermittelt ein falsches Bild. Landauf, landab, stehen die Leitungen der Klinika unter einem ungeheuren Druck.

Mannheim hat aufgrund seiner besonderen Struktur als Universitätsklinikum dabei nochmals ganz spezifische Begebenheiten. Aber wir wollen nicht zurückschauen, sondern nach vorne blicken.

Und da sehe ich mich als wissenschaftlich tätiger Arzt gerade in Verbindung mit der Tätigkeit als Ärztlicher Direktor und als Co-Geschäftsführer in einer ganz besonderen Verantwortung.

Wie kann man unter dem derzeitigen Kostendruck schwarze Zahlen schreiben, ohne dass es auf Kosten des Personals und der Patientenversorgung geht?

Wenz: Dafür ist es wichtig, frei verfügbare Mittel einsetzen zu können. In den vergangenen zehn Jahren haben wir mehr als 56 Millionen Euro in Form von Eigenmitteln in moderne Neubauten und damit in eine gute medizinische Versorgung unserer Patienten investiert.

Dem stehen im gleichen Zeitraum Jahresüberschüsse von knapp 65 Millionen Euro gegenüber. Und eine weitere sehr umfassende Sanierungsmaßnahme steht sozusagen vor der Haustür.

Vielleicht noch eine andere Zahl: Die Vollkraftstellen im Ärztlichen Dienst und in der Pflege haben sich zwischen 2005 und 2013 um mehr als zehn Prozent erhöht, ein deutlich überproportionaler Anstieg in Relation zum vermehrten Zuspruch seitens der Patienten.

Durch die Mindereinnahmen in der Folge des Hygieneskandals wird die finanzielle Situation sicher noch prekärer…

Wenz: Die finanziellen Belastungen durch die Reduzierung der Op-Zahlen und jetzt notwendigen Investitionen für die Modernisierung der Sterilgut-Aufbereitung sind derzeit schwer abschätzbar.

Wir gehen von einer Summe zwischen acht und neun Millionen aus. Finanziell ist das Klinikum jedoch so gut aufgestellt, dass sich diese Verluste voraussichtlich weder auf die Personalplanung, noch auf die vorgesehenen baulichen Modernisierungsmaßnahmen auswirken werden.

Die Operationsfrequenz musste seit Anfang Oktober extrem heruntergefahren werden. Konnte sie inzwischen wieder normalisiert werden?

Wenz: Derzeit liegen wir wieder bei über 40 Op pro Tag. Das ist immer noch unter dem Normalbetrieb mit 60 Op, aber wir nehmen dies in Kauf, weil für uns eine Qualitätsoffensive Vorrang hat, verbunden mit einer Re-Organisation des gesamten Aufbereitungsprozesses der Op-Instrumente.

Denn wir arbeiten darauf hin, über eine Sterilgutaufbereitung zu verfügen, die bundesweit beispielhaft ist.

Eine externe Kommission wurde vom Aufsichtsrat des Klinikums hinzugezogen. Was ist ihre Aufgabe ?

Wenz: Auftrag der sechsköpfigen Kommission ist es, die Ursachen für die Beanstandungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe an der Sterilgutaufbereitung zu analysieren, die bereits durchgeführten Maßnahmen zu beurteilen und gegebenenfalls weitere Vorschläge zu unterbreiten.

Darüber hinaus soll das Expertengremium Empfehlungen zur Verbesserung von Kommunikation und Organisation im Klinikum geben. Diese Empfehlungen sollen auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Mitarbeiter und der Klinikleitung beraten werden.

Kritiker machen seit langem die fehlende ärztlich- wissenschaftliche Expertise in der Geschäftsführung und die besondere Situation zweier Träger - die Stadt für die Klinik, das Land für die Universität - für die Probleme am Mannheimer UniKlinikum verantwortlich. Stadt und Land verhandeln seit Monaten über eine neue Führungsstruktur. Wie sollte diese idealerweise aussehen?

Wenz: Stadt und Land beziehen sich in ihren Verhandlungen im Wesentlichen auf die Stellungnahme des Wissenschaftsrates, der Mannheim eine Spitzenposition in der Lehre, eine starke Verbesserung in der Forschung und eine ausgewogene Ökonomie in der Krankenversorgung attestiert hat, der jedoch im Sinne der Zukunftssicherung auch die Weiterentwicklung der Führungsstruktur angeraten hat.

Eine dieser Komponenten ist die Schaffung der Doppelspitze mit Ärztlichem und Kaufmännischem Direktor in der Geschäftsführung.

Weitere Details beispielsweise über die Einbindung des Dekans zur Abstimmung von Struktur- und Entwicklungsplänen werden derzeit abschließend verhandelt.

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