Keine Daten

Einheitliche Dokumentation der Notfallversorgung gesucht

Während reihenweise Konzepte zur Notfallversorgung vorgestellt werden, kritisieren Experten, dass es in vielen Krankenhäusern noch keinen einheitlichen Dokumentationsstandard in diesem Arbeitsbereich gibt.

Anke ThomasVon Anke Thomas Veröffentlicht:
Professor Rainer Röhrig (l.) und Professor Felix Walcher sind für den Aufbau eines nationalen Notaufnahmeregisters.

Professor Rainer Röhrig (l.) und Professor Felix Walcher sind für den Aufbau eines nationalen Notaufnahmeregisters.

© Volkmar Otto

BERLIN. In Deutschland nehmen circa 21 Millionen Patienten pro Jahr eine medizinische Notfallversorgung im Krankenhaus in Anspruch. Einheitliche Daten gibt es bislang jedoch nicht, kritisierte Professor Felix Walcher, Direktor der Universitätsklinik für Unfallchirurgie Magdeburg in einem Interview anlässlich des parlamentarischen Abends "Digitalisierung in der Notfallmedizin".

Walcher: "Wir wissen fast nichts zum Status quo des Behandlungsgeschehens in deutschen Notfallkliniken. Eine einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung oder ein deutschlandweites Benchmarking der klinischen Notfallversorgung ist mangels einer einheitlichen Datenbasis schlicht unmöglich. Alles, was wir wissen, stammt aus stichprobenhaften Datenerhebungen im Rahmen von Umfragen oder Studien."

Erhebliches Optimierungspotenzial

Folgen des unzureichenden Datenaustauschs zwischen Vertragsärzten, Rettungskräften und Kliniken seien sehr wahrscheinlich eine redundante Dokumentation, Fehlentscheidungen durch Informationsverluste und teilweise sogar unnötige Doppeluntersuchungen, so Walcher weiter. In der Notfallmedizin würden die Probleme in der Kommunikation und Abstimmung zwischen den beteiligten Akteuren in der Versorgung deutlich. Hier bestehe erhebliches Optimierungspotenzial.

Walcher arbeitet gemeinsam mit Professor Rainer Röhrig, aus dem Fach Medizinische Informatik an der Fakultät Medizin und Gesundheitswissenschaften der Universität Oldenburg am Aufbau eines nationalen Notaufnahmeregisters zur Verbesserung der Versorgungsforschung in der Akutmedizin – kurz AKTIN. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis Ende Oktober 2019 gefördert.

Um einen einheitlichen Dokumentationsstandard zu schaffen, nutzen 15 Kliniken innerhalb des AKTIN-Projektes für die Dokumentation von Notfällen das Notaufnahmeprotokoll der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), so Professor Röhrig im Interview mit Sophie Haderer, Pressereferentin bei TMF (Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung) .

Mit AKTIN läge eine elektronische Infrastruktur vor, die für die Optimierung des Qualitätsmanagements in den Notaufnahmen genutzt werden könne und eine verbesserte Versorgungsforschung in der Akutmedizin erlaube, erklärte Röhrig. AKTIN konzentriere sich jedoch nur auf die innerklinische Akut- und Notfallmedizin.

Alle Beteiligten einbeziehen

Dringend sei aber ein bundesweit einheitlicher Dokumentationsstandard für die gesamte Versorgungskette des Notfallpatienten erforderlich, forderte Röhrig. Dieser müsse bei der Rettungsleitstelle beginnen und Rettungsdienst, Notarztdienst, niedergelassene Ärzte und vertragsärztlichen Notdienst bis hin zu Notaufnahmen, Herzkatheterlaboren und Intensivstationen in Krankenhäusern mit einbeziehen.

Zu jedem Behandlungsfall müssten die entsprechenden, aufeinander abgestimmten Mindestdokumentationsstandards erhoben und kommuniziert werden. Dies sei erforderlich, um relevante Informationsverluste an den Schnittstellen zu vermeiden und eine übergreifende Auswertung zu ermöglichen.

Die vertragsärztliche, rettungsdienstliche und ambulante sowie stationäre Notfallversorgung müssten sektorenübergreifend in die Qualitätssicherungsmaßnahmen einbezogen werden. Vor diesem Hintergrund sei es notwendig, so Röhrig weiter, eine Infrastruktur zu schaffen, mit der man Daten aller Versorgungspartner inklusive der Rettungsleitstellen in einer nationalen Einrichtung, die noch geschaffen werden müsste, zusammenführen. Denn nur wenn man die gesamte Versorgungskette betrachte, sei eine individuelle Bewertung der einzelnen Versorgungsglieder möglich.

Mit Blick auf das gesamte Gesundheitswesen sollte das Ziel sein, nur noch die international etablierten, offenen Kommunikationsstandards für die ärztliche Dokumentation zu nutzen, sagte Röhrig. Dazu sei es nötig, dass Deutschland Mitglied in der International Health Terminology Standards Development Organisation (IHTSDO) werde.

Röhrig: "Es kann nicht sein, dass alle von Digitalisierung reden, wir aber im Bereich der Basis jeglicher Interoperabilität von unseren Nachbarn Dänemark, Holland, Belgien, Schweiz und Polen abgehängt werden."

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