Klinik-Spezialisierung

Retten Mindestmengen Leben?

11.400 Patienten über 65 Jahre wurden 2016 wegen eines Bauchaortenaneurysmas operiert. Die Überlebenswahrscheinlichkeit hängt auch von der Wahl der Klinik ab, so der Barmer-Krankenhausreport.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
In spezialisierten Zentren laufen alle Fäden zusammen: Das Wissen ist gebündelt.

In spezialisierten Zentren laufen alle Fäden zusammen: Das Wissen ist gebündelt.

© fotogestoeber / stock.adobe.com

BERLIN. Rund 200.000 Menschen in Deutschland leiden an einem Bauchaortenaneurysma (BAA) – mit einem nicht selten tödlichen Risiko für eine Ruptur. Männer ab dem 65. Lebensjahr haben seit Jahresanfang Anspruch auf eine Ultraschall-Screening-Untersuchung, die jeder Hausarzt mit Sonografie durchführen und dann die Indikation für eine Operation stellen kann.

Bei diesen elektiven Operationen sind sowohl die Auswahl des Op-Verfahrens – endovaskulär oder offen-chirurgisch – als auch des Krankenhauses von entscheidender Bedeutung für die weitere Überlebenswahrscheinlichkeit. Dasselbe gilt im Fall einer akuten Ruptur und anschließender Not-Op.

Dies geht aus dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Barmer-Krankenhausreports hervor, der unter Federführung von Professor Boris Augurzky vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen erstellt worden ist. Die Gesamtzahl dieser Eingriffe lag 2016 bei knapp 11.500.

Trend zu endovaskulären Operationen

Der Trend geht dabei eindeutig zu endovaskulären Eingriffen: Bei BAA ohne Ruptur macht ihr Anteil inzwischen 81 Prozent (2006: 35 Prozent) aus, bei BAA mit Ruptur 38 Prozent (2006: sieben Prozent).

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Die adjustierte Mortalität spricht für endovaskuläre Eingriffe: Sie liegt drei Jahre nach der elektiven Op bei 16,4 Prozent beim endovaskulären Verfahren, bei 18,4 Prozent beim offen-chirurgischen Eingriff. Beim BAA mit Ruptur sind die Unterschiede noch größer: 42,9 zu 56,2 Prozent zugunsten des endovaskulären Eingriffs.

Dabei existieren beträchtliche regionale Unterschiede: In Sachsen, Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein wird das endovaskuläre Verfahren zu deutlich über 80 Prozent eingesetzt, im Saarland nur zu 61 Prozent. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 77,4 Prozent.

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Einen Einfluss auf die Mortalität nach dem Eingriff hat auch die Entscheidung des Arztes, ob er in ein Gefäßzentrum oder in eine andere Klinik einweist, und dabei spielt auch die Fallzahl eine Rolle:

  • Beim endovaskulären Eingriff liegt die Mortalitätsrate der Zentren nach drei Jahren bei 16,4 Prozent, bei den anderen Krankenhäusern bei 18,7 Prozent.
  • Beim offen-chirurgischen Eingriff liegt die Mortalität bei den Zentren bei 15,1, die der anderen Krankenhäuser bei 16,7 Prozent.
  • Bei endovaskulären Eingriffen liegt die Mortalitätsrate bei hoher Fallzahl bei 17,1 Prozent, bei geringer Fallzahl bei 18,4 Prozent.
  • Beim offen-chirurgischen Eingriff klaffen die Mortalitätsraten mit 13,1 zu 18 Prozent zugunsten der Kliniken mit hohen Fallzahlen noch weiter auseinander.

AOK-Chef für Mindestmengen bei Bauchaorten-Op

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse forderte Barmer-Vorstandschef Professor Christoph Straub die Einführung von Mindestmengen für Bauchaorten-Operationen von 50 Eingriffen pro Jahr. Derzeit sei eine Klinik, die diesen Eingriff durchführt, für fast 99 Prozent der Bevölkerung in 45 Minuten erreichbar.

Bei einer Mindestmenge von 50 Patienten pro Jahr müsste nur etwa ein Viertel der Bevölkerung mehr als eine Dreiviertelstunde Fahrzeit zur Klinik in Kauf nehmen. Dies sei bei der Schwere des Eingriffs und des beträchtlichen Mortalitätsrisikos akzeptabel.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft widerspricht dieser Schlussfolgerung. Sie hält das Design der Studie und auch die geringen Fallzahlen für ungeeignet, eine ausreichende Risikoadjustierung vorzunehmen.

Noch vor wenigen Jahren habe der GKV-Spitzenverband eine Festlegung von Mindestmengen im Bundesausschuss abgelehnt. Insbesondere auch unter dem Aspekt, dass bei einem akut auftretenden Aneurysma eine lange Anfahrtszeit lebensgefährlich und daher kontraindiziert sei. Die Zahl der Notfälle lag 2016 bei rund 1100.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mehr Transparenz nötig!

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