Europäischer Erfinderpreis

Venedig – 2017 Bühne für die besten Medizinforscher

Innovationen sind das Rückgrat der Medizin. Auch dieses Jahr reüssierten beim Europäischen Erfinderpreis wieder viele Innovatoren mit ihren Lösungen für eine bessere medizinische Versorgung. Preisverleihung war in Venedig.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Jan van den Boogaart und Oliver Hayden sind die diesjährigen Gewinner des Europäischen Erfinderpreises.

Jan van den Boogaart und Oliver Hayden sind die diesjährigen Gewinner des Europäischen Erfinderpreises.

© Tom Maurer / EPA

VENEDIG. Der Erfindungsreichtum in der Medizin ist vielfältig: Fast zwei Drittel der 15 Finalisten für den diesjährigen Europäischen Erfinderpreis des Europäischen Patentamts (EPA) wiesen einen Bezug zur Medizin auf. Drei wurden jüngst in Venedig ausgezeichnet (wir berichteten).

Für die Entwicklung eines Schnell-Scans zur Malariadiagnostik wurde der Hämatologe Jan van den Boogaart zusammen mit dem Biochemiker Oliver Hayden ausgezeichnet. Ihr automatisiertes, computergestütztes Verfahren "durchleuchtet" das Blut und analysiert in Sekundenschnelle 30 Parameter. Fast alle Malaria-Fälle werden durch die hohe Sensitivität von 97 Prozent erkannt, und es gibt nahezu keine falsch positiven Diagnosen. Der "Trick": Statt des Krankheitskeims werden die Schäden in verschiedenen Blutzellen erfasst.

Die Methode ist in der klinischen Testphase. Es sind noch einige Schritte erforderlich, bevor sie potenziell Einzug in der Regelversorgung halten kann. "Das ist schwer zu sagen, wie lang es dauern wird", betonte van den Boogaart in Venedig im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". "Wir hoffen, so schnell wie möglich." Die Analysen laufen auf einem Blutscanner von Siemens Healthineers, von denen weltweit etwa 3000 im Einsatz sind.

Impuls für die Bildgebung

Die Optische Kohärenztomografie (OCT) ist ebenfalls als Gewinner aus dem Bereich der Diagnostik bei dem Wettbewerb hervorgegangen. Entwickelt wurde sie von zwei US-Ingenieuren, James G. Fujimoto und Eric A. Swanson, und dem deutschen Physiker Robert Huber. Ihre Arbeiten am Massachusetts Institute of Technology starteten schon in den 1990ern. OCT ermöglicht eine hochauflösende, dreidimensionale Bildgebung für weiche Körpergewebe und Blutgefäße. Sie basiert auf der Reflexion von Lichtstrahlen durch Gewebe. Damit ist sie sehr schonend und erfordert im Gegensatz zu Alternativen weder eine invasive Sondierung noch eine Biopsie. "Sie erstellt sozusagen eine optische Biopsie", so Fujimoto. In der Augenheilkunde ist OCT längst Standard, mit weltweit 20 bis 30 Millionen Scans im Jahr. Seit einigen Jahren werden auch immer häufiger Herz-Kreislauf-, Haut- und Magen-Darm-Krankheiten diagnostiziert.

Herzchirurg ging leer aus

Finalist Waleed Hassanein war für sein Organ Care System (OCS) nominiert, erhielt aber keinen Preis. Der US-Herzchirurg weiß, welche Verschwendung es ist, dass nur drei von zehn Spenderorganen erfolgreich verwendet werden können. Die anderen sieben sterben ab oder werden abgestoßen. Sein OCS, ein Perfusionssystem, versorgt das Organ mit Blut des Spenders samt Nährstoffen, Sauerstoff und Hormonen und hält es dabei auf Körpertemperatur. Dadurch lebt es wesentlich länger weiter als bei der üblichen Kühlung auf Eis. Bis zu drei mal so viele Organe können erfolgreich verwendet werden. Die Methode ist bereits für Herz, Lunge, Leber und Niere erprobt, 800 Transplantationen wurden bisher durchgeführt.

Ebenfalls von einer Ärztin entdeckt: Ein zentrales Molekül, das synthetisch imitiert werden und Systemischen Lupus Erythematosus (SLE) stoppen kann. Dafür war Immunologin Sylviane Muller nominiert. Die Besonderheit ihres Ansatzes zur Behandlung der Autoimmunkrankheit Lupus: Anders als bei anderen Therapien wird das Immunsystem des Patienten nicht gehemmt. Anfang 2018 soll das daraus entstandene Medikament Lupuzor® (Forigerimod) auf den Markt kommen.

Nephrologe Giuseppe Remuzzi möchte mit seinen Kolleginnen Ariela Benigni und Carlamaria Zoja Dialyse überflüssig machen. Aus ihrer Forschung entstanden Medikamente, die Entzündungen hemmen und Komplikationen vermeiden, und so das Fortschreiten chronischer Nierenkrankheiten verhindern.

Der deutsche Molekularbiologe Axel Ullrich war für sein Lebenswerk nominiert. Er generierte über Jahrzehnte Wissen zu Zellvorgängen bei Krebs und entwickelte daraus Medikamente wie Herceptin® (Trastuzumab) und Sunitinib (Tumortherapie). Zudem erforschte er als einer der Ersten genetische Zusammenhänge bei Krebs, auf deren Grundlage individualisierte Therapien möglich werden.

Vakzin-Pionier für Lebenswerk geehrt

Für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde der Mikrobiologe Rino Rappuoli. Seine Impfstoffe gelten als Standard zur Vorbeugung von Meningitis, Diphtherie, Keuchhusten und Helicobacter. Rappuoli generierte 1999 als erster genom-basierte Impfstoffe, die weltweit hunderte Millionen von Patienten bekamen. "Die Meningokokken-Impfstoffe hatten sicher den größten Einfluss", so Rappuolis Fazit im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Ein Beitrag zur personalisierten Therapie ist die Entwicklung des Molekulargenetikers Hans Clevers: Die "Organoide". Die aus adulten Stammzellen entwickelten Kleinstorgane ermöglichen es, an Patientenzellen die Wirkung von Medikamenten zu prüfen. Das birgt das Potenzial, zugleich passgenauere Therapien und geringere Kosten zu erreichen. Zudem können Organoide die Entwicklung neuer Medikamente besser und effizienter machen und helfen, Tierversuche zu vermeiden.

» Das Europäische Patentamt lobt den Europäischen Erfinderpreis seit 2006 jährlich aus.

» Mit dem Preis werden einzelne Erfinder und Teams von Erfindern ausgezeichnet, die mit ihren Entwicklungen dazu beitragen, technische Antworten auf die wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit zu finden.

» Eine internationale Jury prüft dabei, inwieweit diese Erfinder mit ihrer Arbeit zu gesellschaftlichem Fortschritt, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum Wohlstand in Europa beitragen. (maw)

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