Neues Medizinprodukterecht

Regularien in der Sackgasse?

Die Hersteller schlagen Alarm: Zur Halbzeit der dreijährigen Übergangsfrist, nach der das neue europäische Medizinprodukterecht scharf gestellt wird, ist das regulatorische System aus ihrer Sicht noch immer nicht in der Spur.

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Künstliches Knie: Nur ein Medizinprodukte-Beispiel von vielen.

Künstliches Knie: Nur ein Medizinprodukte-Beispiel von vielen.

© Florian Schuh / dpa Themendienst

FRANKFURT/MAIN. Nachdem kürzlich erst der Branchenverband Spectaris sowie der Industrie und Handelskammertag (DIHK) ihre Sorge über die Kapazitätsprobleme bei den Zulassungseinrichtungen ("Benannte Stellen") zum Ausdruck brachten, legt der Medtechverband ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie) jetzt nach.

Nach jüngsten Veröffentlichungen der EU-Kommission sei abzusehen, dass wichtige regulatorische Vorbereitungen auf die neue Rechtspraxis noch immer nicht stattgefunden hätten. "Die meisten offenen Punkte", moniert der Industrieverband, "sollen erst in Q4 2019/Q1 2020 umgesetzt werden".

Man befürchte, heißt es, "dass sekundäres Recht wie Durchführungsrechtsakte, Leitfäden und Harmonisierte Normen nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen". Diese Dokumente seien für die Industrie "elementar wichtig".

Zur Erläuterung: Im Mai 2017 waren reformierte EU-Anforderungen an die CE-Kennzeichnung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika (Verordnungen 2017/745 sowie 2017/746) erlassen worden. Die Geltung der neuen Medizinprodukte-Verordnung ("Medical Device Regulation", MDR) beginnt nach dreijähriger Übergangsfrist am 26. Mai 2020.

Bis dahin müssen sich unter anderem auch die sogenannten Benannten Stellen, die für die Produktzulassung (Vergabe des CE-Kennzeichens) zuständig sind, neu benennen lassen, um Zertifizierungen entsprechend der neuen Richtlinie vornehmen zu dürfen.

Alles in der Spur?

Kapazitätsprobleme und verspätete Durchführungsverordnungen würden vor allem neue Einführungsprojekte, also ab 2020 erstmals zuzulassende Medizinprodukte, treffen. Denn Bestandsprodukte sind mit altem CE-Zertifikat noch bis 2025 verkehrsfähig.

"Die Verfügbarkeit der Benannten Stellen wird nach wie vor als das größte Problem angesehen", schreibt der ZVEI. Und weist zur Bekräftigung auf einen unlängst vom Team NB, der europäischen Vereinigung der Benannten Stellen für Medizinprodukte, veröffentlichten Bericht hin. Danach wird es "höchstwahrscheinlich" nicht möglich sein, dass alle Hersteller und alle Produkte noch vor Mai 2020 bei beantragten Zertifizierungsverfahren nach neuen Recht zum Zuge kommen.

Der EU-Kommission wirft der ZVEI – wenngleich unausgesprochen – vor, die Lage auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Kommission beschreibe den Stand der Dinge "mit dem Satz ‚Everything is on track‘. Sie stellt es als positiv dar, dass mehr als die Hälfte der ohnehin nur noch wenigen Benannten Stellen einen Antrag zur Benennung unter der MDR gestellt haben". Das heiße jedoch noch lange nicht, so der Verband weiter, dass die Kapazitäten ausreichten.

Da sei es auch kein Trost, dass die Kommission jetzt eine Informationskampagne gestartet habe, mit der sie Stakeholder bei der Umsetzung des neuen Rechts zu unterstützen beabsichtigt. (cw)

Hoffnung ist leider nicht in Sicht, eher das Gegenteil.

Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie

zu den Kapazitäten der für die Zulassung neuer Medizinprodukte zuständigen Benannten Stellen

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