Partikeltherapie

Kieler Anlage bald auf dem Schrott?

3000 Patienten pro Jahr sollten im Partikeltherapiezentrum in Kiel behandelt werden. Nun soll die millionenschwere Anlage angeblich verschrottet werden. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie schlägt Alarm.

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Physik - nicht mehr in Kiel.

Physik - nicht mehr in Kiel.

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KIEL/NEU-ISENBURG (reh). Das Projekt des Nordeuropäischen Radioonkologischen Centrums Kiel (NRoCK) sollte eines von vier Partikeltherapiezentren in Deutschland werden.

Ab Januar sollten in Kiel eigentlich 3000 Patienten pro Jahr von der Therapie profitieren. Die Anlage sei auch bereits weitgehend fertiggestellt gewesen und ein erster Probebetrieb im Oktober 2011 sei erfolgreich verlaufen, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO).

Doch nun solle die Anlage einfach auf dem Schrott landen, meldet die DEGRO. Dieser Schritt sei weltweit einmalig und nicht zu rechtfertigen.

Dabei wirft die DEGRO dem Hersteller Siemens vor, das Angebot eines Investors für den Erwerb der Anlage bislang abgelehnt zu haben.

Fast 100.000 Euro sollen nach Angaben der DEGRO für die Anlage geboten worden sein. Der Wert des Gesamtprojektes wurde im Sommer vergangenen Jahres mit 250 Millionen Euro beziffert.

Dabei geht es der DEGRO vor allem darum, dass mit der Verschrottung der Anlage künftig auch Einschränkungen in der Behandlung von Krebspatienten verbunden sind.

"Die Methode ist bereits jetzt für einzelne Krebserkrankungen die Methode der ersten Wahl", erklärt Professor Dr. Jürgen Dunst, Präsident der DEGRO und Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum in Lübeck.

Zu ambitioniert gewesen?

"Ihre Bedeutung wird weiter zunehmen." In Deutschland stünden entsprechende Therapiemöglichkeiten bisher aber nur in Heidelberg (Therapie mit Protonen und Kohlenstoffionen) und München (nur Protonentherapie) zur Verfügung. Unter Ärzten ist die Therapie allerdings durchaus umstritten.

Doch das Aus der Anlage in Kiel zeichnete sich schon länger ab. Nachdem im Sommer 2011 Siemens bereits für das gemeinsame Projekt mit der Rhön-Klinikum AG am Uniklinikum Marburg entschieden hatte, die Partikeltherapie nur für Forschungs- und Entwicklungszwecke zu nutzen, läuteten auch in Kiel die Alarmglocken.

Damals erklärte Hermann Requardt, CEO des Sektors Healthcare bei Siemens zum Kooperationsprojekt mit Rhön: "Im Verlauf der Entwicklungsarbeit haben wir jedoch festgestellt, dass wir bei der wirtschaftlichen Umsetzung dieser Technologie in der Breitenversorgung zu ambitioniert waren. Daher wollen wir uns jetzt stärker auf die Forschung konzentrieren."

Bereits im September 2011 hatten Siemens und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) dann eine Absichtserklärung zur Auflösung des Partnerschaftsvertrages zur Umsetzung des NRoCK unterzeichnet.

Der Auflösungsvertrag sei dann im Dezember vergangenen Jahres geschlossen worden, erklärt ein Siemens-Sprecher der "Ärzte Zeitung". Und dieser Vertrag sei auch auf Wunsch des Kunden zustande gekommen.

"Die Entscheidung, das Projekt in Kiel nicht weiterzuführen, ist niemandem leicht gefallen." Außerdem, so der Sprecher, werde die Anlage nicht verschrottet, sondern eingelagert und die Komponenten würden wiederverwendet.

Konzentration auf Heidelberg und Shanghai

Für das UKSH entstehe dabei kein finanzieller Schaden. Das heißt, Siemens trägt allein die Kosten des Abbaus. Dafür hatte das Unternehmen schon im dritten Quartal 2011 entsprechende Rückstellungen gebildet.

Die Summe, die Siemens damals nannte - 381 Millionen Euro -, beinhaltet aber nicht nur Rückstellungen für die Partikeltherapie in Kiel und Marburg.

Dass Siemens die Anlage aber nun komplett abbaut und nicht etwa einem Käufer zum Weiterbetrieb überlässt, hat laut dem Siemens-Sprecher folgende Gründe: Zuerst einmal erfülle das Unternehmen damit seine vertraglichen Verpflichtungen aus dem Auflösungsvertrag.

Darüber hinaus sei Siemens bislang weder ein technisch noch finanziell dauerhaft tragbares Konzept vorgelegt worden. Und Siemens habe eingehende Angebote durchaus intensiv geprüft.

"Wichtig ist, dass vor allem auch der technische Betrieb über Jahre hinweg gewährleistet ist," sagt der Sprecher. "Wir konzentrieren uns jetzt auf die Umsetzung der Projekte in Heidelberg und in Shanghai." Denn auch in Shanghai baut Siemens eine Partikeltherapie-Anlage auf.

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