Ambitioniert

Stockholm strebt an die Medizin-Weltspitze

Bis 2025 will Stockholm zu den weltweit führenden Standorten der Gesundheitswirtschaft zählen. Dafür investieren die Schweden kräftig. Für die deutsche Medizintechnik-Branche ergeben sich Chancen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Idylle in Stockholm: Hinter den Kulissen treibt die schwedische Hauptstadt den Aufbau der Klinikkapazitäten mit Hochdruck voran.

Idylle in Stockholm: Hinter den Kulissen treibt die schwedische Hauptstadt den Aufbau der Klinikkapazitäten mit Hochdruck voran.

© INSADCO / imago

STOCKHOLM. Schweden zieht derzeit das Augenmerk der deutschen Medizintechnikbranche auf sich.

Denn allein der Neubau des Universitätskrankenhauses Karolinska im Großraum Stockholm sorgt für einen immensen Bedarf an neuer medizinischer Ausrüstung, wie die deutsche Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (gtai) informiert.

Geplant sei unter anderem ein hochmoderner Bau für experimentelle Medizinforschung, in dem bis zu 1700 Forscher und Mitarbeiter Beschäftigung finden sollen.

Der Markt für Medizintechnik in Schweden bietet laut gtai Ausrüstern aufgrund hoher Standards und umfangreicher Beschaffungen lukrative Geschäftschancen.

2,4 Prozent jährliches Wachstum prognostiziert

Schweden sei ein interessanter und anspruchsvoller Absatzmarkt für Medizintechnik. Das Marktvolumen habe sich 2009 nach Verbandsberechnungen auf geschätzte 1,6 Milliarden Euro belaufen.

Experten von Espicom Healthcare Intelligence taxierten Schwedens Medizintechnikmarkt im Jahr 2011 noch auf umgerechnet 1,4 Milliarden Euro; sie rechneten in den nächsten fünf Jahren mit einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs um 2,4 Prozent.

Die Einrichtungen der Krankenversorgung sind laut gtai zumeist mit moderner Medizintechnik auf hohem Niveau ausgestattet. Die Gesundheitsbranche sei offen für technische Neuerungen, die bessere Diagnosen und Therapien ermöglichen.

Akzeptanz fänden vor dem Hintergrund des Sparzwangs der Versorgungsträger ebenfalls kostengünstige Alternativen.

Die Errichtung und die Modernisierung von Krankenhäusern dürften in den kommenden Jahren für einen anhaltend hohen Medizintechnikbedarf in Schweden sorgen, schätzen die gtai-Experten.

Besondere Beachtung finde dabei derzeit der Neubau des Großklinikums Karolinska in Solna bei Stockholm mit seinem milliardenschweren Bedarf an Medizintechniklösungen.

Baukosten von fast zwei Milliarden Euro

Das im Bau befindliche Krankenhaus Nya Karolinska Solna soll zum Prestigeobjekt der schwedischen Krankenhauslandschaft werden.

Das im Bau befindliche Krankenhaus Nya Karolinska Solna soll zum Prestigeobjekt der schwedischen Krankenhauslandschaft werden.

© White Architects

Bauauftragnehmer sei ein Konsortium unter der Leitung der schwedischen Baugesellschaft Skanska Healthcare mit dem britischen Investmentfonds Innisfree.

Nach Angaben von Skanska Healthcare habe die schwedische Hauptstadt mit der 2010 erfolgten Vergabe den weltweit größten als Public Private Partnership (PPP) konzipierten Krankenhausbau angeschoben.

Das neue Klinikum sei als Knotenpunkt für die Krankenpflege, Forschung und Ausbildung geplant. Es gelte als bedeutender Schritt in Stockholms Plänen, bis 2025 zu den weltweit führenden Standorten der Gesundheitswirtschaft zu zählen.

Die Baukosten liegen bei umgerechnet fast zwei Milliarden Euro. Das Klinikum solle über rund 600 Betten und eine Kapazität von bis zu 1600 Patientenbesuchen pro Tag verfügen.

Sämtliche Behandlungs- und Pflegedienste, die ab 2015 starten sollen, sowie die medizinischen Zuständigkeiten sind laut gtai von dem PPP-Modell ausgenommen und liegen in der Hand des Verwaltungsbezirkes Stockholm.

Dazu zähle auch die gesamte medizinische Ausstattung, deren Beschaffungsvolumen auf 30 bis 50 Prozent der Baukosten taxiert wird.

Das dem Krankenhaus Nya Karolinska Solna angegliederte Karolinska-Institut plane einen hochmodernen Zweckbau für experimentelle Medizinforschung, in dem bis zu 1700 Forscher und andere Mitarbeiter arbeiten sollen. Die Fertigstellung solle 2018 erfolgen.

Auch Klinik für beatmete Patienten geplant

Neben dem Karolinska-Neubau sollen in den nächsten Jahren noch weitere Kliniken errichtet werden. So baue zum Beispiel Aga Linde ein Pflegeheim in Stora Sköndal südlich von Stockholm um, dessen Bewohner auf Beatmungshilfe angewiesen sind.

Ziel sei die Errichtung einer Privatklinik nach dem Remeo-Konzept von Linde Gas Therapeutics. Noch sei aber die Frage der Finanzierung künftiger Patientenbehandlungen nicht geklärt.

Das erste Remeo-Center ging 2005 aus einer Beatmungspflegestation in Mahlow bei Berlin hervor. Inzwischen betreibt Linde weltweit insgesamt 22 Einrichtungen für beatmete Patienten, die stabil genug sind, die Intensivstation zu verlassen, aber noch nicht nach Hause entlassen werden können.

Marktbeobachter sehen, wie gtai meldet, in Schweden vor allem Lieferchancen für innovative Qualitätsprodukte zu wettbewerbsfähigen Preisen in Kombination mit funktionaler Handhabung und gutem Design.

Den Segmenten Orthopädie, Prothetik, minimal-invasive Chirurgie, Monitoringsysteme, Telemedizin und Ausrüstungen für die häusliche Krankenpflege werde in Fachkreisen besondere Bedeutung beigemessen.

Die schwedische Gesundheitspolitik reagiert auf den demografischen Wandel und sei bestrebt, Dienstleistungen und Klinikkapazitäten auf die künftigen Anforderungen einzustellen.

Gesundheitswesen über Steuern finanziert

Der prozentuale Anteil alter Menschen an der Bevölkerung zähle zu den höchsten weltweit und schaffe einen stetig wachsenden Bedarf an Heilbehandlung, Rehabilitation sowie Pflege- und Betreuungsdiensten.

Für die Budgets und die Planung der Gesundheitsdienstleistungen sowie die Beschaffung sind laut gtai die Provinzregierungen zuständig.

Sie seien zugleich Träger und Betreiber der Krankenhäuser, poliklinischer Behandlungszentren und weiterer Einrichtungen. Alters- und Pflegeheime fielen dagegen in die Obhut der Kommunen.

Das Gesundheitswesen werde überwiegend zentral über Steuern finanziert. Patienten müssten allerdings relativ hohe Praxisgebühren und Eigenbeiträge bei Behandlungen und therapeutischen Maßnahmen zahlen.

Seit einigen Jahren forcierten die Regierung und die Kommunen Privatisierungsprozesse. Die rein privatärztliche Betreuung spiele so gut wie keine Rolle in Schweden.

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