Demografie-Studie

Volkskrankheiten als Kostentreiber

Die Überalterung der Gesellschaft und die Zunahme von Zivilisationskrankheiten zwingen die meisten Länder, ihre Gesundheitssysteme anzupassen. Das kostet - und wird in Zukunft immer teurer, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Auch Europa kämpft mit den Kosten der Alterung.

Auch Europa kämpft mit den Kosten der Alterung.

© alinghiblue / iStock.com

DÜSSELDORF. Die gegenwärtige Ebola-Epidemie in Westafrika oder die globale Bedrohung durch HIV/Aids stellen zwar eine große Herausforderung für die betroffenen Länder dar, dennoch bleiben Krebs und Herzkrankheiten als Folge von Bewegungsarmut und Adipositas rund um den Globus die häufigste Todesursache.

Diese Schlussfolgerung zieht die Unternehmensberatung Deloitte in ihrer aktuellen Studie "Global Healthcare Outlook: Common goals, competing priorities" - mit Verweis darauf, dass bereits zehn Prozent der Todesfälle weltweit auf die Folgen von Tabakkonsum zurückzuführen seien.

Des Weiteren versetzt der demografische Wandel - die Lebenserwartung wird nach Prognosen bis 2018 weltweit auf 73,7 Jahre ansteigen - immer mehr Länder dieser Erde in Handlungszwang, auch und speziell mit Blick auf den jeweiligen Healthcare-Sektor, der die Versorgung der zunehmend multimorbiden Bevölkerung zu managen hat.

Regierungen geraten unter Druck

Laut Deloitte spielen Regierungen eine immer größere Rolle für eben diesen Gesundheitsbereich, da sie größtenteils die Ausgaben finanzieren und den Markt regulieren.

Das Dilemma, in dem die Regierungen steckten, sei, so die Studienautoren, dass sie einerseits den jeweils steigenden Bedarf an medizinischer Versorgung ihrer Bevölkerung befriedigen müssten, andererseits aber die in die Höhe schwellenden Kosten für diese Healthcare-Dienstleistungen im Zaum halten müssten.

Dabei ergebe sich durchaus ein gewisser Handlungsspielraum, um ausufernde Gesundheitsausgaben zumindest zu dämpfen, wie Dr. Gregor-Konstantin Elbel, Partner und Leiter Life Sciences & Healthcare bei Deloitte, schätzt.

"Regierungen sollten nicht nur durch geeignete Anreizsetzung Einfluss auf die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und der Versorgungsstrukturen ausüben, sondern im Sinne eines integrierten Ansatzes auch die Prävention bei den Bürgern gezielt stärken, zum Beispiel mit Kampagnen für einen gesunden Lifestyle", empfiehlt Elbel.

Im Zuge der Erholung der Weltwirtschaft werde mit einem Zuwachs bei den globalen Gesundheitsausgaben von jährlich durchschnittlich 5,2 Prozent im Zeitraum 2014 bis 2018 auf dann 9,3 Billionen US-Dollar gerechnet.

Als Treiber dieser Entwicklung identifiziert Deloitte die Gesundheitsbedürfnisse einer alternden und wachsenden Weltbevölkerung, die erhöhte Prävalenz von Patienten mit chronischen Krankheiten, Fortschritte in den Schwellenländern, Infrastrukturverbesserungen sowie Fortschritte bei der Versorgung und Medizintechnologie.

Wandel bietet auch Chancen

Wie die Autoren proklamieren, müssten sich jedoch nicht alle Staatsregierungen in den eisernen Würgegriff der Kostenkontrolle begeben.

Denn vor allem in Asien und im Mittleren Osten würden einige Märkte rasche Ausgabensprünge im Zuge der Entwicklung der privaten wie auch öffentlichen Sektoren in der Gesundheitsversorgung erleben.

Dies wiederum biete internationalen Klinikketten, Pharma- und Medizintechnikunternehmen Chancen.

Saudis setzen auf Genom-Potenzial

Das in der Studie nicht erwähnte Saudi-Arabien ist ein Paradebeispiel für diese Entwicklung.

Denn das streng wahhabistische Regime in Riad legt großen Wert auf die Gesunderhaltung seiner Bevölkerung und investiert laut einer aktuellen Studie des Deutschen Orient-Instituts 19 Prozent des Staatshaushaltes in den Gesundheitssektor.

Im aktuellen Fünf-Jahres-Plan, der bis zu diesem Jahr reicht, sind laut Studie umgerechnet 46,4 Milliarden Euro für Gesundheitsausgaben vorgesehen.

Bis 2016 sollen 138 neue Kliniken entstehen. Mit dem Saudi Human Genome Program soll die genetische Basis aller Krankheiten im Königreich und im gesamten Nahen Osten entschlüsselt werden.

Auch Saudi-Arabiens Nachbar Katar, der wie die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ebenfalls keine Berücksichtigung in der Deloitte-Studie findet, fokussiert die Gesundheit seiner Einwohner und begehrt obendrein einen führenden Platz in der globalen Gesundheitsforschung.

Gewährleisten soll dies das im Bau befindliche Sidra Medical and Research Center in der katarischen Hauptstadt Doha. Nach Klinikangaben soll das Sidra nach seiner Fertigstellung zu den weltweit führenden Forschungskrankenhäusern zählen. Um diesen Erfolg zu garantieren, wurde Professor Joachim Dudenhausen, ehemaliger Leiter der Klinik für Geburtsmedizin der Charité - Universitätsmedizin Berlin, von Katar verpflichtet.

Innerhalb der VAE stechen vor allem die Emirate Dubai und Abu Dhabi hervor.

Die Kliniken der teils noch im Bau befindlichen Dubai Healthcare City, die das dann größte zusammenhängenden Gesundheitsareal der Welt werden soll - in vielen Fällen Dependancen renommierter ausländischer Institutionen -, werden auch um qualifizierte Ärzte aus Deutschland werben.

Erwartet werden vor allem viele betuchte Medizintouristen aus der Region. Abu Dhabi, die Hauptstadt der VAE, hingegen legt den Schwerpunkt nicht nur auf Medizintouristen, sondern hat eine generelle Modernisierung seiner Gesundheitsinfrastruktur angestoßen.

Die Health AUTHORity Abu Dhabi (HAAD) hat hierzu als Regulierungsbehörde des Emirates nach eigenen Angaben eine Reihe von Punkten auf der Agenda, um den Gesundheitsbereich auf westlichen Standard zu bringen.

In Asien - auch dies erwähnt die Studie nicht - ist ein Boom im Healthcare-Sektor vor allem in Thailand zu erwarten, das sich trotz wiederkehrender politischer Unruhen das Ziel gesetzt hat, in Asien die Nummer eins für Medizintouristen werden.

Auch Südkorea setzt - berechtigte - Hoffnung in den Medizintourismus.

Innovationssprünge via Telemedizin?

Großes Potenzial traut Deloitte der Telemedizin zu. Als disruptive Innovation könnte sie zum Beispiel vor allem Ländern in Afrika helfen, sich von völlig desaströsen Versorgungsstrukturen zu verabschieden, die zum Beispiel auch die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe, Valerie Amos, als eine große Bedrohung für den erfolgreichen Kampf gegen die Ebola-Epidemie angeprangert hatte.

Exemplarisch könnten Anwendungen der Mobile Health und Telemedizin zum Zwecke der Diagnostik für eine schnellere und kostengünstigere Versorgung der Patienten in den entsprechenden Ländern sorgen.

Knackpunkt sei hier aber vor allem, wie die Studienautoren vor allzu großer Euphorie auf eine schnelle Realisierung - und damit einen raschen Erfolg - warnen, der gerade in diesen Ländern extrem ausgeprägte, anhaltende Mangel an Ärzten, medizinischen und pflegerischen Fachkräften.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Krise bietet Chancen

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