Medizintechnik

Branche warnt vor Gegenwind für Innovationen

Unsicherheiten bei der künftigen Bewertung von bestimmten Medizinprodukten sowie die Novellierung der EU-Medizinprodukteverordnung treiben deutschen MedTech-Unternehmen die Schweißperlen auf die Stirn.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

BERLIN. Die innovative und mittelständisch geprägte Medizinprodukte-Branche in Deutschland benötigt für das Jahr 2016 geeignete Rahmenbedingungen, die den Marktzugang erleichtern und damit den Heimatmarkt stärken. Das fordert der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) in seinem jetzt veröffentlichten Jahresbericht 2015/16.

Denn nicht nur die multinationalen Konzerne, auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen seien "Treiber des medizintechnischen Fortschritts", der den Patienten zugutekommt, Leben rettet und die Lebensqualität der Menschen verbessert, so der BVMed-Vorstandsvorsitzende Dr. Meinrad Lugan in seinem Vorwort zum Jahresbericht.

Hohe Exportquote

Der Gesamtumsatz der produzierenden Medizintechnikunternehmen lag 2015 laut Jahresbericht bei 28,4 Milliarden Euro. Die deutsche Medizintechnikindustrie habe dabei Exportquoten von über 65 Prozent, so Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt.

Die Medizintechnologie-Branche beschäftige in Deutschland mehr als 190.000 Menschen in über 12.600 Unternehmen. Abgesehen von wenigen großen Unternehmen sei die Branche stark mittelständisch geprägt. 95 Prozent der Betriebe beschäftigten weniger als 250 Mitarbeiter.

Die Medizintechnikbranche fungiere als wichtiger Wirtschafts- und Arbeitsmarktfaktor. Zum Beispiel sichere jeder Arbeitsplatz zusätzlich 0,75 Arbeitsplätze in anderen Bereichen.

Rund ein Drittel ihres Umsatzes erzielten die deutschen Medizintechnikhersteller mit Produkten, die nicht älter als drei Jahre sind. Im Durchschnitt investierten die forschenden MedTech-Unternehmen rund neun Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung.

Was das Innovationsklima anbelangt, sieht die Branche Deutschland mit 4,9 auf einer Skala von 0 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) im Mittelfeld. Der Index habe sich gegenüber dem Vorjahr nicht verändert, nachdem er zuvor signifikant um 1,3 Prozentpunkte gefallen war.

Das Innovationsklima wird nach Meinung der Unternehmen durch innovationsfeindlich eingestellte Krankenkassen (57 Prozent), bürokratische Prozesse (52 Prozent), niedrige Erstattungspreise (42 Prozent) sowie die Unsicherheiten bei der künftigen Nutzenbewertung von Medizinprodukten (39 Prozent) zunehmend gefährdet.

Als innovativsten Forschungsbereich schätzen die Unternehmen wie im Vorjahr mit 38 Prozent die Kardiologie ein, gefolgt von der Onkologie (30 Prozent), der Neurologie (26 Prozent), der Diagnostik (24 Prozent) der Orthopädie (17 Prozent) und der Chirurgie mit 13 Prozent.

Einbindung in Prozesse gefordert

Auf dem Wunschzettel des BVMed für das Jahr 2016 stünden daher ein "Innovationszugangs-Beschleunigungsgesetz" und eine bessere Einbindung der Industrie in die Entscheidungsprozesse beim Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) und beim Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG).

Der BVMed spielt mit dieser Forderung auf die Verfahrensregelungen an, die der GBA Mitte März für die Bewertung neuer Methoden mit Medizinprodukten der Klassen IIb und III (z.B. Endoprothesen oder Herzschrittmacher) nach Paragraf 137h SGB V beschlossen hat.

Sie ist die Ausgestaltung der zum Jahresstart in Kraft getretenen neuen Medizinproduktemethoden-Bewertungsverordnung (MeM-BV), die Ende 2015 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden war.

"Wichtig für alle unsere Unternehmen sind auch einheitliche europäische Nutzenbewertungsverfahren und die gegenseitige Anerkennung von Studien", heißt es im BVMed-Jahresbericht.

Bei den Trilog genannten Verhandlungen um die neue europäische Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation / MDR) sieht der BVMed nach wie vor das vorgesehene "Scrutiny-Verfahren" als besonders kritisch an.

Hier konnte sich Deutschland mit seiner Kritik gegen die anderen EU-Staaten nicht durchsetzen. So sieht der Verordnungsentwurf die zusätzliche Überprüfung der Konformitätsbewertung der Benannten Stellen wie TÜV oder Dekra durch ein weiteres Prüfgremium vor.

In Deutschland ist die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) als Behörde für die Benennung der Benannten Stellen zuständig.

Der Verband setzt sich im Zuge der MDR-Novellierung zudem für eine Bestandsschutzregelung für Produkte ein, die höher klassifiziert werden und für die bislang Literaturdaten ausreichend waren. Eine obligatorische Haftpflichtversicherung, die beispielsweise vom Parlament gefordert wird, lehnt der BVMed ab.

Verbesserungen seien bei der Benennung und Überwachung der Benannten Stellen notwendig, um in Europa ein einheitlich hohes Niveau zu erreichen, so der Industrieverband.

Um die Überwachung der Hersteller durch die Marktüberwachungsbehörden in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu verbessern, müsse es eine weitere Angleichung der Marktüberwachungs-Mechanismen geben, fordert er.

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