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Medizintechnik-Branche beklagt Regulierung

Die deutschen Medizintechnik-Hersteller sind auf Wachstumskurs. Die novellierte EU-Medizinprodukteverordnung empfindet die Branche aber als Bedrohung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Nicht nur für das Katheterlabor arbeitet die Medizintechnikbranche kontinuierlich an neuen Lösungen.

Nicht nur für das Katheterlabor arbeitet die Medizintechnikbranche kontinuierlich an neuen Lösungen.

© BVMed

DÜSSELDORF. Die Medizintechnik-Branche hätte eine höhere Aufmerksamkeit bei den politischen Entscheidern verdient, findet Marcus Kuhlmann, Leiter des Fachverbands Medizintechnik bei Spectaris, dem Deutschen Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien.

"Wir sind im Vergleich zwar ein relativ kleiner Bereich, aber wir sind ein zukunftsträchtiger und stark wachsender Bereich", sagte Kuhlmann im Vorfeld der Medizinmesse Medica in Düsseldorf.

Die Branche werde in diesem Jahr erstmals einen Umsatz von über 30 Milliarden Euro erzielen. Das sei im Vergleich zur Autoindustrie mit 405 Milliarden Euro Umsatz und dem Maschinenbau mit 220 Milliarden Euro nicht viel. Aber die Wachstumsraten seien höher, betonte Kuhlmann.

Der Spectaris-Experte bezifferte das Umsatzwachstum der Medizintechnik-Branche für dieses Jahr mit fünf Prozent. Zugelegt haben die Unternehmen nach seinen Angaben gleichermaßen im Inland und im Ausland.

Der Branchenverband BVMed geht von einem Zuwachs um sechs Prozent aus bei einer klaren Dominanz des Auslands-Geschäfts. Der Umsatz in Deutschland wird laut BVMed lediglich um 2,8 Prozent zulegen.

5 Prozent Wachstum prognostiziert

"Die Zahlen des BVMed basieren auf einer Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen, unsere auf den Zahlen des Statistischen Bundesamtes", erläuterte Kuhlmann die Unterschiede. Der geringere Zuwachs bei den Inlandsumsätzen der BVMed-Mitglieder sei auch damit zu erklären, dass sie ein anderes Produktspektrum abdecken.

Für 2018 prognostiziert Spectaris einen Umsatz der deutschen Medizintechnikindustrie von 32,1 Milliarden Euro, das wäre ein weiterer Anstieg um rund fünf Prozent.

Die von Spectaris repräsentierten 1260 Medizintechnik-Hersteller beschäftigen jeweils mindestens 20 Mitarbeiter, im BVMed seien auch kleinere Firmen vertreten. Die Zahl der Beschäftigten wird in diesem Jahr laut Kuhlmann um zwei Prozent auf rund 135.000 zulegen.

Der BVMed beziffert die Mitarbeiterzahlen der insgesamt 12.500 Anbieter der Branche inklusive Klein- und Kleinstunternehmen mit 210.000. Die Exportquote der Hersteller beträgt 64 Prozent. Die wichtigste Ausfuhrregion für die deutsche Medizintechnik ist die Europäische Union mit einem Anteil von 40 Prozent, sagte Kuhlmann. Ganz Europa macht 50 Prozent der Exporte aus, nach Nordamerika und Asien gehen jeweils 20 Prozent.

Regulierung setzt Branche unter Druck

Die Medizintechnik-Hersteller hätten seit Jahren große Mühe, der Politik klar zu machen, dass ihre Maßnahmen im Bereich der Gesundheits- und Wirtschaftspolitik direkten Einfluss auf die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Branche haben, und damit auch auf die Arbeitsplätze, beklagte er.

Ein Problem sei die zunehmende Regulierung, gerade durch die novellierte EU-Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR). Kuhlmann appellierte an die Politik, bei der Umsetzung Augenmaß walten zu lassen, beispielsweise bei den Übergangsfristen.

Die Unternehmen wollten sich nicht darum drücken, neue Sicherheitsanforderungen umzusetzen, betonte Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des Fachverbands Elektromedizinische Technik im Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI), mit Blick auf die MDR. "Aber Produkte, die bereits dokumentiert und überprüft wurden, müssen jetzt noch einmal dokumentiert und geprüft werden", kritisierte er.

Die den Unternehmen zugestandene Frist von drei Jahren für die Neu-Zulassung sämtlicher Produkte sei viel zu kurz. Hinzu komme die Tatsache, dass sich auch die Benannten Stellen neu akkreditieren müssten. Bis Mai 2020 sollten alle Produkte ihre Zertifikate haben, bis jetzt sei aber noch keine Prüfstelle akkreditiert, bemängelte Bursig.

"Die Medizinprodukteverordnung schießt über das Ziel hinaus", sagte auch Dr. Thomas Dietrich, Geschäftsführer des IVAM Fachverband für Mikrotechnik. Viele der mit ihr verbundenen Anforderungen seien gerade für kleine Unternehmen nicht umsetzbar.

Angesichts der neuen Dokumentationspflichten und Qualitätsanforderungen müssten sie eigentlich neues Personal einstellen. Viele Mitgliedsunternehmen wollten jetzt erst einmal vorsichtig sein und keine neuen Produkte auf den Markt bringen, berichtete Dietrich. "Das wäre eine Katastrophe für den Mittelstand."

Die Politik müsse auf die besonderen Herausforderungen der kleinen und mittelständischen Unternehmen reagieren, forderte er. "Wir müssen sehen, dass wir die Prozesse wesentlich überschaubarer und nachvollziehbarer machen."

Der IVAM und andere Verbände wollten die Probleme mit einer gemeinsamen Initiative in das Bewusstsein der Politik und der Entscheidungsgremien bringen. "An der MDR kann man nichts mehr verändern, aber bei der Durchführung kann man noch einiges optimieren", sagte Dietrich.

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