Medizintechnik

Branche hadert weiterhin mit EU-Richtlinien

Jedes dritte MedTech-Unternehmen in Deutschland wähnt sich angesichts des neuen europäischen Medizinprodukterechts überfordert.

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BERLIN. Die im Mai 2017 in Kraft getretenen, neuen Anforderungen an die CE-Kennzeichnung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika (Verordnungen 2017/745 und 2017/746) bereiten der Medizintechnikbranche nach wie vor Kopfzerbrechen. Trotz drei- und fünfjähriger Übergangsfrist zur nationalen Umsetzung befürchten viele Unternehmen, dass die höheren regulatorischen Anforderungen zusätzlichen Zulassungsstau verursachen. „75 Prozent der Unternehmen klagen schon heute über zu lange Wartezeiten von der Antragsstellung bis zur Zertifizierung“, wie Achim Dercks, Geschäftsführer des Industrie- und Handelskammertags (DIHK) am Freitag verlauten ließ.

Die akuten Kapazitätsprobleme bei den für die Vergabe des CE-Kennzeichens zuständigen „Benannten Stellen“ (u.a. TÜV, Dekra) würden sich außerdem noch durch den Brexit verschärfen. Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU fielen rund 30 Prozent der derzeit existierenden Benannten Stellen weg, heißt es.

Doch 70 Prozent aller nicht in der EU registrierten MedTech-Firmen – vor allem aus den USA – frequentierten derzeit vor allem Benannte Stellen in UK. Künftig müssten sie auf kontinentaleuropäische Stellen ausweichen, womit die Arbeitsbelastung dort noch weiter zunimmt.

Laut einer Unternehmensbefragung von DIHK und dem Branchenverband Spectaris im Juli und August vorigen Jahres, an der rund 300 Hersteller teilnahmen, beklagen die Firmen im Kontext der neuen EU-Medizinprodukteverordnungen hauptsächlich die Rechtsunsicherheit (75 Prozent) hinsichtlich der künftigen Risikoklassen-Zuordnung ihrer Produkte, den Fachkräftemangel in den eigenen Regulatory-Affairs-Abteilungen (70 Prozent), zu kurze Übergangsfristen (65 Prozent), die Kapazitätsprobleme bei den Benannten Stellen sowie hohe Zertifizierungskosten (je 60 Prozent).

„Fast 80 Prozent der Medtechunternehmen rechnen mit erheblichen Schwierigkeiten, innovative Produkte zukünftig auf den Markt zu bringen“, heißt es weiter. Für 35 Prozent nähmen Aufwand und Kosten der neuen Anforderungen nach eigener Einschätzung gar existenzgefährdende Dimensionen an. Fast jedes vierte Unternehmen (24 Prozent) plant – oder denkt zumindest darüber nach –, Produkte aus dem Markt zu nehmen, die künftig in die Risikoklassen IIb oder III eingruppiert werden und deshalb eine zusätzliche Bewertung („Scrutiny-Verfahren“) zu absolvieren haben.

DIHK-Geschäftsführer Dercks: „Was die Firmen jetzt brauchen, ist die Zuversicht, auch in Zukunft ihre Produkte auf den Markt bringen zu können. Die Politik sollte deshalb praktikablere Übergangsphasen, einen Bestandsschutz für bewährte Altprodukte und Sonderregelungen für Nischenprodukte umsetzen.“ (cw)

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