Medizintechnik

Zulassungs-Chaos bei Stents & Co?

Gerade einmal zwei Benannte Stellen stehen Medizintechnikunternehmen in der EU ein Jahr vor Inkrafttreten der novellierten EU-Medizinprodukteverordnung zur Verfügung. Es könnte eng werden auf dem Zulassungsmarkt.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Anbieter innovativer Stents könnten künftig länger warten müssen, bis diese die Zulassung von einer Benannten Stelle bekommen.

Anbieter innovativer Stents könnten künftig länger warten müssen, bis diese die Zulassung von einer Benannten Stelle bekommen.

© Sebastian Kaulitzki - stock.adob

BERLIN. Die deutschen Medizintechnikverbände schlagen Alarm: Ein Jahr vor Geltungsbeginn der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation/MDR) am 26. Mai 2020 fehlen immer noch viele Voraussetzungen, um die MDR im Marktgeschehen auch umsetzen zu können.

Dazu gehören vor allem eine ausreichende Anzahl an Benannten Stellen (BS). Die BS sind als unabhängige Prüf- und Kontrollinstanzen ein zwingend notwendiges Element in der Zulassung von Medizinprodukten in Europa.

Knackpunkt: Mit der britischen BSI Group und dem TÜV Süd haben bisher nur zwei von insgesamt 57 BS die im Zuge der MDR notwendige Rezertifizierung erlangt – viele osteuropäische der ehemals knapp 90 BS haben sich nicht mehr um eine Rezertifizierung bemüht. Nach Angaben des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) haben insgesamt 38 Institutionen einen Antrag auf Rezertifizierung als BS gestellt.

Den Mittelstand trifft es hart

Um auf die Brisanz der Lage der Medizintechnikbranche aufmerksam zu machen, hat der Branchenverband Spectaris auf seiner Website nun einen MDR-Countdown gestartet, der die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden bis zum Inkrafttreten der neuen Regulierung herunterzählt.

Stand heute wären dann lediglich zwei Benannte Stellen dazu autorisiert, für die rund 27.000 Medizintechnikunternehmen in Europa die notwendigen MDR-konformen Zertifikate für deren Produkte auszustellen.

Beim Hauptstadtkongress forderte der BVMed-Vorstandsvorsitzende Dr. Meinrad Lugan vergangene Woche von der deutschen Gesundheitspolitik „eine verlässliche und pragmatische Unterstützung der überwiegend kleinen und mittelständischen Medizinprodukte-Unternehmen bei der Umsetzung der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung.“

Wenn es bei der Nichtumsetzbarkeit der MDR bleibe, werde dies „schmerzhafte Auswirkungen auf die mittelständische Struktur der MedTech-Branche haben und Defizite bei der Patientenversorgung mit Medizinprodukten auslösen“, warnte Lugan.

Branche sieht Versorgung gefährdet

In dasselbe Horn bläst auch Spectaris. Laut einer gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag abgehaltenen Branchenbefragung rechnen fast 80 Prozent der Medizintechnikunternehmen mit erheblichen Schwierigkeiten, innovative Produkte zukünftig auf den Markt zu bringen.

Auf die Benannten Stellen kommt noch weitere Arbeit zu. Denn die novellierte EU-Medizinprodukteverordnung sorgt dafür, dass in Zukunft mehr Gesundheits-Apps als digitale Medizinprodukte in höhere Risikoklassen als bisher eingestuft werden und ein entsprechender Zulassungszwang besteht.

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