Praxisgründung

Enge Grenzen für Praxen und MVZ in Wohngebieten

In Wohngebieten dürfen sich Medizinische Versorgungszentren nicht beliebig räumlich ausdehnen. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt wies ein Augenheilkunde-Institut in die Schranken.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Dem Plan für ein neues Augen-Laserzentrum in Halle schoben die Richter einen Riegel vor.

Dem Plan für ein neues Augen-Laserzentrum in Halle schoben die Richter einen Riegel vor.

© de_nise / stock.adobe.com

MAGDEBURG. Ein MVZ darf sich in einem Wohngebiet nicht beliebig ausdehnen. Ohne Weiteres zulässig sind in einem reinen Wohngebiet nur normale Arztpraxen in der Größe einer einzelnen Wohnung, wie jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt in Magdeburg zu einem Augen-MVZ in Halle entschied.

Das als „Institut für Augenheilkunde“ firmierende MVZ hat mehrere Standorte in Halle, unter anderem im nördlich des Zentrums gelegenen Paulusviertel. Dort hatte die Stadt zwei Erweiterungsbauten auf einem Nachbargrundstück genehmigt.

Dagegen wehrten sich Anwohner mit einer Klage. Gleichzeitig verlangten sie eine vorläufige Aussetzung der Baugenehmigung bis zum abschließenden Urteil. Bereits das Verwaltungsgericht Halle hatte zunächst dem Eilantrag stattgegeben. Dem ist nun das OVG gefolgt.

Einzelpraxen zulässig

Beide Gerichte stellten zunächst fest, dass das Paulusviertel als „faktisches reines Wohngebiet“ gilt und dort daher die Regeln eines reinen Wohngebiets einzuhalten sind. Das Quartier sei „deutlich vom Vorherrschen der Wohnnutzung geprägt“. Schon ein bereits vorhandenes Ärztehaus sei daher „ein Ausreißer“, der bislang aber das Wohnviertel nicht präge. Zudem seien dort Einzelpraxen ansässig, die auch in einem reinen Wohngebiet grundsätzlich zulässig seien.

Das geplante Augen-Laserzentrum sei dagegen „seiner Art nach unzulässig“, befand das OVG. Es sei zwar ebenfalls eine Praxis, verletze in seiner geplanten Größe aber den Gebietscharakter und sprenge den „für freiberufliche Nutzungen in (faktischen) allgemeinen Wohngebieten gestatteten Rahmen“. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass in den Erweiterungsbauten auch zahlreiche Wohnungen Platz finden sollen.

Zulässig ist laut OVG für Arztpraxen oder Büros in allgemeinen Wohngebieten nur die Nutzung von „Räumen“. Dies meine „Raumeinheiten, die nur Teil des Gebäudes sind“. Dies diene dazu, die Prägung eines Wohngebiets durch entsprechende Nutzungen zu erhalten.

Maximal 50 Prozent der Fläche

„Die (Praxis- oder) Büronutzung darf daher – faustregelartig – nicht mehr als die Hälfte der Wohnungen und auch nicht mehr als 50 Prozent der Wohnfläche pro Gebäude umfassen“, heißt es in den Leitsätzen des OVG. Zudem dürften Praxen oder Büros nicht größer als eine Wohnung sein. Schon das Verwaltungsgericht hatte daher betont, dass für eine Arztpraxis nicht zwei oder mehr Wohnungen zusammengelegt werden dürfen.

Nach dem Magdeburger Urteil könnten sich Praxisbetreiber auf mögliche Ausnahmen für „Gesundheitseinrichtungen“ nicht berufen. „Dies würde zu einer höheren Verkehrsbelastung dieser Gebiete durch vermehrten Zielverkehr führen und hätte erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die (…) Wohnruhe.“

Ohne Erfolg verwies der zu dem Streit beigeladene MVZ-Betreiber auf ein Krankenhaus im Paulusviertel. Im Gegensatz zu Arztpraxen seien Krankenhäuser „singulär“ und daher nach geltendem Baurecht im Einzelfall zulässig, meinten die Richter.

Anders als eine Arztpraxis sei zudem „der durch stationären Aufenthalt der Patienten geprägte Betrieb eines Krankenhauses auf Ruhe im Gebiet angewiesen“.

OVG Sachsen-Anhalt Az.: 2 M 53/18

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