In Zukunft begleichen Handys offene Rechnungen

Mobiltelefone sollen noch um eine Funktion reicher werden. Derzeit laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, dass Handys auch als elektronisches Portemonnaie fungieren können - zum Beispiel beim Einkaufen.

Von Andrej Sokolow Veröffentlicht:
Künftig sollen Handys das Geld elektronisch vorhalten.

Künftig sollen Handys das Geld elektronisch vorhalten.

© Lars Tuchel / fotolia.com

BERLIN. Das Portemonnaie im Handy war lange eine Zukunftsvision. Jetzt wird sie Schritt um Schritt zur Realität. Um das künftige Milliarden-Geschäft zeichnet sich bereits ein knallharter Konkurrenzkampf alter und neuer Rivalen ab.

Vor allem Funkchips in Handys sollen heutige Gewohnheiten umkrempeln. Statt des Griffs zu Bargeld oder Bankkarte einfach nur kurz mit dem Mobiltelefon vor einem Lesegerät wedeln, lautet die Zukunftsvision.

Glaubt man Branchenbeobachtern, wird schon bald eine Lawine solcher Angebote auf die Kunden einbrechen. So rechnet Howard Wilcox, ein Analyst des Marktforschers Juniper Research, bereits zum Jahr 2014 mit einem Volumen von 50 Milliarden Dollar, das per Handy mit Funkchip umgeschlagen wird.

Die Technik dafür steht schon seit Jahren bereit: Die Near Field Communication (NFC) sollte schon vor etwa fünf Jahren allgegenwärtig werden, kam jedoch für die damaligen Telefone zu früh.

Der Entwickler, die heute unabhängige frühere Philips-Tochter NXP, behielt jedoch einen langen Atem und wird dafür jetzt mit einer dominierenden Marktposition bei der Chip-Technik belohnt.

Ankündigungen, Pläne und Allianzen sprießen derzeit

Die Aussicht auf den weltweiten Umbruch eines Multi-Milliarden-Marktes schürt derzeit ein Goldfieber, wie es das zuletzt vielleicht vor einem guten Jahrzehnt mit dem Aufstieg des Internet gab.

Rivalen aus allen möglichen Branchen sammeln im Hintergrund Kräfte für ein Vorpreschen zusammen. Alle mischen mit: Mobilfunk-Konzerne, Handy-Hersteller, Banken, traditionsreiche und neue Finanzdienstleister, Internet-Schwergewichte wie Google. Kaum eine Woche vergeht ohne neue Ankündigungen, Pläne, Allianzen.

Die aktuellsten Nachrichten etwa: Sony Ericsson will NFC-Chips in künftige Smartphone-Modelle der Xperia-Reihe einbauen, die vier führenden britischen Mobilfunk-Anbieter üben den Schulterschluss für eine gemeinsame Bezahlplattform, der Kreditkarten-Riese Visa hat einen Spezialisten für mobiles Bezahlen gekauft.

Es ist ein faszinierender Moment der Geburt eines neuen Marktes: Alles scheint möglich, völlige Außenseiter können sich noch Hoffnungen machen, heutige Platzhirsche zu entthronen - oder ihre aktuelle Stärke zu nutzen, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

Ein Beispiel, wie Altes und Neues zusammenwachsen kann, liefert bereits Google mit seinem mobilen Portemonnaie. Der Internet-Riese zieht seinen Dienst "Google Wallet" in den USA nicht alleine auf, sondern kooperiert dabei mit etablierten Zahlungsdienstleistern.

Zunächst steht der Service Besitzern einer Mastercard-Kreditkarte der Citibank offen. Zugleich macht die Beschränkung auf nur ein Smartphone-Modell, das aktuelle Android-Flaggschiff Nexus S im Netz des kleineren Mobilfunk-Anbieters Sprint, deutlich, wie sehr das Geschäft noch am Anfang steht.

Dass die Ebay-Bezahltochter PayPal den Google-Vorstoß sofort mit einer Klage konterte, weil frühere Mitarbeiter internes Wissen beim Internet-Konzern verwendet haben sollen, macht deutlich, wie hart um den neuen Markt gekämpft werden wird.

In Deutschland gibt es bisher mehr Ankündigungen und Fragen denn Antworten. Ein wahrscheinlicher Vorreiter sind die Mobilfunk-Anbieter Vodafone, O2 und Deutsche Telekom, die bei der Bezahlplattform mpass kooperieren. Bisher kann der mpass-Dienst bei Einkäufen im Internet genutzt worden, aber dass aus ihm auch ein vollwertiges mobiles Bezahlsystem werden soll, ist klar.

Einführung in Deutschland für nächstes Jahr angepeilt

Aktuell ist der mpass-Start im stationären Handel für das erste Quartal 2012 geplant, sagt der zuständige Vodafone-Manager Jochen Bornemann. "Pilotprojekte mit ausgewählten Partnern sind durchaus schon früher denkbar." Es gebe bereits intensive Gespräche mit großen Handelsketten und Zahlungsspezialisten.

Es könnten sowohl bereits installierte Bezahl-Terminals als auch eigene neue Kassen-Systeme zum Einsatz kommen. Das hänge davon ab, wie die Händler die eigenen NFC-Planungen vorantreiben.

Auch etablierte Finanzdienstleister wollen sich von den neuen Rivalen nicht die Butter vom Brot kratzen lassen. So hat der Mastercard-Konkurrent Visa bereits sein eigenes Programm mit NFC-Chips in Kreditkarten und rund 300.000 Bezahl-Terminals weltweit.

Die Sparkassen kündigten an, dass spätestens bis 2015 jeder Kunde eine Karte mit NFC-Chip haben werde. Und schon 2014 sollen Kunden per Handy zahlen können, äußerte sich Wolfgang Adamiok vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband. (dpa)

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