Hausarzt-Rezept gegen den Ärztemangel: Filialpraxen

Hausarzt Norbert Koch kämpft mit seiner Frau gegen die Unterversorgung am Niederrhein. Eine zentrale Praxis mit mehreren Zweigpraxen ist für ihn die Lösung gegen den Ärztemangel - so soll auch für junge Ärzte der Einstieg in den Beruf wieder attraktiv werden.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
"Auf dem Land kann man die Leute nicht für Freiberuflichkeit begeistern." (Allgemeinarzt Norbert Koch mit seiner Ehefrau)

"Auf dem Land kann man die Leute nicht für Freiberuflichkeit begeistern." (Allgemeinarzt Norbert Koch mit seiner Ehefrau)

© Frank Naundorf / KVNo

Norbert Koch hat eine genaue Vorstellung davon, wie die ärztliche Versorgung auf dem Land künftig sichergestellt werden kann. "Wir brauchen zentrale Praxen, in denen drei oder vier Ärzte arbeiten. Sie können dann ausschwärmen und über Filialen auch die Peripherie versorgen", sagt der Allgemeinmediziner.

Praxis-Nachfolger sind schwer zu finden

Koch weiß, wovon er redet. Im niederrheinischen Alpen betreibt er seit Längerem gemeinsam mit seiner Frau Katja eine Gemeinschaftspraxis, die jetzt eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft ist. Im Jahr 2005 machte im Nachbarort Issum eine Hausarztpraxis dicht, die dortigen Kollegen konnten nicht alle Patienten übernehmen. Das Ehepaar Koch beschloss, in Issum eine Zweigpraxis zu eröffnen. "Damals mussten wir noch lange warten, bis sie genehmigt wurde." Seitdem arbeitet Katja Koch halbtags in der Praxis in Issum. Seit 1. Juli dieses Jahres ist es eine Vollpraxis, die als Nebenstelle Teil der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ist. Zum selben Zeitpunkt hat das Ehepaar in Veen, einem Ortsteil von Alpen, eine Zweigpraxis eröffnet. In Veen war vor anderthalb Jahren der Hausarzt verstorben. Ein Nachfolger für ihn konnte nicht gefunden werden, die Versorgung der 1650 Einwohner wurde über Vertretungen aufrecht erhalten. "In sieben bis acht Kilometern Entfernung gab es sonst keinen Arzt", berichtet Norbert Koch.

Der Bürgermeister des Örtchens unterstützte die Ärzte bei der Suche nach einem günstigen Mietobjekt. Die Filialpraxis ist in einer ehemaligen Bäckerei untergebracht. Mittwochs und freitags nachmittags sowie samstags vormittags ist mit Norbert Koch jetzt wieder ein Hausarzt in Veen verfügbar. "Aus der Bevölkerung bekommt diese Mini-Lösung viel Zuspruch", konstatiert Koch. Wenn sich die Praxis in einigen Jahren gut etabliert hat, würden Koch und seine Frau gern noch einen Arzt in die Berufsausübungsgemeinschaft aufnehmen, der dann in Veen eine Vollpraxis betreiben könnte.

Koch hat sich bereits einmal nach Interessenten umgesehen und gemerkt, dass es schwierig ist, einen Partner für die Praxis zu finden. Viele haben Angst vor der finanziellen Belastung, berichtet er. "Auf dem Land kann man die Leute nicht für die Freiberuflichkeit begeistern."

Viele Niedergelassene sind bereits über 60 Jahre alt

Das Modell der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit Filialen kann das Engagement in unterversorgten ländlichen Gebieten für Ärzte wieder attraktiver machen, glaubt Norbert Koch. Das Konzept sei gerade für jüngere Ärzte attraktiv, da es ihnen den Einstieg in eine neue berufliche Existenz ermöglicht, sagt der Hausarzt.

Norbert Koch ist 60 Jahre alt, seine Frau ist 45. Die beiden haben drei kleine Kinder im Alter von vier, sechs und sieben Jahren. In Alpen sind viele Niedergelassene über 60, berichtet er. Dort und in anderen Orten am Niederrhein zeichne sich der kommende Ärztemangel bereits ab. "Dagegen müssen wir jetzt schon etwas tun." Koch findet es spannend, wie viel sich mit einer kleinen "Zelle" wie der Gemeinschaftspraxis schon erreichen lässt. Der Hausarzt hofft, dass seine Erfahrungen andere zu einem ähnlichen Engagement motivieren können. "Junge Ärzte, die ins Ausland gehen wollen, sollen sehen, dass es auch hier positive Modelle gibt."

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