Hintergrund

Ob niedergelassen oder angestellt: Ein Drittel der deutschen Ärzte ist unzufrieden

Die Stimmung unter Deutschlands Ärzten ist nicht gut. Vor allem niedergelassene Ärzte klagen über schlechte Arbeitsbedingungen. Trotzdem will jeder Fünfte demnächst größer in die Praxis investieren. Generell beruflich verändern wollen sich aber nur wenige.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:

Zu viel Bürokratie, stagnierendes Einkommen, zu hohe Arbeitsbelastung und einengende Budgets - das sind nur einige Gründe, warum viele Ärzte längst nicht mehr über ihre berufliche Situation jubeln. Über ein Drittel der Ärzte in Deutschland gibt in einer aktuellen, repräsentativen Studie von TNS Infratest daher auch an, mit der derzeitigen Situation alles andere als zufrieden zu sein (wie kurz berichtet).

Die Stimmung bei den niedergelassenen Ärzten ist besonders schlecht: Hier sind 44 Prozent unzufrieden, bei den angestellten Ärzten ist es noch nicht einmal jeder Fünfte.

Die Marktforscher hatten im Auftrag der Commerzbank 300 Ärzte, darunter 140 niedergelassene und 160 angestellte Ärzte, befragt. Überraschend ist, dass trotz der eher schlechten Grundstimmung jeder fünfte niedergelassene Arzt in diesem Jahr eine größere Investition - nicht selten betrifft dies eine Kooperationsgründung - plant.

Das deckt sich zwar mit der Aussage, dass auch jeder fünfte niedergelassene Arzt eine berufliche Veränderung im nächsten Jahr anstrebt. Überraschend ist aber zugleich, dass über zwei Drittel der Niedergelassenen die beruflichen Dinge - zumindest fürs nächste Jahr - eher so lassen wollen, wie sie sind, trotz der schlechten Stimmung.

Hier sind es eher die angestellten Ärzte (57 Prozent), die im Laufe des nächsten Jahres die berufliche Veränderung suchen. Das mag aber auch daran liegen, dass die Befragten in den angestellten Verhältnissen besonders unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen, wie Arbeitszeiten, -belastung und -klima, leiden (64 Prozent).

Wohingegen jeweils rund die Hälfte der niedergelassenen Ärzte eher die Bürokratie und stagnierende oder sinkende Einnahmen als Gründe für die Unzufriedenheit nennt. Etwas mehr als ein Viertel klagt zudem über zu enge Budgetvorgaben in der Patientenversorgung.

Dass gerade angestellte Ärzte eher ins Ausland abwandern werden, diese Angst bestätigt sich nicht unbedingt. Denn im Ausland sehen gerade einmal 29 Prozent der angestellten Ärzte, die sich beruflich verändern wollen, eine Option.

Das Gros, nämlich 44 Prozent will in die Niederlassung. Sie planen entweder eine Praxisgründung oder -übernahme (18 Prozent), sie wollen eine Kooperation eingehen (18 Prozent) oder als Mitunternehmer in ein MVZ einsteigen.

Dabei treibt es die niederlassungswilligen angestellten Ärzte allerdings eher in die Stadt als aufs Land: Gerade einmal vier Prozent der angestellten Ärzte und nur fünf Prozent beider befragten Gruppen würde sich auf dem Land niederlassen.

Wobei unter den bereits niedergelassenen Ärzten immerhin neun Prozent die ländlichen Regionen bei zukünftigen beruflichen Veränderungen bevorzugen. In die Großstadt würde es 40 Prozent der angestellten Ärzte und 42 Prozent beider Gruppen ziehen, in eine Klein-/oder Mittelstadt immerhin 38 Prozent der angestellten und auch über ein Drittel aller veränderungswilligen Ärzte.

Ein Ergebnis, das die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) besonders kritisch sieht. Denn, dass eine Tätigkeit als Landarzt für die große Mehrheit der Mediziner nicht infrage käme, decke sich mit den Ergebnissen einer bundesweiten Befragung von Medizinstudenten im vergangenen Sommer.

Das so genannte Berufsmonitoring (wir berichteten) war eine gemeinsame Studie der KBV mit der Universität Trier. Bei den 12.500 befragten Studenten seien es 16 Prozent gewesen, die sich eine Tätigkeit als Landarzt hätten vorstellen können, heißt es in einer Mitteilung der KBV.

"Damit bestätigt die aktuelle Umfrage unsere Ergebnisse", sagt KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller. Dabei kamen Städte mit bis zu 5000 Einwohner für rund die Hälfte der befragten Studenten auf keinen Fall als Arbeitsort in Frage. "Beide Umfragen zeigen, dass dringend etwas geschehen muss, um dem Ärztemangel insbesondere auf dem Land noch etwas entgegenzusetzen", so Müller.

Und dazu gehöre neben Bürokratieabbau, der Befreiung von Regressrisiken und einer angemessenen Vergütung auch eine entsprechende Infrastruktur, die auch für die Partner und Familien der Ärzte Anreize schaffe. Müller: "Sonst ist der Landarzt bald wirklich nur noch im Fernsehen zu sehen."

Bei den niedergelassenen, aber veränderungswilligen Ärzten ist ein Trend hin zur Kooperation zu erkennen: 35 Prozent tendieren zu einer Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft. Für lediglich vier Prozent ist die Mitunternehmerschaft im MVZ der richtige Weg.

Und über ein Drittel sieht seine Zukunft als Arzt im Ausland. Dabei hoffen sowohl niedergelassene als auch angestellte Ärzte auf bessere Arbeitsbedingungen (32 Prozent), aber eben auch eine finanzielle Verbesserung (28 Prozent) und knapp ein Fünftel auf mehr Unabhängigkeit.

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