In der Weiterbildung geht es unbürokratisch zu

Bei der Facharztweiterbildung hat Deutschland seine Hausaufgaben gemacht. Und bietet Nachwuchsärzten ein durchaus unbürokratisches System. Das zeigt der Vergleich mit anderen EU-Ländern.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
In Deutschland zählen Weiterbildungsassistenten als Arbeitnehmer, anderswo bleiben sie Studenten.

In Deutschland zählen Weiterbildungsassistenten als Arbeitnehmer, anderswo bleiben sie Studenten.

© Jochen Tack / imago

WIESBADEN. Wenn es etwas gibt, das viele deutsche Ärzte an ihrem Beruf stört, dann ist das die überbordende Bürokratie. Bei den Facharztweiterbildungen soll das im Vergleich zu anderen EU-Staaten jedoch anders sein. Davon ist Professor Hendrik van den Bussche vom Institut für Allgemeinmedizin am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf nicht nur überzeugt. Er kann es auch belegen.

Im Rahmen einer Untersuchung hat er jeweils einen Weiterbildungs-Experten aus den anderen EU-Ländern einen Fragebogen ausfüllen lassen. Außerdem habe es ein Treffen der Experten in Hamburg gegeben, berichtete er auf dem Karriereforum "Chances" beim diesjährigen Internistenkongress in Wiesbaden. Das erste wichtige Ergebnis: "Jedes Land macht die Facharztweiterbildung nach seiner Façon."

Das beginnt schon mit der Zuweisung der Weiterbildungsstellen. In Deutschland könnten sich die jungen Mediziner bei der Klinik ihrer Wahl bewerben. Denn sie müssen sich ihre Stellen selbst suchen. In Frankreich, Spanien und auch bestimmten skandinavischen Ländern müssten sie zunächst einen nationalen Multiple-Choice-Test bestehen.

Je nach der erreichten Punktzahl erhielten sie dann verschiedene Angebote - die nicht immer der eigenen Wunschvorstellung in Sachen Tätigkeitsort und Abteilung entsprächen, erklärte van den Bussche. Ebenfalls große Unterschiede zeigten sich in der Frage, wer die Weiterbildung steuert.

In Deutschland sind das die Ärztekammern. Damit liegt die Weiterbildung in Händen von Praktikern. In Belgien und Frankreich - um nur zwei Beispiele zu nennen - zeichneten die medizinischen Fakultäten für die Facharztweiterbildung verantwortlich.

Was auch Auswirkungen auf den Status des Weiterbildungsassistenten habe: Während er in Deutschland als Arbeitnehmer der jeweiligen Klinik -mit den entsprechenden Arbeitnehmerrechten - zähle, bleibe er in Belgien und Frankreich bis zum Ende der Weiterbildung Student, sagte van den Bussche.

Noch schlimmer: Es gebe zum Teil noch einmal eine intensive Abschlussprüfung, in manchen Ländern, etwa Großbritannien, sogar am Ende jedes Ausbildungsjahres eine Jahresprüfung. Van den Bussche: "In Großbritannien hängt der Facharztstatus von jährlichen Evaluationen ab."

In Deutschland werde den Weiterbildungsassistenten zwar auch nichts geschenkt: Sie müssten bestimmte Kataloge erfüllen und viel arbeiten. "Aber sie werden auf der Strecke dahin nicht geprüft." Den Abschluss bilde ein Fachgespräch.

Und: In Sachen Arbeitszeit müsse man nicht denken, dass den jungen Medizinern in anderen Ländern etwas geschenkt werde. "Im angelsächsischen Raum schieben Sie am Anfang schon einmal 80 Stunden Dienst die Woche", sagte er den anwesenden Medizinstudenten.

Außerdem sei bei der Planung zu bedenken, dass es teilweise Stellenrotationen während der Ausbildung gebe, die auch einen Umzug in eine andere Region erforderten. Hier sollten sich die Nachwuchsmediziner frühzeitig überlegen, ob sie das wollen.

Denn auf persönliche Belange wie eine vorhandene Familie werde keine Rücksicht genommen. So gibt es in Großbritannien das Foundation Program. Hier erhalten die Nachwuchsärzte ein Paket mit sechs Stationen, in denen sie jeweils vier Monate arbeiten. In Deutschland - auch das müsse man wissen - bleibe man in der Regel lange in der Klinik, die man sich ausgesucht habe.

Interessant ist aber vor allem eine Feststellung van den Bussches: Es gebe keinerlei Anzeichen und Daten, die belegten, dass es zu nennenswerten Nichteinstiegs- oder Ausstiegstendenzen aus der Weiterbildung komme - weder in Deutschland, noch in den anderen Ländern. Ebenfalls nicht belegt sei, dass etwa ein in Großbritannien ausgebildeter Facharzt besser als ein in Deutschland ausgebildeter Facharzt sei.

Was sich aber deutlich abzeichne: Dass die Medizin zunehmend weiblich wird. Van den Bussche: "Zwei Drittel der Weiterbildungsstellen in allen Ländern werden mittlerweile von Frauen besetzt." Und hier zeichne sich über alle Länder hinweg ein anderer, besorgniserregender Trend ab: Die Medizinerinnen würden die schneidenden Disziplinen weitgehend meiden.

Alles in allem zeigt die Erhebung laut van den Bussche aber auch eines: "Deutschland ist in der Weiterbildung vermutlich das Land mit der größten Liberalität, der geringsten Normierung und dem größten Angebot in der Facharztweiterbildung."

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