Beispiel Großalmerode: Zweigpraxis, die sich lohnt

Über ihre Zweigpraxen können Ärzte Patienten erreichen, die weite Wege scheuen. Ein hessischer Kardiologe und ein Neurochirurg haben gute Erfahrungen gesammelt.

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FRANKFURT/MAIN (ine). Wenn es um Versorgungsengpässe in ländlichen Regionen geht, wird von Politikern gern auf die Möglichkeit der Gründung von Zweigpraxen verwiesen. In der Praxis hat sich das Modell bewährt, wie eine Stichprobe zeigt.

25 Kilometer liegen die Praxen auseinander

Seit November 2009 hat der Kardiologe Dr. Frank Jäger in Großalmerode eine Zweigpraxis. Er führt in Kassel eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Kollegen. Für seine 25 Kilometer entfernte Zweigpraxis auf dem Land nutzt er die Räumlichkeiten des Gesundheitszentrums Gelstertal.

Jäger zahlt für die Räume eine Nutzungsgebühr. Die Zweigpraxis hat sich für ihn gelohnt. "Ich höre fast jede Woche die Aussage, dass Patienten mit Herzerkrankungen erstmals seit Jahren wieder einen Kardiologen aufsuchen", erzählt Jäger. Vielen sei der Weg in die Stadt zu weit und zu kompliziert gewesen und der Zeitaufwand zu hoch.

Sprechstunde ist in Großalmerode immer dienstags von acht bis 12 Uhr. "In dieser Zeit sehe ich ungefähr 16 Patienten", sagt Jäger. Oft müsse er noch Patienten dazwischen schieben. "Hätte ich nicht am Nachmittag Herzkatheteruntersuchungen zu machen, könnte ich durchaus den ganzen Tag in Großalmerode mit voller Sprechstunde verbringen."

Die Erfahrung, dass Patienten äußerst ungern lange Wegstrecken zum nächsten Facharzt in Kauf nehmen, hat auch Dr. Volker Ritzel von der Neurochirurgischen Gemeinschaftspraxis im Zentrum von Offenbach gemacht. 1988 gegründet, war sie damals eine der ersten neurochirurgischen Facharztpraxen in Deutschland.

Derzeit arbeiten dort sechs Neurochirurgen und ein Anästhesist. Direkt neben den Praxisräumen gibt es eine Praxisklinik mit zwei Operationssälen und neun Betten für Übernachtungen.

Seit April 2007 gibt es in Hanau eine Zweigpraxis, direkt neben dem Klinikum. Dort werden alle vollstationären Wirbelsäulen-Op gemacht. "Wir hatten relativ schnell gut zu tun", erzählt Ritzel. Die Zuweiser hätten schnell reagiert. "Wir haben keine große Kampagne gemacht."

Vor allem für ältere Patienten seien kurze Wege ein starkes Argument. Die Zahl der Patienten ist mit der Gründung der Zweigpraxis allerdings nicht gestiegen. Die Fallzahl ist gleich geblieben. Im Schnitt sind es etwa 600 Fälle pro Quartal und Arzt, deutlich weniger also als in einer Hausarztpraxis.

In der etwa zwölf Kilometer von Offenbach entfernten Zweigpraxis gibt es zwei Sprechzimmer, zwei Behandlungskabinen und eine kleine Rezeption. Die Mitarbeiterinnen wechseln sich ab. "Wir versuchen, Prioritäten und Wünsche zu berücksichtigen", sagt er.

Es wurden Parkplätze angemietet, und es gibt Zuschüsse für die Fahrtkosten. Was noch nicht reibungslos klappt, ist die Verwaltung. "Wir haben noch keine komplett EDV-gestützte Praxis", sagt er. Der logistische Aufwand sei hoch, um etwa EKG-Kurven, die schlecht zu faxen sind, von Hanau nach Offenbach zu transportieren. Und auch für die Terminplanung werde noch nach der "optimalen Lösung" gesucht, so Ritzel.

Manchmal kommen einfach keine Patienten

Manchmal machen jedoch auch die Patienten dem Modell Zweigpraxis einen Strich durch die Rechnung. Beispiel Zeppelinheim, ein kleiner Ortsteil von Neu-Isenburg. Dort hatte im vergangenen Jahr ein Allgemeinarzt seine Sprechstunden aufgegeben.

Für Bürgermeister Herbert Hunkel ein Ding der Unmöglichkeit: "Es kann nicht sein, dass für 1500 Einwohner kein Arzt zur Verfügung steht." Er schrieb daraufhin alle Ärzte von Neu-Isenburg an: Drei Internisten waren bereit, dort gemeinsam eine Zweigpraxis zu errichten.

Die KV Hessen genehmigte das Vorhaben. Anfang Oktober wurden alle Bewohner von Zeppelinheim per Wurfsendung über das neue Angebot informiert. Ein halbes Jahr lang boten die Ärzte in den Räumen im Zeppelinheimer Bürgerhaus an drei Tagen Sprechstunden an.

Dann wurde die Zweigpraxis mangels Nachfrage eingestellt. Im Schnitt kam pro Sprechstunde gerade mal ein Patient vorbei. Die Praxismanagerin Elke Blees von der Praxis des Internisten und Kardiologen Dr. Norman Blees vermutet, dass in dem halben Jahr, als es kein Sprechstundenangebot gab, viele Menschen anderweitig orientiert haben.

In Zeppelinheim wohnten viele Berufstätige, die in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zum Arzt gingen. "Das hat sich betriebswirtschaftlich nicht rentiert", so Elke Blees. Patienten aus dem etwa 10 Kilometer entfernten Zeppelinheim würden allerdings auf Wunsch weiterhin betreut. "Unsere Ärzte machen dort Hausbesuche."

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