Apotheker baden Ärzte-Schluderei aus

BtM-Rezepte bereiten Apothekern in NRW derzeit große Sorgen. Der Grund: Eine Retaxierungs-Welle der Duisburger Betriebskrankenkasse Novitas. 60.000 Betäubungsmittelrezepte sind auf dem Prüfstand - weil Ärzte und auch Apotheker geschludert haben sollen.

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BtM-Rezepte: Massenhaft Retaxierung wegen Nachlässigkeiten.

BtM-Rezepte: Massenhaft Retaxierung wegen Nachlässigkeiten.

© Klaro

KÖLN (iss). Mit einer Prüfungs- und Retaxierungs-Aktion bei Betäubungsmittelrezepten sorgt die Duisburger Betriebskrankenkasse Novitas bei Apothekern für Empörung.

Weil sie Nachlässigkeiten bei der Verordnung durch die Ärzte und die Kontrolle durch die Apotheker vermutet, lässt die Kasse derzeit 60.000 Rezepte aus den Jahren 2010 und 2011 überprüfen.

Es gehe um die Arzneimittelsicherheit, sagt der Vorstand der Novitas BKK Reiner Geisler. "Gerade bei potenziell gefährlichen Medikamenten sind unsere Versicherten auf vollständige und richtige Rezepte angewiesen."

Es habe Hinweise auf von Ärzten fehlerhaft ausgestellte Rezepte gegeben, auch der Apothekerverband habe seine Mitglieder entsprechend informiert, sagt Kassensprecher Harald Stollmeier. Dem habe die Novitas BKK nachgehen müssen.

Kasse in manchen Fällen übers Ziel hinausgeschossen

Offensichtlich seien in mehreren Fällen die Vorschriften der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtM-VV) missachtet worden und die Medikamente dennoch abgegeben worden.

"Es geht uns nicht darum, aus einem fehlenden Komma eine große Sache zu machen", betont er. Die Prüfung der Rezepte läuft noch. "Wir gehen davon aus, dass die meisten Apotheker das Problem im Griff haben."

Stollmeier räumt ein, dass die Kasse bei der Retaxierung - also der Kürzung oder Stornierung bereits bezahlter Abrechnungen - zum Teil über das Ziel hinausgeschossen ist.

"In Fällen, in denen unser Vorgehen nicht korrekt war, haben wir das Geld zurücküberwiesen."

Apotheker sauer auf die Kasse

Hans-Joachim Krings-Grimm, Sprecher des Apothekerverbands in Duisburg, hat für die Aktion kein Verständnis. "Das ist völlig überzogen." Sein Verdacht: Die Kasse wolle nur die Kosten senken.

"Immerhin geht es um durchschnittlich 300 Euro pro Rezept." Zwar könne es sein, dass Apotheker nicht korrekt Rücksprache mit dem Arzt gehalten haben. Schließlich berge die BtM-VV viele Stolperfallen. Dabei gehe es aber um Einzelfälle.

Die Versorgung der betroffenen Patienten spiele in der ganzen Sache offenbar überhaupt keine Rolle, ärgert sich Krings-Grimm. "Unser Auftrag, Schmerzpatienten angemessen zu versorgen, ist höher einzuschätzen als die verdammte Bürokratie."

Der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sind bei der Verordnung von Betäubungsmitteln keine nennenswerten Probleme bekannt. "Weder die Novitas BKK noch andere Stellen sind bislang auf uns zugekommen", sagt Vorstandschef Dr. Peter Potthoff.

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