Arztbesuch

Wie verhindern, dass Patienten Termine versäumen?

Die Regierung will Kassenpatienten zu mehr Sprechzeiten verhelfen. Ärzte ärgert, dass viele Termine schon jetzt nicht wahrgenommen werden. Die digitale Technik oder eine Strafgebühr könnten zu mehr Termintreue verhelfen.

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Termin für den Arztbesuch ist vereinbart. Doch erscheint der Patient auch?

Termin für den Arztbesuch ist vereinbart. Doch erscheint der Patient auch?

© Yantra / stock.adobe.com

BERLIN. Schnell einen Termin beim Facharzt zu ergattern, ist für viele GKV-Versicherte nicht ganz leicht. Da kommt es in den Arztpraxen nicht gut an, wenn zum vereinbarten Termin der Patient nicht erscheint – aus Vergesslichkeit oder weil doch etwas dazwischen kam.

Ärzte appellieren denn auch an die „Termintreue“ und mahnen, zumindest zeitig abzusagen. In puncto verlässliche Termine sehen Verbraucherschützer und die Krankenkassen allerdings genauso die Ärzte in der Pflicht und setzen dafür auch auf digitale Technik.

Kritisch sind versäumte Termine vor allem in vielen „Bestellpraxen“. Umso mehr, wenn es um ambulante Operationen oder Untersuchungen geht, für die Geräte und Personal vorbereitet werden.

„Hier entsteht den Praxen ein echter wirtschaftlicher Schaden“, sagt Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bunds.

Auch wer über die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen Termine vermittelt bekomme, und diese dann „schwänze“, handele unsolidarisch, kritisiert der Verband. So nehme man womöglich anderen Patienten einen Termin weg.

Nicht wahrgenommene Termine ein „Problem“

Wie verbreitet es ist, dass Patienten ihre Ärzte versetzen, ist aber nicht ganz klar. „Da wird vieles behauptet, und es werden Vorwürfe gegen Patienten erhoben, aber repräsentative Daten sind zumindest uns nicht bekannt“, heißt es beim GKV-Spitzenverband.

Laut Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), sind unentschuldigt nicht wahrgenommene Termine aber „durchaus ein Problem“.

Erste Angaben der Kassenärztlichen Vereinigungen schwankten von 5 bis fast 20 Prozent. Die niedergelassenen Ärzte berichten bei zentralen Telefonvergaben von 30 Prozent. Bei normalen Terminen kommt Verbandschef Heinrich in seiner HNO-Praxis auf 40 Fälle im Monat.

Unter Ärzten sorgt das für Frust. Der NAV-Virchow-Bund brachte schon befristete Sperren für Terminvergaben per Telefon-Vermittlung ins Spiel und machte sich auch für Ausfallgebühren in Höhe von 40 Euro stark. „Mit dem Signal einer solchen Gebühr setzen wir auf Lernerfolg bei Patienten“, sagt Heinrich.

Kassen: Strafgebühren nicht gerechtfertigt

Die Kassen halten dagegen. Bei den Vereinbarungen über Ärztevergütungen seien auch Zeiten mit nicht erscheinenden Patienten berücksichtigt. Strafgebühren seien also nicht gerechtfertigt und führten eher zu einer Störung des Arzt-Patienten-Verhältnisses, warnt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg.

Und mahnt: „Gerade weil Patienten trotz eines Termins immer wieder eine gefühlte Ewigkeit in Wartezimmern sitzen, sollten sich Ärzte beim Thema Termintreue zuerst an die eigene Nase fassen.“

Der NAV-Virchow-Bund betont, längeres Warten in der Praxis sei nicht immer ein Zeichen für schlechtes Terminmanagement. Denn dringende Fälle müssten immer wieder dazwischengeschoben werden.

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) pocht aber darauf, dass bestellte Patienten ebenso Verlässlichkeit erwarteten. Vieles ließe sich mit besserer Organisation in Praxen und mehr Informationen für die Patienten lösen, sagt Gesundheitsexpertin Petra Fuhrmann.

Digitale Lösungen können helfen

Viele Ärzte setzen schon auf Termin-Erinnerungen zum Beispiel per SMS aufs Handy. Weitere digitale Lösungen dürften sich künftig noch mehr verbreiten.

Termine seien damit überall und jederzeit buchbar, heißt es beim IT-Branchenverband Bitkom. Online-Vergaben seien auch mit Erinnerungen zu verbinden, so dass Patienten Termine seltener vergessen oder zumindest absagen – die könnten dann noch an andere Patienten von einer Warteliste gehen.

Erinnerungen könnten etwa auch extra Hinweise enthalten, nüchtern zu einem Termin zu erscheinen. Mit digitalen Planungsassistenten könnten sich Patienten auch schon frühzeitiger über mögliche Wartezeiten in der Praxis informieren.

Nicht immer bedeutet das Leerlauf

Überhaupt bedeuten ausbleibende Patienten nicht immer gleich totalen Leerlauf. Laut einer KBV-Studie aus dem Jahr 2014 schieben Praxen meist andere Patienten ein oder ziehen jemanden aus dem Wartezimmer vor. Viele notieren es in der Akte, wenn Patienten Termine verpassen. Eher wenige planen von vornherein eine höhere Termindichte ein, um ausgefallene Patienten auszugleichen.

Auch die Verbraucherzentralen sehen es kritisch, wenn Ausfallgebühren gefordert werden. „Wird ein Routinetermin einmal versäumt, führt das üblicherweise nicht zu einem Schaden für die Praxis“, sagt Expertin Fuhrmann. Da könnten der nächste Patient behandelt oder Verwaltung erledigt werden.

Digitales Termin-Management biete Vorteile, müsse aber freiwillig bleiben. „Patienten müssen Termine weiterhin analog am Telefon oder in der Praxis vereinbaren können.“

Mehr Termin-Spielraum soll es künftig geben, der Bundestag will das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) kommende Woche beschließen. Unter anderem sollen niedergelassene Ärzte nach Plänen der Koalition dann mindestens 25 statt 20 Stunden pro Woche für Kassenpatienten anbieten müssen. (dpa)

Lesen Sie dazu auch: "No-Shows" bestrafen: Patienten für versäumte Termine zur Kasse bitten?

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