Staatshilfe für IGeL

Viel Lärm um nichts

Groß war die Aufregung um staatliche geförderte IGeL-Verkaufsseminare für Ärzte. Beim genauen Blick zeigt sich aber: Viel Geld ist nicht geflossen.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Für IGeL gab es nicht viele staatliche Geschenke.

Für IGeL gab es nicht viele staatliche Geschenke.

© Chepko Danil / fotolia.com

ESCHBORN. Das Entsetzen kochte hoch: "Regierung fördert IGeL-Verkaufstraining für Ärzte" schrieben namhafte Medien, für die Opposition waren die Berichte Anlass, einmal mehr die IGeL-Kritik-Masche aufzunehmen. Das Bundeswirtschaftsministerium kündigte darauf hin an, die Förderrichtlinie zu ändern.

Doch welche Fördermittel für IGeL-Seminare tatsächlich geflossen sind, war offenbar weniger interessant. Offenbar nicht sehr viele. Recherchen der "Ärzte Zeitung" beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn, das die Gelder für die Förderprogramme verwaltet, ergaben, dass von den 18.188, mit insgesamt 23,62 Millionen Euro geförderten Beratungen im vergangenen Jahr der Anteil IGeL-bezogener Beratungen mit rund drei Prozent nur gering ist.

Das geht aus einer stichprobenartigen Sonderauswertung des BAFA hervor.

"Unsinniger Populismus"

Pro Beratung fließen maximal 1500 Euro. So ergibt sich für die Förderung von IGeL-Trainings rechnerisch ein Höchstbetrag von weniger als 820.000 Euro. Experten gehen davon aus, dass tatsächlich rund 200.000 Euro geflossen sind.

Die öffentlichen Zahlungen fußen auf den Richtlinien über die Förderung unternehmerischen Know-hows für kleine/mittlere Unternehmen sowie freie Berufe durch Unternehmensberatung und durch Informations- und Schulungsveranstaltungen.

Rechtsanwalt Dr. Ingo Pflugmacher hat sich diese Richtlinien genauer angesehen und kommt zu dem Ergebnis, dass die vom Bundeswirtschaftsministerium angekündigte Änderung gar nicht nötig gewesen wäre.

Von der Förderung seien Veranstaltungen, die dem Verkauf spezieller Produkte und Dienstleistungen dienen, ohnehin bereits ausgeschlossen gewesen, so Pflugmacher. "Die Richtlinie hätte nur genauer angewendet werden müssen", sagt er der "Ärzte Zeitung".

Er weist zudem darauf hin, dass es auf Förderungen nie einen Rechtsanspruch gebe. "Im Subventionsrecht ist der Mittelgeber relativ frei", verdeutlicht Pflugmacher. Die Medienberichte betrachtet er als "unsinnigen Populismus".

"Sturm im Wasserglas"

Ähnlich sieht das Frank Frenzel, Geschäftsführer von Profitraining, der unter anderem IGeL-Seminare für Augenärzte anbietet. Er bezeichnet die Berichterstattung als "stark populistisch".

Von einem "Sturm im Wasserglas" spricht Joachim Deuser, Geschäftsführer der Berliner Beratungsagentur Time pro Med, die viele geförderte Seminare zur Praxisoptimierung für Ärzte anbietet, aber keine IGeL-Seminare.

Er vertritt die Auffassung, dass die Fortbildungs- und Beratungsförderung für kleine und mittlere Unternehmen sehr sinnvoll sei. "Viele Ärzte sagen, dass sie sich eine Schulung ohne die Förderung nicht leisten könnten", so Deuser.

Er warnt daher davor, dass die Kampagne unerwünschte Nebenwirkungen entfalten kann: "Es wäre sehr bedauerlich, wenn andere Bereiche wie Qualitätsmanagement, Arbeitsschutz oder Organisationsoptimierung darunter leiden würden, die Ärzten, Patienten und Mitarbeitern zugute kommen."

Beratungsförderung sei sinnvoll

Auch Dr. Fabian Stehle, Chef des Münchner Beratungs- und Seminaranbieters med2day, betont: "IGeL-Verkaufsseminare sind in keinster Weise etwas, das öffentlich gefördert werden muss, aber prinzipiell ist eine Beratungsförderung sinnvoll."

In Ärztekreisen wird indes die Vermutung geäußert, dass die Kampagne gegen IGeL und die Förderung von Verkaufstrainings keineswegs in der Sache begründet liegt, sondern ihren Ursprung in den Honorarverhandlungen zwischen Ärzten und Krankenkassen hat, die jetzt in die heiße Phase gehen.

Das war etwa bei der Vertreterversammlung der KV Berlin am vergangenen Donnerstag zu vernehmen. Inzwischen zahlen es die Ärzte den Kassen mit gleicher Münze heim.

Stoff dafür liefert der Jahresbericht des Bundesversicherungsamtes. Berlins KV-Vize Dr. Uwe Kraffel unterstellte den Kassen, ihre "Kernkompetenz" sei die "Verschwendung von Versichertengeldern".

Und der Berufsverband der niedergelassenen Chirurgen beklagte "pauschale Diffamierungen" durch Kassen als "Versuche, vom eigenen Fehlverhalten abzulenken".

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Schwarzer Peter im Sommerloch

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