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Kassen watschen weitere IGeL ab

Der Medizinische Dienst des GKV-Spitzenverbandes hat sechs weitere IGeL-Angebote unter die Lupe genommen: Wie erwartet, fällt der Zuspruch verhalten aus.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
IGeL bleiben für Ärzte eine stachelige Angelegenheit. Wer hinter ihrem Nutzen steht, kann weiterhin guten Gewissens Geld damit verdienen.

IGeL bleiben für Ärzte eine stachelige Angelegenheit. Wer hinter ihrem Nutzen steht, kann weiterhin guten Gewissens Geld damit verdienen.

© April cat/fotolia.com

NEU-ISENBURG. Vor gut einem Jahr ist die Bewertungsplattform IGeL-Monitor (www.igel-monitor.de) des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) gestartet.

Zu den bisher 24 aus Kassensicht bewerteten Selbstzahlerangeboten sind binnen Jahresfrist sechs hinzugekommen.

Ärzte sollte auch eine negative Bewertung einer IGeL nicht davon abhalten, sie aktiv Patienten anzubieten, wenn sie selbst vom Nutzen der Leistung überzeugt sind. Die Bewertungen im Einzelnen:

Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung: "Unklar" (Kosten: 35 bis 75 Euro)

Die Brustsonografie wird ergänzend zur Mammografie oder Palpation der Brust angewendet, wenn bei Verdacht auf einen Tumor kein sicherer Befund vorliegt. Darauf bezieht sich die Bewertung des IGeL-Monitors nicht.

Bewertet wird lediglich die Brustsonografie als eigenständige Früherkennungsuntersuchung - ohne Berücksichtigung der Brustgewebedichte - sowie auf Frauen, die sie zusätzlich zum üblichen Screening nutzen wollen oder außerhalb der Altersspanne für das Mammografie-Screening liegen.

Demnach ist der Wert der Brustsonografie zur Krebsfrüherkennung unklar. Denn einerseits gebe es keine Hinweise darauf, ob dies Todesfälle verhindere.

Andererseits könnten bei dichtem Brustgewebe mit modernen Sonografie-Geräten tatsächlich zusätzliche Krebsherde gefunden werden. Dies erhöhe allerdings auch die Gefahr für Fehlalarme und unnötige Behandlungen.

M2-PK Stuhltest zur Darmkrebsfrüherkennung. "Unklar" (Kosten: 30 bis 40 Euro)

Darmkrebs, im Frühstadium entdeckt, ist meist heilbar. Mit Tests auf Blut im Stuhl und der Koloskopie werden jedoch nicht ausreichend Darmkrebspatienten im Frühstadium erfasst.

Mit dem M2-PK Stuhltest wird die Konzentration des Enzyms Pyruvatkinase im Stuhl gemessen, das unter anderem von Krebszellen vermehrt gebildet wird. Erhöhte Werte würden auf Darmkrebs oder auf Krebsvorstufen hindeuten.

Der Wert des Tests ist nach Auffassung des MDS unklar, weil es keine Studien gebe, in denen eine reduzierte Zahl von Darmkrebs-Toten ermittelt worden sei. Die Testgüte sei unzureichend belegt.

Insgesamt gebe es weder Hinweise auf einen Nutzen noch auf einen Schaden im Vergleich zum üblichen Test auf okkultes Blut im Stuhl. Studien, die als Belege ins Feld geführt werden, hielten einer kritischen Analyse nicht Stand.

Professionelle Zahnreinigung: "Unklar" (Kosten: 30 bis 120 Euro)

Bis zu vier Mal pro Jahr, empfehlen Zahnärzte, sollte eine professionelle Zahnreinigung (PZR) vorgenommen werden, um Karies und Parodontitis vorzubeugen. Die jährliche Entfernung von Zahnstein sehen viele Zahnärzte als unzureichend an. Die PZR mit Politur und Fluoridierung gehört daher zu den am häufigsten genutzten IGeL.

Die MDS-Gutachter verweisen darauf, dass keine Leitlinie diese Maßnahme empfehle und es keine Beweise dafür gebe, dass die Zähne vergleichsweise länger erhalten blieben oder ein anderer zusätzlicher Nutzen vorhanden sei.

Zwei von drei ausgewerteten Studien wiesen gravierende methodische Mängel auf, die übrig gebliebene Studie ergab, dass bereits die jährliche Anleitung zur richtigen Zahnpflege ohne professionelle Zahnreinigung zu weniger Zahnfleischentzündungen führt. Fazit: Der Nutzen ist unklar.

Hyperbare Sauerstofftherapie bei Hörsturz: "tendenziell negativ" (Kosten: 200 bis 250 Euro pro Sitzung)

Die Ursachen des Hörsturzes sind nach wie vor unbekannt. Dementsprechend basieren Therapieversuche auf mehr oder weniger gut begründeten Vermutungen über das pathophysiologische Geschehen.

Das Einatmen reinen Sauerstoffs unter hohem Druck erfolgt unter der Vorstellung eines lokalen Sauerstoffmangels im Innenohr oder der Ansicht, dass eine höhere Dosis Sauerstoff, als in der Luft vorhanden, günstig sei.

Der MDS bemängelt die Qualität der ausgewerteten neun Studien. Anzeichen für einen Nutzen fand er nicht. Hingegen gab es Hinweise auf geringe Schäden, etwa wegen der Strahlenbelastung bei der zuvor erforderlichen Röntgenaufnahme der Lunge, wegen einzelner Berichte über Trommelfellschäden, vorübergehender Verschlechterung der Sehschärfe und Klaustrophobie. Angesichts der Gesamtkosten von über 2000 Euro erscheint das als eher ungünstige Nutzen-Schaden-Relation.

Laser-Behandlung von Krampfadern: "tendenziell positiv" (Kosten: 1000 bis 2000 Euro)

Das zu Verödung von Varizen verwendete Laserlicht sorgt für Hitze, sodass die entsprechende Vene von innen verkocht und damit verschlossen wird. Als Standardtherapie gilt die Op. Deshalb muss sich die Lasertherapie an deren Ergebnissen messen lassen.

Nach Ansicht des MDS sprechen die Studienergebnisse dafür, dass sich mit der Op und mit Laserlicht Krampfadern gleich gründlich und gleich dauerhaft beseitigen lassen.

Leichte Vorteile habe die Lasertherapie in puncto Nebenwirkungen: Blutungen und Schwellungen sind seltener, der Schmerzmittelverbrauch geringer. Andererseits könne das Laserlicht zu Hautverbrennungen und Verhärtungen führen.

Insgesamt gebe es zwar keine Belege, aber immerhin Hinweise darauf, dass die Lasertherapie weniger Schäden verursache als die Op.

Hochtontherapie: "unklar" (Kosten: 10 bis 22 Euro/Sitzung)

Bei der Hochtontherapie werden Patienten mit Arthrose, Tennisarm, offenen Wunden, Erschöpfung, Kopfschmerzen, diabetischer Polyneuropathie und anderen Leiden mit hochfrequenten elektrischen Impulsen behandelt.

Diese werden über Elektroden appliziert. Die vermuteten Wirkmechanismen beschreibt der MDS als "spekulativ".

Zum Nutzen heißt es: "Von all den behaupteten Einsatzgebieten sind lediglich die Durchblutungsstörung (periphere arterielle Verschlusskrankheit) sowie die diabetische Polyneuropathie in wissenschaftlichen Studien, die formale Minimalstandards einhalten, untersucht."

Diese Untersuchungen hätten den Charakter von Pilotstudien, belastbare Aussagen ließen sich nicht ableiten. Daher sehen die Gutachter noch nicht einmal Hinweise auf einen Nutzen. Schadwirkungen seien allerdings ebenfalls keine zu erwarten.

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