Schutz vor Nadelstichen

Altenpflege hinkt hinterher

Information gut, Umsetzung nicht einmal ausreichend - so lässt sich der gelebte Schutz vor Nadelstichverletzungen in der Altenpflege zusammenfassen. Dabei könnten gerade Hausärzte das Pflegepersonal beim Arbeitsschutz noch mehr unterstützen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Schutz vor Nadelstichen ist wichtig.

Schutz vor Nadelstichen ist wichtig.

© Max Tactic / fotolia.com

BERLIN. In über 70 Prozent der Altenpflegeeinrichtungen ereignen sich nach wie vor Nadelstichverletzungen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der "Initiative Safety First!" unter 336 Beschäftigten in der Altenpflege, die am Freitag auf dem Kongress Pflege 2015 von Springer Medizin erstmals vorgestellt wurde.

Dabei erlitten knapp 60 Prozent der Befragten schon einmal selbst eine Nadelstichverletzung - sie verletzten sich im Schnitt dreimal in ihrem bisherigen Berufsleben.

Das Problem liegt jedoch nicht im fehlenden Wissen um sichere Arbeitsmethoden und Arbeitsmittel. Denn immerhin 94 Prozent der Umfrageteilnehmer geben an, über Nadelstichverletzungen und deren Folgen informiert zu sein.

Mehr als drei Viertel kennen auch entsprechende verletzungssichere Instrumente. Rund 63 Prozent der Befragten wurden zudem seitens ihres Arbeitgebers zur Problematik von Nadelstichverletzungen und der sicheren Behandlung von Pflegekunden geschult.

72 Prozent haben sich zu dem Thema mit Kollegen ausgetauscht.

Fast ein Drittel praktiziert Recapping

Es gibt jedoch nach wie vor Mängel in der Umsetzung. Trotz des vergleichsweise hohen Informationsstands praktizierten, wie die Umfrage zeigt, 30 Prozent der Befragten weiterhin das sogenannte "Recapping" - also das Wiederaufsetzen der Schutzkappe nach Gebrauch der Injektionsnadel, mahnt "Safety First!".

Rund 23 Prozent der Befragten nutzen außerdem bei der Betreuung von Diabetes-Patienten die Insulin-Pen-Nadeln mehrfach.

Dabei müsste auch in Pflegeeinrichtungen längst das höhere Schutzniveau durch die TRBA 250 greifen, so "Safety First!".

Die Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege - kurz TRBA 250 - ist das für Arztpraxen aber eben auch für Pflegeeinrichtungen maßgebliche Dokument, wenn es um den Schutz vor Nadelstichverletzungen geht.

Seit April 2014 ist eine überarbeitete Version in Kraft (wir berichteten), die vorschreibt, dass

vorrangig solche Arbeitsverfahren und Arbeitsmittel auszuwählen sind, die den Einsatz spitzer und scharfer medizinischer Instrumente überflüssig machen.

Ist dies in einzelnen Arbeitsbereichen nicht möglich, sind Arbeitsgeräte mit Sicherheitsmechanismen zu verwenden, bei denen keine oder eine geringere Gefahr von Stich- und Schnittverletzungen besteht.

Die Umfrage belege jedoch, dass die von der TRBA 250 vorgeschriebenen Verhaltensregeln in der Pflegepraxis noch nicht hinreichend verankert seien, lautet das Fazit von "Safety First!".

Die Initiative fordert daher, dass die Inhalte der TRBA 250 fester Bestandteil der Pflegeausbildung sein sollten.

Hausarzt kann Einfluss nehmen

Aber auch die Hausärzte seien mehr gefragt. Wie die Umfrage zeigt, können zwei Drittel der Pflegekräfte die eingesetzten Arbeitsmittel nicht selbst wählen. Beispielsweise werden in rund 70 Prozent der Fälle die Instrumente und Hilfsmittel zur Behandlung von Diabetespatienten durch den Hausarzt des Patienten verschrieben.

Bei lediglich einem knappen Drittel der Befragten kann der Arbeitgeber Einfluss auf die Art der Instrumente nehmen.

Hier brauche es daher die Unterstützung der Hausärzte: "Um ein sicheres Arbeitsumfeld in Pflegeeinrichtungen zu gewährleisten, muss bei der Verordnung von Hilfsmitteln neben medizinischen Aspekten auch der Arbeitsschutz der Pflegenden stärker berücksichtigt werden", heißt es in den Umfrageergebnissen.

Die Initiative mutmaßt hier, dass viele Ärzte aus Angst vor Regressforderungen in der Regel nichtsichere Instrumente verordnen würden.

Beim Thema Entsorgung sind die Pflegeeinrichtungen hingegen schon besser aufgestellt: Die große Mehrheit der Befragten (88 Prozent) nutzt durchstichsichere geschlossene Behälter zum Entsorgen benutzter Instrumente.

Nur bei 3,68 Prozent landen die Instrumente im Papierkorb des jeweiligen Bewohners bzw. zu Pflegenden.

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