Interview

„Praxen auf dem Land sind oft lukrativer als in der Stadt“

Stadtpraxen sind gefragt, Landpraxen stehen immer öfter leer. Im Interview beleuchtet Stefan Seyler, Filialleiter der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in München, Ursachen für dieses Gefälle.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Herr Seyler, Sie betreuen viele Praxisgründungen. Wie lange dauert es in München, bis ein Arzt eine Praxis bekommt?

Stefan Seyler: Etwa eineinhalb bis zwei Jahre.

Und wie viel Geld bezahlen dann der/die oder die Übernehmer/innen für die Praxis?

„ Die Work-Life-Balance ist für Ärzte häufig wichtiger als die Ökonomie“, so Stefan Seyler, Filialleiter der apoBank in München.

„ Die Work-Life-Balance ist für Ärzte häufig wichtiger als die Ökonomie“, so Stefan Seyler, Filialleiter der apoBank in München.

© apoBank

Stefan Seyler: Das ist ganz unterschiedlich. In den häufigsten Fällen übernehmen Ärzte Praxisanteile, selten eine ganze Praxis. Bei Fachärzten ist das teurer als im hausärztlichen Bereich. Das betrifft etwa Orthopäden, Nephrologen, die Kardiologie oder Radiologie. In München sind die Preise für solche Beteiligungen im mittleren sechsstelligen Bereich. Die häufigsten Beträge, die wir finanzieren, sind zwischen 300.000 und 700.000 Euro.

Wie lang ist denn in der Regel die Laufzeit der Kredite?

Stefan Seyler: In den meisten Fällen zwischen zwölf und fünfzehn Jahren. Für den Arzt macht es aber aus steuerlichen Gründen häufig Sinn, dass er diese Praxisdarlehen länger laufen lässt und private Darlehen früher zurückzahlt. Wir haben Finanzierungen dabei, die bis zu 25 Jahre gelaufen sind.

Fragen eher junge Ärzte für Existenzgründungen an, oder ältere?

Stefan Seyler: Mehr junge, meist sind sie in den mittleren bis späten Dreißigern.

Auf dem Land wird Arztmangel beklagt. Nehmen Sie das so wahr?

Stefan Seyler: Wir nehmen sehr stark wahr, dass es eine Problematik gibt. Das liegt aber nicht an den Praxen, die laufen ökonomisch gesehen gut. Es liegt an der Lebenssituation, dass Ärzte sagen, sie wollen nicht auf dem Land leben. Sie wollen lieber in die Stadt. Grundsätzlich kann man sagen, dass Ärzte sich gern in Ballungszentren niederlassen. Die Work-Life-Balance ist für sie dabei wichtiger als die Ökonomie. München hat da eine herausragende Stellung, aber wir merken das schon grundsätzlich.

Hat sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren etwas geändert?

Stefan Seyler: Da hat sich viel geändert. Das liegt auch an den Gestaltungsmöglichkeiten. Seit 2007 ist nun das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz in Kraft. Dadurch kam das Thema MVZ auf. Aber das Gesetz hat auch dazu geführt, dass Praxen filialisieren und Ärzte anstellen können. Es gibt beispielsweise kaum noch einen Radiologen, der allein praktiziert. Wir haben statt dessen Verbünde oder andere große Konstellationen.

Was für Ärzte sind es, die sich für eine Niederlassung auf dem Land entscheiden?

Stefan Seyler: Das ist einmal idealistisch, dass die Ärzte sagen, sie wollen raus aufs Land, sie können sich ihren Lebensmittelpunkt dort vorstellen. Sie müssen sich dort ganz anders integrieren, müssen Präsenz zeigen, und sich in Vereinen oder Parteien engagieren. Bei vielen gibt es einen regionalen Bezug, sie kommen selbst vom Land.

Was bezahlen diese Ärzte für eine Landpraxis?

Stefan Seyler: Absolut gesehen ist eine Praxis auf dem Land oft lukrativer als in der Stadt. Der Kaufpreis ist niedriger, da würde ich 20 bis 30 Prozent weniger ansetzen. Gleichzeitig entspricht aber das Einkommensniveau dem der Stadt.

Nehmen Sie den Trend zur Kooperation und zu größeren Praxiseinheiten auf dem Land genauso wahr wie in der Stadt?

Stefan Seyler: Nicht ganz so. In der Stadt geht es dabei oft um Modernität und Gestaltungsmöglichkeiten. Auf dem Land geht es mehr um Notwendigkeiten. Die Ärzte dort versuchen, die Versorgung ambulant und stationär sicherzustellen, arbeiten über Netze.

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