Neue Offenheit: Immer mehr Ärzte geben Fehler zu und entscheiden sich für QM

Qualitätsmanagement (QM) ist zur Routine in deutschen Arztpraxen geworden. Das zeigt die aktuelle QM-Studie der Stiftung Gesundheit. Ob QM allerdings auch die Patientensicherheit erhöht, ist unter den Praxisinhabern strittig.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Neue Offenheit: Immer mehr Ärzte geben Fehler zu und entscheiden sich für QM

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"Früher nannte man das Kontrolle, heute QM." Kommentare dieser Art gab es bei jeder Umfrage zum QM. Sie fehlten auch bei der dritten Studie zum Thema "Qualitätsmanagement in der ärztlichen Praxis" der Stiftung Gesundheit nicht. Kritiker gibt es weiterhin. Doch die Studie zeigt, dass Ärzte zunehmend routinierter mit dem Thema umgehen. "Wenn Sie jetzt erst darangehen, haben Sie schon alles verschlafen", beschrieb ein Arzt die längst eingesetzte Entwicklung, QM in den Praxen umzusetzen. Andere äußerten sich fast euphorisch. "Nie mehr ohne QM" oder "QM ist zu unserer Praxisphilosophie geworden", kommentierten Teilnehmer ihre Haltung.

83 Prozent der Ärzte haben sich schon entschieden

Wie selbstverständlich Arztpraxen heute mit QM arbeiten, zeigen die Zahlen aus der Studie: Über 83 Prozent der niedergelassenen Humanmediziner hat sich bereits für ein QM-System entschieden. Zwar muss jede Praxis bis Ende des Jahres nachweisen, dass sie ihr praxisinternes QM umgesetzt hat, doch KVen haben nur Stichprobenkontrollen angekündigt, Sanktionen sind nicht vorgesehen. Trotzdem beschäftigen sich immer mehr Praxen mit dem Thema. Marktführer bei den QM-Systemen ist noch DIN EN ISO 9000, das vorwiegend bei größeren Praxen zum Einsatz kommt. 28,5 Prozent der Praxen nutzen dieses QM-System. Das von KVen mitentwickelte QEP dehnt seinen Marktanteil weiter aus, inzwischen arbeiten 25,7 Prozent damit.

QEP wird vor allem von kleinen Praxen genutzt

Besonders kleine Praxen nutzen QEP. Der Grund: QEP wurde speziell für die ärztliche Praxis konzipiert und ist günstiger als DIN EN ISO. Besonders hoch ist der Anteil der Psychotherapeuten, die mit QEP arbeiten (54,7 Prozent).

Alle anderen Systeme haben laut Studie deutlich geringere Marktanteile. Insgesamt gibt es rund 40 unterschiedliche Systeme, mit denen in den Praxen gearbeitet wird. Bei der Wahl für ein QM-System geben nach wie vor die Eignung für die jeweilige Praxis und der Preis den Ausschlag.

16 Prozent glauben, dass die Sicherheit unter QM leidet.

Die aktuelle Studie befragte die Teilnehmer auch nach kritischen Ereignissen. Für die Studienautoren überraschend beantworteten 935 der 985 Teilnehmer auch die Fragen zu den Fehlern. Stiftungsvorstand Dr. Peter Müller: "Dass nahezu alle Ärzte bereit sind, über das ehemalige Tabu zu sprechen, zeigt mir, dass eine neue, bessere Fehlerkultur heranwächst." Laut Studie stellen 26 Prozent der Praxen nie kritische Ereignisse fest, 41 Prozent nur einmal im Jahr. 24 Prozent gaben an, Fehler einmal im Monat festzustellen.

Nur ein geringer Anteil stellt einmal pro Woche (sieben Prozent) oder täglich (zwei Prozent) Fehler in der Praxis fest. Fehler, die zu einem Patientenschaden führen, hat ein Drittel der Praxen noch nie festgestellt, 36 Prozent einmal im Jahr und 23 Prozent einmal im Monat. Dabei gibt es natürlich Unterschiede zwischen den Fachgruppen. So geben acht Prozent der teilnehmenden Hausärzte an, einmal pro Woche ein kritisches Ereignis festzustellen. Bei den psychiatrisch-psychotherapeutischen Fächern sind es zwei Prozent.

Nicht einig sind sich Ärzte bei der Frage, ob und wie sich QM auf die Fehlerhäufigkeit und Patientensicherheit auswirkt. 42 Prozent sehen keine oder nur eine geringfügige Wirkung, ebenfalls 42 Prozent dagegen einen spürbaren positiven Effekt. 16 Prozent glauben, dass QM sich negativ auf die Patientensicherheit auswirkt, weil es angeblich die Zeit für die Patientenbetreuung verringert und verkompliziert und Arbeitsabläufe bürokratisiert.

Weitere Ergebnisse der Studie zum Thema QM:

  • Mitarbeiter: QM ist nur in wenigen Praxen allein Chefsache. Zweidrittel der Praxisinhaber binden die Mitarbeiter kontinuierlich ein, ein Fünftel klärt sie schon vor der Etablierung des Systems auf. In 6,7 Prozent der Praxen wissen die Mitarbeiter mehr über QM als der Chef.
  • Dienstleister: Berater, die die Praxen bei der QM-Einführung unterstützen, finden Ärzte am häufigsten auf Fortbildungsveranstaltungen (33 Prozent). Auch Empfehlungen von Kollegen (30 Prozent) spielen eine große Rolle. Nach Empfehlungen der ärztlichen Körperschaften haben sich ca. 13 Prozent entschieden. Zweidrittel der Befragten waren mit den Dienstleistern so zufrieden, dass sie ihnen die Note eins oder zwei gaben.
  • Zertifizierungen: Die fakultative Zertifizierung wählt weiterhin nur eine Minderheit. Wenn ein Gutachter ausgewählt wird, geschieht dies meist auf Empfehlung von Kollegen (32 Prozent), nach Informationen auf Fortbildungen (27 Prozent) und auf Empfehlung der ärztlichen Körperschaften (19 Prozent). Bei der Zufriedenheit mit den Prüfern zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Dienstleistern. In beiden Fällen erhielten weniger als 15 Prozent die Noten ausreichend oder schlechter.

www.stiftung-gesundheit.de/forschung/studien.htm

Die QM-Studie

Die Hamburger Stiftung Gesundheit hat zum dritten Mal über die Gesellschaft für Gesundheitsmarktanalyse Praxisinhaber zu ihrer Einstellung zum Qualitätsmanagement befragen lassen. Von insgesamt 17500 angeschriebenen Ärzten, Zahnärzten und psychologischen Psychotherapeuten, die repräsentativ ausgewählt wurden, lieferten 985 aussagekräftige Antworten (5,6 Prozent). Nach Angaben der Stiftung Gesundheit ist das die bislang höchste Antwortquote.

Niedergelassene aus Ostdeutschland antworteten auffallend seltener. (di)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ärzte kontern mit Transparenz

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