Erkrankt ein Angehöriger, muss die Praxis schließen

Muss die Arbeit wegen Ansteckungsgefahr ruhen, zahlt das Land Entschädigung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

Der Sohn eines westfälischen Arztes hat sich auf Mallorca mit dem H1N1-Virus infiziert. Neben der Sorge um die Gesundheit des Filius kommt auf den Arzt ein weiteres Problem zu: Als Kontaktperson muss er seine Praxis für mindestens eine Woche schließen. Zum Glück kann der Arzt die finanziellen Folgen dieser erzwungenen Pause abfedern. Nach dem Infektionsschutzgesetz hat er Anspruch auf eine Entschädigung für den erlittenen Verdienstausfall.

Es ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, über welche Behörde die Entschädigungen laufen. In Nordrhein-Westfalen sind es die Landschaftsverbände, in Niedersachsen die Verwaltungen der Landkreise und kreisfreien Städte, in Thüringen das Landesverwaltungsamt.

Der westfälische Arzt hat seinen Antrag beim Versorgungsamt des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) gestellt. "Uns liegen bislang 25 Anträge vor und ebenso viele Anfragen", sagt der LWL-Sprecher Martin Holzhause. An den LWL haben sich vor allem Ärzte und Mitarbeiter der Pflege gewandt, aber auch ein Blumenhändler aus einer Klinik hat einen Antrag gestellt, berichtet er.

Beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) sind 46 Anträge eingegangen. "Eine Entschädigung kann es nur geben, wenn das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen hat", so Sprecherin Martina Krause. Zudem müssen die Betroffenen den Ausfall belegen. Der LVR geht davon aus, dass die meisten Angestellten ihr Gehalt weiter vom Arbeitgeber erhalten. Nach Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches hätten Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie ohne Verschulden an der Arbeitstätigkeit gehindert werden. "Es gibt aber Einzel- oder Tarifverträge, die diese Regelung aufheben", so Krause. Erst dann liegt ein Verdienstausfall vor.

Angstellte erhalten in jedem Fall das Gehalt weiter über den Arbeitgeber. Er kann es sich auf Antrag innerhalb einer Frist von drei Monaten erstatten lassen. Nach Auskunft des Marburger Bundes gibt es eine Aufhebung der Entgeltfortzahlung in den Tarifverträgen für Ärzte nicht. Gleiches gilt für die Medizinischen Fachangestellten (MFA), sagt die Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe Sabine Ridde. "Bislang liegen uns noch keine Anfragen von MFA vor, die ein Arbeitsverbot erhalten haben", sagt sie. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat sich mit dem Thema noch gar nicht befasst, welche Folgen ein Beschäftigungsverbot bei Ärzten und Pflegepersonal für die betroffenen Kliniken haben könnte.

Empfehlungen zum Kontaktmanagement für den öffentlichen Gesundheitsdienst, die das Robert Koch-Institut und die Landesgesundheitsministerien erarbeitet haben, regeln, für welche Personengruppen Isoliermaßnahmen und Beschäftigungsverbote ausgesprochen werden sollen. Die Entscheidung im Einzelfall liegt bei den zuständigen Gesundheitsbehörden, so Kirsten Bradt vom Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen. "Das Gesundheitsamt vor Ort muss Isoliermaßnahmen und Beschäftigungsverbote aussprechen."

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So steht es im Gesetz

Paragraf 56 Infektionsschutzgesetz:(1) Wer aufgrund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können.

(4) Selbstständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach Absatz 1 ruht, erhalten neben der Entschädigung auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit laufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.

Lesen Sie dazu auch: Ohne Attest vom Amtsarzt gibt's keine Entschädigung

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