Neue Ideen gegen Ärztemangel im Norden

Viel stärker als andere Regionen wird Nordfriesland vom Ärztemangel bedroht. Eine Reihe von Maßnahmen soll helfen, einen Aderlass zu vermeiden.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

HUSUM. "Wo keine Ärzte sind, wird die Bevölkerung sich verabschieden." Wenn seine eigene Prognose stimmt, kann sich Landrat Dieter Harrsen schon mal auf eine Landflucht seiner Mitmenschen einstellen.

Denn nach neuesten Zahlen ist im äußersten Nordwesten der Republik trotz einer aktuell noch zufrieden stellenden Arztzahl schon in wenigen Jahren mit einem deutlichen Mangel zu rechnen. Je nach Rentenalter der jetzt noch 218 niedergelassenen Haus- und Fachärzte auf dem Festland und den nordfriesischen Inseln muss fast die Hälfte von ihnen innerhalb weniger Jahre ersetzt werden. Das Problem der Nordfriesen: Bevölkerung und Ärzte sind im Durchschnitt ein paar Jahre älter als in anderen Regionen. Das heißt im Umkehrschluss: Die Bevölkerung benötigt eine intensivere Versorgung, zugleich ist das Ende der Berufstätigkeit vieler Ärzte aber schneller erreicht - ohne dass bislang große Hoffnung auf Ersatz besteht.

Hausarzt Dr. Thomas Maurer (rechts) warb in Husum für das Modell ortsübergreifender Gemeinschaftspraxen. © di

Hausarzt Dr. Thomas Maurer (rechts) warb in Husum für das Modell ortsübergreifender Gemeinschaftspraxen. © di

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Das Thema brennt Politikern und Ärzten unter den Nägeln

Damit diese Entwicklung verhindert wird, hat der Kreis neben einer Bestandsaufnahme auch Vorschläge für eine "zukunftssichere integrierende medizinische Versorgung" erarbeiten lassen. Wie sehr das Thema unter den Nägeln brennt, zeigte der hohe Andrang von Ärzten und Politikern bei der Präsentation der Vorschläge in der Husumer Kreisverwaltung.

Das Ernüchternde für die Ärzte: Auch in Nordfriesland wird das Rad nicht neu erfunden. Die Vorschläge sind eine Ansammlung bekannter Einzelmaßnahmen, wie sie schon in vielen anderen Regionen erprobt werden.

Um die Niederlassungsbereitschaft zu erhöhen, kann die KV zinsvergünstigte Kredite oder zinslose Darlehen gewähren. Die bestehenden Umsatzgarantien (zwei Drittel des durchschnittlichen Fachgruppenumsatzes) im Norden hält Harrsen für nicht ausreichend. Auch die Zahlung von Mietzuschüssen für die Praxen ist möglich.

Angedacht ist darüber hinaus für die Region, dass Kommunen oder Kreise neue Ärzte bei der Anschaffung eines Praxis-Pkw unterstützen und ihnen schon zur Niederlassung zusichern, dass sie den Praxissitz bei Erreichen des Rentenalters aufkaufen, wenn kein Nachfolger gefunden wird. Weitere Maßnahmen:

  • Betreuung der Ärzte etwa mit Abrechnungshilfen oder mit Call-Centern, die sie bei administrativen Tätigkeiten entlasten
  • Einrichtung einer Datenbank mit Informationen über bevorstehende Praxisabgaben und Übernahmeangebote
  • Unterstützung bei der Suche nach Wohnraum, Krippenplätzen, Schulen und Arbeitsstellen für den Partner.

Kommunen und Kreis sehen sich aber nicht allein in der Pflicht. Die KV könnte nach ihrer Ansicht mehr tun, etwa mit Niederlassungsseminaren speziell für den ländlichen Raum oder mit einem Marketing für den Landarztberuf im Norden an den deutschen Universitäten.

Können ortsübergreifende Praxen die Lösung sein?

Eine weitere in Husum vorgestellte Idee forciert Hausarzt Dr. Thomas Maurer aus Leck als Projektpate: den Aufbau ortsübergreifender Gemeinschaftspraxen. Durch den Zusammenschluss sollen Synergieeffekte erzielt werden, von denen die beteiligten Ärzte profitieren. Das Personal könnte abwechselnd an den Standorten eingesetzt werden, den Ärzten bleibt im Idealfall mehr Zeit für die Patientenbehandlung. Als erfolgreiches Vorbild wurde in Husum das auch in der "Ärzte Zeitung" vorgestellte Modell von MedBaltic genannt, bei dem neun niedergelassene Ärzte aus dem Raum Neumünster und Kiel an mehreren Standorten im Land arbeiten.

Von solchen Modellen erhofft man sich in Nordfriesland eine bessere Verfügbarkeit der ärztlichen Leistung (durch kürzere Wege und Wartezeiten) und zugleich mehr Flexibilität der Praxen. Damit sich Ärzte für eine Teilnahme interessieren, regt die Projektgruppe Informationsabende und KV-Beratungen an.

Andere Vorschläge zielen auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Kliniken und Praxen, den Einsatz von Telemedizin, Fortbildungen in der Geriatrie, Erleichterungen in der Weiterbildung zur Allgemeinmedizin und auf eine bessere Akzeptanz des von der Ärztekammer initiierten Helver-Modells ab. Bei diesem Modell werden Praxismitarbeiterinnen für eine Unterstützung der Ärzte bei Hausbesuchen geschult.

Um den Bürokratie zu verringern, ist nach Auffassung der Initiatoren wie für die anderen neun Vorschläge eine Projektgruppe erforderlich. An dieser Aufgabe will sich bislang niemand versuchen - es blieb der einzige Vorschlag ohne Projektpate.

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