Schweriner erleben den "Krautheim-Effekt"

Der Dermatologe Dr. Hubert Krautheim wechselte von den Weinhängen im Westen nach Mecklenburg-Vorpommern. Von den Kollegen wurde er herzlich empfangen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Der Dermatologe Dr. Hubert Krautheim sorgt in Schwerin für Wirbel.

Der Dermatologe Dr. Hubert Krautheim sorgt in Schwerin für Wirbel.

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SCHWERIN. Goldene Lettern auf braunem Untergrund sind auf einem Praxisschild ungewöhnlich. Irgendwie wirkt das Schild von Dr. Hubert Krautheim wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Tatsächlich stammt es aus dem Jahr 1986. Damals schraubte der junge Dermatologe das Schild an seine erste Praxis in Worms an.

Das Schild hat Krautheim durch seine berufliche Karriere begleitet. Heute hängt es in Schwerin neben der Praxistür, die alten Öffnungszeiten sind mit Klebeband verdeckt. Dass Krautheim dort praktizieren würde, stand bis vor einem Jahr nicht in seiner Lebensplanung. Bis dato hatte er nicht einmal einen Fuß auf den Boden Mecklenburg-Vorpommerns gesetzt.

Heute ist er vollauf zufrieden mit seinem Entschluss und erwartet, dass er bis zu seinem Ruhestand in Schwerin bleiben wird. Denn dort wird seine Praxis dringend benötigt. Wie dringend, das zeigt der Andrang, den seine Mitarbeiterinnen manchmal eine halbe Stunde vor Öffnung der Praxis im Flur erleben. Es kommt vor, dass 20 bis 30 Patienten vor der Tür warten. Das neue Angebot zeigt Wirkung -seine hautärztlichen Kollegen in der Stadt sprechen bereits vom "Krautheim-Effekt". Der hat bewirkt, dass ihre Praxen nicht mehr ganz so überlaufen sind wie zuvor.

Der erfahrene Dermatologe hat es geschafft, die Situation in Schwerin etwas zu entspannen. Er startete im vierten Quartal 2009. Obwohl die Telefonanlage die ersten 14 Tage nicht funktionierte, behandelte er 1600 Patienten. Im ersten Quartal 2010 waren es dann 1900.

"Ich kann gut lenken und organisieren", sagt Krautheim. Mit zwei Mitarbeiterinnen bewältigt er den Ansturm. Jeden Vormittag, inklusive Samstag, hat er die Praxis in der Innenstadt geöffnet. Hinzu kommen drei Nachmittagssprechstunden. Dabei achten seine Helferinnen streng auf eine Trennung von Termin- und offener Sprechstunde. So gelingt es, die Arbeitszeit nicht ausufern zu lassen und zugleich viele Patientenwünsche zu befriedigen. Die hohe Arbeitsbelastung macht dem 60-Jährigen anscheinend wenig aus: "Man muss in unserem Beruf anspannen und wieder loslassen können. Sonst schafft man das nicht", lautet seine Erfahrung.

Krautheim findet seine Entspannung auf ausgedehnten Fahrradtouren durch das Küstenland, das ihm bis vor kurzem völlig unbekannt war.

Krautheim hat damit ein neues Kapitel in seinem Leben aufgeschlagen, das viele interessante Geschichten aufweist. Er stammt aus dem Osten, in Weißenfels bei Halle wuchs er auf. Der gelernte Augenoptiker verliebte sich Anfang der 1970er Jahre in eine Frau, der er in den Westen folgen wollte. Stattdessen wurde er geschnappt und wegen Republikflucht in Naumburg inhaftiert. Über den Grundlagenvertrag kam er frei, 1974 durfte er ausreisen.

In Mainz begann er nicht nur ein neues Leben, sondern auch ein Medizinstudium. Es folgte die erste Niederlassung in Worms. Als er sich im vergangenen Jahr aus einer Praxisgemeinschaft verabschiedete, stand Mecklenburg-Vorpommern noch nicht zur Debatte. Die Annonce in einer Fachzeitschrift veränderte das. "Das las sich wie ein Hilferuf", erinnert sich Krautheim. Tatsächlich suchte die KV dringend einen Dermatologen. In solchen Fälle kann die Körperschaft die Entscheidung für den Standort mit einer finanziellen Zulage beeinflussen. "Das hat sicher auch zu meinem Entschluss beigetragen", bestätigt Krautheim. Auch die Aussicht, sich nicht mühsam einen Patientenstamm aufbauen zu müssen, war hilfreich.

Die Nachricht, dass sich ein neuer Hautarzt niedergelassenen hatte, verbreitete sich so schnell, dass sich Krautheim um seine Auslastung von Beginn keine Sorgen machen musste. Ausschlaggebend für seinen Entschluss aber war sein erster Besuch in der Stadt. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin verschaffte er sich einen Eindruck von Schwerin, der rundum positiv ausfiel.Auch das Engagement, das die KV in ihren Bemühungen um den neuen Arzt zeigte, empfand Krautheim als sehr wohltuend. Bis er eine Wohnung gefunden hatte, nutzte er denn auch ein Gästezimmer in der Körperschaft. Die Interimslösung ist längst passé, Krautheim ist in Schwerin angekommen. Gut aufgenommen fühlt er sich nicht zuletzt, weil er sofort einen Qualitätszirkel aufgesucht hatte und von den anwesenden Kollegen sehr herzlich begrüßt worden ist. Aber auch, weil die Patienten den Arzt spüren lassen, wie wichtig er ihnen ist.

Ob Krautheim noch einmal von der Ostseeküste an den Rhein zurückkehren wird, ist derzeit völlig offen. Demnächst macht er erst einmal seinen Bootsführerschein. Den könnte er auf dem Rhein genauso gebrauchen wie auf dem Schweriner See.

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