So wird die Praxis seniorengerecht

Alte, multimorbide Patienten sind für jede Hausarztpraxis eine Herausforderung. Eine, die sich jedoch meistern lässt, wenn Abläufe und Praxis- einrichtung stimmen. Dabei lässt sich bereits mit mäßigem Aufwand viel bewegen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen, auch das gehört zu einer guten Versorgung.

Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen, auch das gehört zu einer guten Versorgung.

© panthermedia

BAD ORB. Die demografischen Prognosen kennt jeder: Die Bevölkerung und damit auch die Patienten, die in den Hausarztpraxen auflaufen, werden immer älter.

Doch was können Ärzte und ihre Teams tun, damit ihre Praxen auch senioren-gerecht sind - ohne für die jüngere Klientel zu altbacken zu wirken?

Auf der diesjährigen practica in Bad Orb erarbeitete Dr. Wolfgang Blank, Facharzt für Allgemeinmedizin in Kirchberg, in einem Workshop gemeinsam mit Hausärzten, was und wie es sich einfach in den Praxen umsetzen lässt.

Fehlt der Hauslift, gibt es Alternativen

Die ersten Hürden lauern meist schon vor der Praxis: Liegt die Praxis nicht ebenerdig, sondern im ersten oder zweiten Stock, vielleicht sogar im Altbau ohne Aufzug, kommen ältere Menschen mit Mobilitätsproblemen nicht so einfach in die Praxisräume.

Hier könnte ein Treppenlifter helfen. In engen Treppenhäusern gibt es aber noch eine Alternative: Eine hochklappbare Rampe, die sich die Praxis vom Schreiner vor Ort anfertigen lässt oder zumindest dort einmal nachfragt, wer so etwas bauen könnte.

Das sei sicherlich günstiger als ein Treppenlifter, so der Hinweis eines anwesenden Hausarztes. Und für den Weg vom Auto zum Praxiseingang könnte die Praxis, sagte Blank, einen Rollstuhl oder Rollator bereitstellen.

"Mal die Lage beim Patienten abchecken"

So mancher Praxisbesuch lässt sich aber auch durch Hausbesuche abfedern. Und da müsse der Arzt nicht in jedem Fall persönlich vorbeischauen, sagte Blank.

"Stichwort VERAH, nutzen Sie eine Medizinische Fachangestellte, die mal die Lage beim Patienten abcheckt", so Blank. Das sei allerdings nicht nur bei Hausbesuchen, sondern auch in der Praxis wichtig, etwa um Funktionsstörungen bei älteren Patienten schneller zu erkennen.

Den Medizinischen Fachangestellten (MFA) falle so etwas, wenn sie die Patienten an der Anmeldung sehen oder sie ins Labor und Sprechzimmer begleiten, eher auf.

Führbare Patienten dank der MFA

Blank: "Die aufmerksame Helferin ist das Pfund mit dem wir wuchern können." Was Blank damit meint? Den Patienten generell aufmerksam zu begegnen.

Dann seien viele bauliche Maßnahmen gar nicht unbedingt notwendig. Und dies kommt auch der Versorgung der Patienten zugute, denn Blank verteilt im Team seiner Gemeinschaftspraxis Aufgaben an die MFA.

So sei eine MFA - das habe sie sogar selbst vorgeschlagen - für die Diabetiker zuständig, die schlecht einstellbar seien.

Sie picke sich diese Patienten gezielt heraus und kümmere sich dann um Schulungen, das Erstellen von Blutzuckertagesprofilen etc. "Und das mit großem Erfolg", berichtete Blank, "plötzlich sind diese Patienten führbar."

Nachfragen macht den MDK hilfsbereit

Gerade bei älteren Patienten könnte die Praxis zudem anbieten, bei Versicherungs- und Pflegeanträgen zu helfen.

Wieder könnte sich eine Mitarbeiterin aus dem Praxisteam hier schlau machen, wie solche Anträge auszufüllen sind und Kontakte zu Seniorenbeauftragten im Ort herstellen.

Außerdem könnte sie sich Rat beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einholen, welche Infos dieser tatsächlich in den Anträgen brauche.

"Wenn man den MDK einmal um Rat fragt, freuen die sich und sind sehr hilfsbereit", so Blanks Erfahrung.

Die besten Tipps liefern die Patienten selbst

Bei der Praxiseinrichtung könnten schon kleine Dinge helfen, den Praxisbesuch für Senioren angenehmer zu gestalten, waren sich die Ärzte in dem Workshop einig.

So gehören ins Wartezimmer und nach Möglichkeit auch ins Sprechzimmer Stühle mit Armlehnen, die das Aufstehen erleichtern. Eine Ablagefläche für Gehstöcke und Platz für den Rollator wären schön.

Im Sprechzimmer könnte man sogar darüber nachdenken, am Arzt-Schreibtisch einen Stockhalter anzubringen, sagte Blank.

Das gelte auch für den Tresen an der Anmeldung. Und im Labor sollten keine Stühle stehen, deren Sitzfläche nach hinten wegkippt, weil auch das älteren Patienten Schwierigkeiten beim Aufstehen bereitet.

Unsinnige Investitionen vermeiden

Der beste Weg, eine Praxis senioren-gerecht zu machen, sei allerdings, drei, vier ältere Patienten einmal zu fragen, was sie sich denn wünschen und wo sie Probleme sehen, erklärte Blank.

Das könne in einem kurzen Gespräch, zu dem man die Patienten in die Praxis einlädt, geschehen. Für die Patienten bedeute das zudem, eine gewisse Wertschätzung.

Und die Praxis hält es von unsinnigen Investitionen, etwa einem erhöhten Toilettensitz ab, der letztlich mehr Patienten stört, als dass er ihnen nutzt.

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