Eine Übungsbühne für den Arztnachwuchs

Die Hausärzte Dr. Michael Nitschke-Bertaud und Dr. Wolfram Edelmann betreiben seit vier Jahren eine akademische Lehrpraxis in Dresden. Bereut haben sie diesen Schritt noch nie - denn auch von den Studenten lässt sich einiges lernen.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
Dr. Wolfram Edelmann (links) und Dr. Michael Nitschke-Bertaud wollen in ihrer Lehrpraxis Studenten für den Hausarztberuf begeistern.

Dr. Wolfram Edelmann (links) und Dr. Michael Nitschke-Bertaud wollen in ihrer Lehrpraxis Studenten für den Hausarztberuf begeistern.

© Thomas Trappe

DRESDEN. Alle zwei Jahre, schätzungsweise, kommt dann doch wieder einer jener Fälle. Reges Desinteresse am Praxisalltag, Teilnahmslosigkeit. "Leute, die ihre Zeit einfach absitzen", sagt Dr. Michael Nitschke-Bertaud. Die absolute Ausnahme sei das, betont er.

"In aller Regel sind die Studenten voll dabei, und manch einer überlegt dann, später vielleicht doch noch Hausarzt zu werden." Das ist oft genug der Fall, sodass Nitschke-Bertaud froh ist, dass er sich einst entschlossen hat, seine Praxis in Dresden zur akademischen Lehrpraxis zu machen.

Akademische Lehrpraxis seit vier Jahren

Nitschke-Bertaud ist 42 Jahre alt und betreibt zusammen mit Dr. Wolfram Edelmann (41) und zwei Kollegen eine Gemeinschaftspraxis im Dresdner Stadtteil Hellerau; ein weiteres Haus der überörtlichen Gemeinschaftspraxis findet sich in Dresden-Klotzsche. Den Status einer akademischen Lehrpraxis haben die Häuser seit knapp vier Jahren: Seitdem werden hier Studenten des fünften Studienjahres der Medizinischen Fakultät der Universität Dresden in einwöchigen Blockpraktika betreut und PJ-Studenten ausgebildet.

Außerdem geben Edelmann und Nitschke-Bertaud regelmäßig Seminare an der Dresdner Fakultät und betreuen Promotionsarbeiten.

Sich für diese Aufgabe zu bewerben, die mit einer Aufwandsentschädigung abgegolten wird und Zeit kostet, darüber mussten die beiden Ärzte nicht lange nachdenken. Beide sind Internisten und als solcher hatte Nitschke-Bertaud schon vor seiner Praxiseröffnung im Klinikalltag in Dresden viel mit dem Nachwuchs zu tun.

"Und damals wurde mir schnell klar, dass mir die Arbeit mit Studenten sehr viel Spaß macht. Das wollte ich gerne fortsetzen." Wolfram Edelmann sah es ähnlich - zusammen bewarben sie sich bei der TU Dresden als Lehrpraxis. Bereut haben sie es seitdem nie.

Studenten können hautnah den Beruf Hausarzt kennen lernen

Klar, sagt Wolfram Edelmann, es kostet Zeit. "Sie müssen die Kommunikation um den Faktor 1,5 erhöhen, da nicht nur der Patient Erläuterung braucht, sondern auch der Student, der in der Praxis daneben sitzt." Inzwischen habe er sich damit arrangiert: "Wenn ich Studenten in der Praxis habe, bleiben Sachen liegen. Die hole ich dann am Wochenende nach."

Das klingt nicht unbedingt nach dem reinsten Vergnügen. Es ist wohl auch eine gehörige Portion Berufsehre, die die beiden Mediziner antreibt. Sie erinnern sich noch sehr gut an ihre Ausbildung, in der es "keine vergleichbare Möglichkeit gab, den Beruf des Hausarztes kennenzulernen".

Umso wichtiger sei es, diesen Fehler bei der neuen Medizinergeneration nicht zu wiederholen. "Es geht darum, Denkprozesse anzustupsen", sagt Nitschke-Bertaud.Sein Kollege Edelmann konkretisiert: "Wir wollen für den Hausarztberuf begeistern. Es kann uns ja nicht egal sein, wie sich dessen Zukunft gestaltet."

Viele Studenten kämen mit Vorurteilen in die Praxis, fürchten sich vor der Arbeitsbelastung und dem Stress der Selbstständigkeit. "Erst bei uns sehen viele, dass der enge Kontakt mit den Patienten sehr viel Spaß machen kann und es durchaus auch Vorteile hat, sein eigener Chef zu sein."

Handfeste Vorteile auch für die beiden Kollegen

Freilich gibt es neben dem ideellen Gewinn für die beiden Ärzte auch ganz handfeste Vorteile. Als Lehrpraxisbetreiber sind die beiden Mediziner in den Status wissenschaftlicher Mitarbeiter versetzt. Zwar bekommen sie dafür kein extra Honorar, aber zum Beispiel einen Zugang zum uni-eigenen Bibliotheks- und Archivsystem.

Michael Nitschke-Bertaud nutzt diese Möglichkeit recht häufig, wie er berichtet. Zudem können Lehrer bekanntlich auch von ihren Schülern lernen - in der Lehrpraxis ist es nicht anders. "Als Arzt ist man nicht immer auf dem neuesten Stand der Forschung", sagt Wolfram Edelmann. "Oft genug bringen Studenten dann auch neue Aspekte in den Behandlungsalltag."

Der Umgang mit den Studenten ist in der Lehrpraxis klar geregelt. "Er kommt an, ich zeige ihm den Notfallkoffer, er wird den Schwestern vorgestellt, und dann sitzt er in der Praxis", fasst Wolfram Edelmann zusammen.

Sensibler muss mit den Patienten umgegangen werden. Ein Aufsteller am Praxisempfang weist darauf hin, dass Studenten hospitieren und dass Patienten darauf bestehen können, alleine mit dem Arzt zu sprechen. "Das wird respektiert, der Student muss dann halt kurz raus. Aber das ist eher die Ausnahme."

Den Ärzten geht es nicht ums Geld

Dr. Norbert K. Missel betreibt seit fünf Jahren eine Hausarztpraxis in Dresden. Ebenso wie die beiden Internisten Dr. Wolfram Edelmann und Dr. Michael Nitschke-Bertaud entschloss er sich, seine Praxis für Studenten zu öffnen, aus "einer Art ethischen Pflicht gegenüber dem Berufsstand", wie er sagt. Zwischen 2007 und 2009 absolvierte der Mediziner in Dresden ein Healthcare-Management-Studium, das er mit einem Master of Business Administration abschloss.

Welche finanziellen Auswirkungen eine Lehrpraxis hat, interessierte den gebürtigen Schwaben daher sehr. Sein Resümee: "Wegen des Geldes macht man es sicher nicht". 50 Euro zahle ihm die Universität pro Tag und Student, so der Allgemeinmediziner. Im Durchschnitt arbeite er dafür zwischen 30 und 60 Minuten täglich länger, ist ein Student in der Praxis dabei. Ausgaben bedeute ein Student nun allerdings auch nicht, betont Missel. Honorar wird nicht gezahlt, "es gibt Kaffee umsonst, das war`s."

Kommt Missel auf sein Zweit-Studium zu sprechen, merke er immer wieder, dass sich die Studenten sehr für das Thema Betriebswirtschaft interessieren. Erstaunlich sei, wie wenig sie etwa über Abschlags-, Schlusszahlungen oder generell über das KV-Abrechnungssystem wissen.

Und so ist Missels Lehrpraxis nicht nur der medizinischen Ausbildung verschrieben. ""Wir wollen den Studenten klarmachen, dass man als Hausarzt auch Geld verdienen kann. Und dass man sogar beeinflussen kann, wie viel."

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Professor Antje Bergmann: Lehrpraxis - keine große Belastung für den Betreiber

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